| # taz.de -- Konflikt in der Ukraine: Timoschenko will Nato-Beitritt | |
| > Die ukrainische Präsidentschaftskandidatin strebt eine | |
| > Nato-Mitgliedschaft ihres Landes an. Derweil setzt sich das Tauziehen um | |
| > die festgesetzten OSZE-Beobachter fort. | |
| Bild: Nato-Mitglied Ukraine. Für Russland ein rotes Tuch, für Julia Timoschen… | |
| SLAWJANSK/KIEW dpa/ap | Nach der Festsetzung mehrerer | |
| OSZE-Militärbeobachter in der Ostukraine haben sich die Bundesregierung und | |
| die OSZE mit allen Kräften um eine Freilassung des Teams bemüht. Die | |
| prorussischen Separatisten in Slawjansk weigerten sich am Samstag jedoch, | |
| die Gruppe, zu der auch vier Deutsche gehören, auf freien Fuß zu setzen. | |
| Aktivistenführer Denis Puschilin äußerte den Verdacht, darunter seien | |
| „Nato-Spione“. Die Aktivisten wollen die ukrainischen Soldaten in dem Team | |
| gegen inhaftierte Gesinnungsgenossen austauschen. | |
| Eine Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa | |
| (OSZE) machte sich noch am Samstag auf den Weg in die Ostukraine, um die | |
| Freilassung der Militärbeobachter zu erreichen. Ihre Ankunft wurde am | |
| Sonntag erwartet. | |
| Festgehalten werden in Slawjansk drei Bundeswehroffiziere und ein deutscher | |
| Dolmetscher sowie je ein militärischer Beobachter aus Tschechien, Schweden, | |
| Dänemark und Polen. Begleitet wurden sie von mehreren ukrainischen | |
| Soldaten, die ebenfalls in der Gewalt der Separatisten sind. | |
| In Berlin tagte ein Krisenstab im Auswärtigen Amt. Anschließend forderte | |
| die Bundesregierung die sofortige Freilassung der Beobachter. Außenminister | |
| Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte am Nachmittag, der russische | |
| Außenminister Sergej Lawrow habe ihm während eines Telefonats Hilfe | |
| zugesagt, ebenso der ukrainische Interimsregierungschef Arseni Jazenjuk. | |
| Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte, die Beobachter | |
| seien nicht in der Ukraine, um einzugreifen. „Ihre wichtige Aufgabe ist, | |
| für Transparenz und Vertrauensbildung zu sorgen.“ | |
| Nach Angaben des Vizechefs des OSZE-Krisenpräventionszentrums, Claus | |
| Neukirch, sind die Festgehaltenen keine Mitglieder der eigentlichen, | |
| diplomatischen OSZE-Beobachtermission. Es handele sich vielmehr um eine | |
| bilaterale Mission unter Leitung der Bundeswehr und auf Einladung der | |
| ukrainischen Regierung. Solche Inspektionen nach dem „Wiener Dokument“ | |
| haben nicht das breite Mandat einer OSZE-Mission, sondern sind unter den | |
| Staaten selbst vereinbart. | |
| Der russische OSZE-Botschafter Andrej Kelin kritisierte den Schritt der | |
| Aktivisten. Die Festsetzung trage nicht zur Deeskalation bei. „Wir sind der | |
| Meinung, dass diese Menschen sobald wie möglich freikommen müssen“, sagte | |
| er. Russland führe Gespräche zur "Lösung der Lage", teilte das Außenamt in | |
| Moskau ohne Details mit. | |
| ## Keine Eiszeit zwischen Putin und Obama | |
| Die G7-Staaten einigten sich unterdessen darauf, „zügig“ neue Sanktionen | |
| gegen Moskau zu verhängen. Zur Begründung hieß es, Russland habe nichts | |
| unternommen, um den Genfer Friedensplan für die Ukraine umzusetzen. Moskau | |
| habe stattdessen „mit einer zunehmend besorgniserregenden Rhetorik und | |
| anhaltenden bedrohlichen militärischen Manövern“ die Spannungen eskalieren | |
| lassen. Zur G7 – den sieben führenden Industrienationen - gehören Kanada, | |
| Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Großbritannien und die USA an. | |
| Wie die dpa in Brüssel aus EU-Diplomatenkreisen erfuhr, beraten an diesem | |
| Montag die Botschafter der 28 EU-Staaten über zusätzliche Sanktionen gegen | |
| Moskau. Auf der Agenda stehen demnach weitere Einreiseverbote und | |
| Kontosperrungen. Die Maßnahmen könnten noch im Tagesverlauf von den | |
| Regierungen im Umlaufverfahren abgesegnet und in Kraft gesetzt werden, hieß | |
| es. | |
| Der Spitzenkandidat aller konservativen Parteien für die Europawahl, | |
| Jean-Claude Juncker, forderte, auch den Fluss von Finanzdienstleistungen | |
| zwischen Russland und der EU zu stoppen. „Es müssen meiner Ansicht nach | |
| Wirtschaftssanktionen ergriffen werden, wenn (Russlands Präsident Wladimir) | |
| Putin seine Vorgehensweise nicht ändert“, sagte er im Interview der | |
| Deutschen Welle. | |
| Kremlchef Wladimir Putin ließ derweil Medienberichte über eine angebliche | |
| „totale Eiszeit“ mit seinem US-Kollegen Barack Obama wegen der | |
| Ukraine-Krise zurückweisen. „Jetzt gibt es zwar Differenzen, deshalb kommt | |
