| # taz.de -- Deregulierung von Dienstleistungen: Geheimverhandlungen in Genf | |
| > Wasser, Gesundheit, Bildung: Derartige Bereiche der öffentlichen | |
| > Daseinsvorsorge wollen die EU und weitere 22 Staaten noch weiter | |
| > privatisieren. | |
| Bild: Wasser ist für alle da! Oder? | |
| GENF taz | Öffentliche Dienstleistungen zur Gesundheits-, Wasser- und | |
| Energieversorgung, bei der Bildung, im Finanzsektor sowie in allen anderen | |
| Bereichen sollen über das bereits in den letzten 20 Jahren erreichte Ausmaß | |
| dereguliert und internationaler Konkurrenz ausgesetzt werden. | |
| Selbst wenn Privatisierungen scheitern oder sich als zu teuer erwiesen | |
| haben, sollen Regierungen oder Verwaltungen künftig das Recht verlieren, | |
| Dienstleistungen wieder in die öffentliche Hand zu überführen. Nationale | |
| Bestimmungen zum Schutz von Umwelt, Verbrauchern oder Beschäftigten sollen | |
| ungültig werden, wenn sie den „freien Markt“ mit Dienstleistungen | |
| behindern. | |
| Das sind laut Verhandlungsmandat die Ziele für ein Abkommen zum Handel mit | |
| Dienstleistungen (Trade in Services Agreement, Tisa), zu dessen Verhandlung | |
| Vertreter von 22 Staaten und die EU-Kommission am Montag nach Genf kommen. | |
| Hauptinitiatoren sind neben der EU die USA, Kanada, Japan und Australien. | |
| Beteiligt sind zudem Südkorea, die Türkei, die Schweiz sowie Länder | |
| Lateinamerikas und Asiens. Die insgesamt 50 Staaten nennen sich selbst „Die | |
| wahren, guten Freunde von Dienstleistungen“. Sie bestreiten in dem | |
| Wirtschaftssektor 75 Prozent des Welthandels. | |
| ## Noch weiter als das Gats-Abkommen | |
| Die Staaten versuchen seit vielen Jahren innerhalb der | |
| Welthandelsorganisation (WTO) vergeblich, das 1994 mit Gründung der WTO | |
| vereinbarte „Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen“ | |
| (General Agreement on Trade in Services, Gats) so weit wie möglich | |
| auszuweiten. Das seinerzeit bereits von Globalisierungskritikern bekämpfte | |
| Gats enthält noch Ausnahme- und Schutzklauseln für Dienstleitungsbereiche, | |
| die besonders sensibel oder von hohem öffentlichen Interesse sind. | |
| Diese Klauseln sollen in einem neuen Abkommen ebenso wegfallen wie die im | |
| Gats enthaltene Möglichkeit, gescheiterte oder zu kostspielige | |
| Privatisierungen wieder zu korrigieren. Dann wären die zuletzt von vielen | |
| Städten in Deutschland getätigten Rückübernahmen privatisierter Energie- | |
| und Wasserunternehmen in kommunale Trägerschaft unmöglich, genauso wenig | |
| wie die Renationalisierung der in den 80er Jahren mit katastrophalen Folgen | |
| privatisierten britischen Eisenbahnen. | |
| Auch die Gats-Regeln, die nationalen Arbeits- und Sozialgesetzen, | |
| Umwelt-und Verbraucherschutzbestimmungen bislang noch Vorrang vor einem | |
| deregulierten globalen Dienstleistungsmarkt einräumen, sollen gestrichen | |
| werden. | |
| ## Hinter verschlossenen Türen | |
| All diese Forderungen konnten ihre Befürworter innerhalb der WTO bislang | |
| nicht durchsetzten. Daher finden die Tisa-Verhandlungen auch nicht im | |
| institutionellen Rahmen und nach den Regeln der WTO in ihrer Genfer | |
| Zentrale statt, sondern hinter für Journalisten und | |
| Nichtregierungsorganisationen verschlossenen Türen der australischen | |
| UNO-Botschaft. | |
| Auf Geheimhaltung wird offenbar stärker geachtet als bei den bisherigen | |
| Verhandlungen im Rahmen der WTO. So haben die USA zur Bedingung gemacht, | |
| dass ihre Forderungen „für fünf Jahre nach Inkrafttreten eines | |
| Tisa-Abkommens oder nach ergebnislosem Ende der Verhandlungen geheim | |
| gehalten halten werden müssen“. | |
| In der EU waren – wie schon bei den WTO-Verhandlungen der letzten 20 Jahre | |
| – weder das Europäische Parlament noch Parlamente der 28 Mitgliedstaaten an | |
| der Erarbeitung der Positionen und Forderungen beteiligt, die die | |
| EU-Kommission im Namen der Länder einbrachte. „Die EU muss ihre | |
| Tisa-Verhandlungspositionen umgehend veröffentlichen“, fordert die | |
| Nichtregierungsorganisation Public Services International in einer neuen | |
| Studie. | |
| 27 Apr 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Zumach | |
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