# taz.de -- Ärzte prüfen Screening-Programme: Die Routine hinterfragen | |
> Ein Krebsscreening dient der Vorsorge, birgt aber auch Risiken. Um | |
> Fehldiagnosen zu vermeiden, sollen solche Programme nun stärker geprüft | |
> werden. | |
Bild: Nur knapp jeder dritte Bundesbürger über 35 Jahre nutzt seinen Anspruch… | |
BERLIN dpa | Gesetzlich Versicherte sollen nach dem Willen von | |
Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery besser vor möglicherweise riskanten | |
Vorsorgeuntersuchungen bewahrt werden können. „Wir müssen Nutzen und Risiko | |
der Vorsorgeuntersuchungen stärker hinterfragen als bisher“, [1][sagte er | |
der Berliner Zeitung]. Die Krankenkassen und die Grünen begrüßten den | |
Vorstoß. Aus der Union kam Kritik. | |
Montgomery bezog sich vor allem auf bestimmte Screening-Programme zur | |
Krebserkennung. Studien zeigten, dass sich die Zahl der Todesfälle durch | |
derartige Untersuchungen nur marginal senken lasse. Zudem würden oft nur | |
die erreicht, die sich ohnehin um ihren Körper kümmern, sagte Montgomery. | |
Kritiker sagen immer wieder, dass es durch Vorsorgeuntersuchen auch zu | |
Fehldiagnosen und schlimmstenfalls unnötigen Operationen komme. | |
„Nötig ist eine wissenschaftliche Analyse aller Statistiken, die es zu den | |
Vorsorgeuntersuchungen gibt, um das Verhältnis von Nutzen und Risiko besser | |
zu bestimmen.“ Der Präsident der Bundesärztekammer ergänzte später: „Die | |
etablierten Vorsorgeuntersuchungen gerade im Bereich der Kinder- und | |
Jugendmedizin stehen dabei ebenso wenig infrage wie die | |
Check-up-Untersuchungen für Erwachsene.“ | |
Ansonsten werden etwa Tastuntersuchungen im Bereich Prostatakrebs, | |
Mammografie- und Hautkrebs-Screening breit angeboten und von den Kassen | |
bezahlt. Es gibt auch viele Vorsorgeuntersuchungen, die Ärzte den | |
Versicherten auf deren eigene Kosten anbieten und deren Nutzen von | |
Kritikern oft infrage gestellt wird. | |
## Fragwürdige Untersuchungen | |
Der oberste deutsche Medizinkontrolleur Jürgen Windeler hatte vor Monaten | |
mitgeteilt, nach wissenschaftlichen Kriterien seien unter anderem die | |
Tastuntersuchung auf Prostatakrebs, der regelmäßige allgemeine Check-up und | |
das Hautkrebs-Screening fragwürdig. Windeler ist Leiter des Instituts für | |
Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. | |
Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn mahnte die Ärzteschaft, nicht den | |
Eindruck zu erwecken, dass alle Maßnahmen zur Vorsorge und Früherkennung | |
schaden. Die frühzeitige Entdeckung von Krankheiten könne viel unnützes | |
Leid vermeiden und Leben retten. | |
Die Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche sagte: „Tatsächlich | |
unabhängige, wissenschaftliche Prüfungen von Nutzen und Risiko sind längst | |
überfällig.“ Der Krankenkassen-Verband meinte: „Jede ärztliche Routine | |
sollte von Zeit zu Zeit hinterfragt werden.“ | |
Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) | |
begrüßte eine regelmäßige Überprüfung medizinischer Angebote. Mehr auf | |
Zielgruppen orientierte Vorsorgeangebote seien nötig. In Deutschland ist | |
der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kassen und Kliniken für die | |
Bestimmung der Kassenleistungen zuständig. Die Kassenärztliche | |
Bundesvereinigung startete erst vor wenigen Tagen eine Kampagne für | |
Hautkrebs-Früherkennung. Denn nur knapp jeder dritte Bundesbürger über 35 | |
Jahre nutze seinen Anspruch darauf. | |
25 May 2014 | |
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[1] http://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft/aerztepraesident-montgomery--komm… | |
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