# taz.de -- Konflikt in Boliviens Militär: Rebellion der unteren Ränge | |
> Unteroffiziere in Bolivien protestieren gegen Rassismus und fordern | |
> bessere Beförderungschancen. Die Armee reagiert mit Massenentlassungen. | |
Bild: Unteroffiziere während eines Protestmarschs vom höher gelegenen El Alto… | |
BUENOS AIRES taz | Im Gebälk von Boliviens Streitkräften knirscht es | |
gewaltig. Am Donnerstag griff die Armeeführung abermals hart durch. 702 | |
Unteroffiziere wurde mit sofortiger Wirkung in den Ruhestand versetzt, weil | |
sie „vorsätzlich an ihrem Arbeitsplatz fehlten“ und sich dagegen an | |
„Aufstand, Meuterei, Durchführung politischer Aktionen und Verletzung der | |
Würde und Ehre der gesamten Streitkräfte“ beteiligten, heißt es in einem | |
Kommuniqué des Oberkommandos. Die Anordnung betrifft alle drei | |
Teilstreitkräfte: 381 Unteroffiziere gehören dem Heer an, 300 der Luftwaffe | |
und 21 der Marine. | |
Öffentlich sichtbar wurde der bereits seit langem schwelende Konflikt am 3. | |
April, als ein Teil der unteren Ränge einen Gesetzentwurf über die | |
„Entkolonisierung der Streitkräfte und ein Ende der Diskriminierung“ | |
vorlegte. | |
Darin fordern die Unteroffiziere nicht nur das Ende des in den | |
Streitkräften herrschenden Rassismus, sondern auch verbesserte | |
Beförderungsbedingungen, Zugang zu Ausbildungskursen, die noch immer den | |
höheren Rängen vorbehalten sind, sowie die Schaffung des Ranges eines | |
Technikoffiziers. Seither kommt es in Bolivien zu öffentlichen Kundgebungen | |
und Protestmärschen von Uniformierten gegen Unterdrückung und für | |
Ausbildung. | |
„Wir sind 8.000 Unteroffiziere und richten uns nicht gegen die Regierung, | |
sondern gegen das neoliberale, kapitalistische und kolonialistische Modell | |
innerhalb der Streitkräfte,“ so Johnny Gil, Vorsitzender der Asociación | |
Nacional de Suboficiales y Sargentos de las Fuerzas Armadas del Estado | |
(Ascinalss). Gespräche mit höherrangigen Militärs hält er für sinnlos und | |
fordert einen direkten Dialog mit Präsident Evo Morales. | |
## Präsident Evo Morales schweigt | |
Morales hat sich bislang jedoch nicht zu Wort gemeldet. Ob er noch lange | |
schweigen kann, ist allerdings fraglich, denn die Unterstützung für die | |
Soldaten wächst täglich. Angefangen von Hungerstreiks der Ehefrauen der | |
Unteroffiziere breitet sich die Solidarität in Teilen der Gewerkschaften | |
und in den indigenen Organisationen stetig aus. Die Ruhestandsverordnung | |
hat die Situation weiter verschärft. | |
Am Donnerstagvormittag zogen Soldaten bereits zum dritten Mal in einem | |
Protestmarsch in Kampfuniform und in lockerer Formation aus dem | |
höhergelegenen El Alto in die Regierungsstadt La Paz. Nach Angaben der | |
Organisatoren nahmen diesmal rund 2.000 Uniformierte teil, darunter auch | |
Soldaten aus den Provinzen Oruro und Cochabamba. | |
Am späten Nachmittag reagierte die Armeeführung mit der Entlassung der 702 | |
Unteroffiziere. Während der Oberkommandierende Admiral Víctor Baldivieso | |
die Maßnahme als notwendig verteidigte, ist es für die Unteroffiziere ein | |
Akt der Repression. „Diese Aktion ist nichts anderes als ein Massaker in | |
den Streitkräften“, so der Sprecher der Unteroffiziere, Franklin Colque. | |
Bereits Anfang der Woche hatte die Militärführung erstmals reagiert und 17 | |
Unteroffiziere aus dem aktiven Dienst entfernt. Vom | |
Verteidigungsministerium wird die Zahl von insgesamt 719 heruntergespielt. | |
Die Maßnahmen betreffen lediglich knappe 7,5 Prozent der rund 9.600 | |
Unteroffiziere der Streitkräfte, so Verteidigungsminister Rubén Saavedra. | |
Er und der Präsident seien zum Dialog bereit, aber die Soldaten müssten den | |
Dienstweg einhalten und sich zunächst an die nächsthöheren Ränge wenden. | |
25 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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