# taz.de -- Kommentar Ärztemangel: Leidtragende sind die Patienten | |
> Falsch verteilte Gelder, egoistische Kommunen, zu hohe Honorare. Es gibt | |
> nicht zu wenig Ärzte. Aber die Verantwortlichen blockieren sich | |
> gegenseitig. | |
Bild: Volle Wartezimmer: auf dem Land ein bekanntes Bild | |
Es gibt nicht zu wenige Ärzte in Deutschland. Es gibt sogar mehr denn je. | |
Aber sie erhalten die falschen Anreize, und die Verantwortlichen tun | |
dagegen zu wenig. | |
Dass in Orten wie [1][Hoyerswerda ausländische Ärzte die medizinische | |
Versorgung sichern], erscheint wie eine willkommene Ironie: Gerade der | |
demografische Wandel verschafft schrumpfenden Städten hochqualifizierte | |
Einwanderer. Doch damit wird Deutschlands Strukturproblem nicht gelöst, nur | |
verlagert. Osteuropa verliert eine ganze Generation gut ausgebildeter | |
Mediziner. | |
Hierzulande arbeiten fast 31.000 ausländische Mediziner – mehr als doppelt | |
so viel wie vor zehn Jahren. Insgesamt gibt es 360.000 Ärzte – ein Zuwachs | |
von rund 50.000. Trotzdem beklagt die Bundesärztekammer einen | |
„Ärztemangel“. Verantwortlich sei eine alternde Bevölkerung, die immer me… | |
und komplexere Medizindienstleistungen verlange. Mehr Mediziner wünschten | |
sich eine Teilzeitstelle, gleichzeitig gingen viele Ärzte in Ruhestand. | |
Das alles ist schon richtig. Aber das sind nicht die wichtigsten Ursachen | |
für den Ärztemangel in der Eifel, im Bayerischen Wald, in Sachsen und | |
Brandenburg. Verantwortlich ist auch ein schäbiger Machtkampf. | |
Bundesärztekammer, Kassenärztliche Vereinigungen, Bundesländer und Kommunen | |
blockieren sich wechselseitig. | |
Da sind die niedergelassenen Mediziner. Ihre Lobbyvertreter erstreiten | |
ihnen seit Jahren weit überdurchschnittliche Honorarzuwächse. Doch lenken | |
Bundesärztekammer und Kassenärztliche Vereinigungen das Geld nicht an die | |
richtige Stelle: in ländliche und ärmere Gegenden, in denen viele Hausärzte | |
vergeblich Nachfolger suchen. Deren Zahl sinkt. | |
## Es herrscht Stillstand | |
Da sind die Kommunen. Viele von ihnen beharren auf „ihrer“ Klinik, auch | |
wenn diese unrentabel und nicht auf dem neuesten Stand ist. Zu selten | |
helfen sie bei der Gründung medizinischer Versorgungszentren oder | |
Gemeinschaftspraxen. Dabei können darin Mediziner auch in Teilzeit | |
arbeiten. | |
Und da sind die Bundesländer. Zu selten nutzen sie die Möglichkeit, | |
Mediziner durch Stipendien oder günstige Darlehen dazu zu verpflichten, | |
nach dem Studium mehrere Jahre auf dem Land zu arbeiten. | |
Stattdessen herrscht nur Stillstand. Leidtragende sind die Patienten und | |
das Gesundheitssystem, das sie finanzieren. | |
23 Apr 2014 | |
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[1] /Aerztemangel-in-Deutschland/!137195/ | |
## AUTOREN | |
Matthias Lohre | |
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