| es auch zu sehr harten Dialogen, aber nichtsdestotrotz läuft der Kontakt“, | |
| sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow dem Moskauer Radiosender Echo Moskwy. | |
| Putin und Obama hatten zuletzt am 14. April miteinander telefoniert. | |
| US-Medien berichteten, danach habe der Kreml den Kontakt wegen massiver | |
| Kritik an der Ukraine-Politik abgebrochen. | |
| ## Nord-Krim-Kanal nahezu trockengelegt | |
| Moskau wies unterdessen Vorwürfe der USA zurück, russische Kampfbomber | |
| hätten bei Übungen unbefugt ukrainisches Gebiet überflogen. Diese | |
| „populistische Behauptung“ sei völlig aus der Luft gegriffen, sagte ein | |
| Armeesprecher der Agentur Itar-Tass zufolge. | |
| In Slawjansk präsentierte Separatistenführer Puschilin die Ausweise und | |
| Erkennungsmarken der festgesetzten Militärbeobachter russischen | |
| Staatsmedien. „In der Delegation waren auch ukrainische Offiziere – wir | |
| beabsichtigten, sie gegen Pawel Gubarew und andere Gefangene | |
| einzutauschen“, sagte er. Der moskautreue Politiker Gubarew sitzt derzeit | |
| wegen „Separatismus“ in Kiew in Untersuchungshaft. | |
| Ukrainische Regierungseinheiten zerstörten bei ihrer | |
| „Anti-Terror-Operation“ vor Slawjansk nach eigenen Angaben vier | |
| Straßensperren der Separatisten. Die Stadt im krisengeschüttelten Osten der | |
| Ex-Sowjetrepublik ist von Sicherheitskräften eingekreist. | |
| Auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim unterbrach die ukrainische | |
| Regierung offenbar die Wasserversorgung. Der rund 400 Kilometer lange | |
| Nord-Krim-Kanal sei nahezu trockengelegt, meldete die ukrainische Agentur | |
| Unian unter Verweis auf entsprechende Fotos. Die Wasseragentur in Kiew | |
| widersprach den Berichten. Sie warf allerdings der moskautreuen Führung der | |
| Krim vor, Wasser ohne gültige Verträge abzuschöpfen. Der 1976 | |
| fertiggestellte Kanal vom Dnjepr-Fluss stellt bis zu 85 Prozent des | |
| Wasserbedarfs der Krim sicher. | |
| ## Timoschenko teilt Dritte-Welt-Kriegs-These nicht | |
| Die ukrainische Präsidentschaftskandidatin Julia Timoschenko plädiert für | |
| einen Nato-Beitritt ihres Landes. Dies sei nötig, um die Ukraine vor | |
| russischer Aggression zu schützen, sagte die ehemalige Ministerpräsidentin | |
| am Samstag in einem Interview der Nachrichtenagentur AP. | |
| Früher habe nur eine Minderheit des ukrainischen Volks einen Beitritt zum | |
| westlichen Militärbündnis befürwortet, doch das aggressive Vorgehen des | |
| russischen Präsidenten Wladimir Putin habe dies von Grund auf geändert, | |
| sagte Timoschenko. „Mit seinem Krieg gegen uns hat Putin die Mentalität der | |
| Ukrainer verändert und uns in eine andere strategische Richtung gewendet“, | |
| sagte Timoschenko. „In diesem Fall ist die Nato die beste Wahl für die | |
| Ukraine.“ | |
| Eine Nato-Mitgliedschaft gilt als rotes Tuch für Russland, das sich | |
| vehement für eine neutrale Position des Nachbarlandes einsetzt. Bislang | |
| hatte sich Timoschenko auch nicht öffentlich für eine Nato-Mitgliedschaft | |
| ausgesprochen. Angesichts der Einnahme von Polizeistellen und | |
| Regierungsgebäuden durch prorussische Milizen im Osten der Ukraine haben | |
| sie und andere ukrainische Politiker jedoch ihre Rhetorik verschärft. | |
| Ministerpräsident Arseni Jazenjuk hatte Putin am Freitag sogar unterstellt, | |
| er wolle einen „Dritten Weltkrieg beginnen“. Timoschenko schloss sich dem | |
| aber nicht an. „Ich glaube nicht, dass er einen Dritten Weltkrieg anfängt“, | |
| sagte sie. „Ich glaube nur, dass er die Welt erpresst, weil er versteht, | |
| dass die Welt einen Dritten Weltkrieg nicht zulässt. Und unter dieser | |
| Tarnung verfolgt er seine gesetzlosen und aggressiven Taten.“ | |
| Die Ankündigung neuer Sanktionen gegen Russland begrüßte Timoschenko. Sie | |
| hoffe, dass diese „so kraftvoll sein werden, dass Putin seine Aggression | |
| stoppt und auf das Territorium seines eigenen Landes zurückkehrt“. In der | |
| Nacht zum Samstag hatten die G7-Länder gemeinsam weitere Strafmaßnahmen | |
| gegen Russland angekündigt, als Reaktion auf russisches Handeln in der | |
| Ukraine, wie es hieß. | |
| Timoschenko kandidiert bei der Präsidentschaftswahl am 25. Mai, liegt aber | |
| in den Umfragen zurück. Die 53-jährige war nach der Orangenen Revolution | |
| von Kiew 2004 Ministerpräsidentin. Später ließ ihr Präsident Viktor | |
| Janukowitsch den Prozess machen. Sie verbrachte zweieinhalb Jahre in Haft, | |
| bevor sie nach dem Umsturz in Kiew im Februar wieder freigelassen wurde. | |
| 26 Apr 2014 | |
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