| # taz.de -- Freihandel im Hinterzimmer: Bundesregierung täuscht bei Tisa | |
| > Die Bundesregierung verhandelt über Tisa und rückt auf eine | |
| > parlamentarische Anfrage nicht mit der Wahrheit raus. Was wird aus der | |
| > Daseinsvorsorge? | |
| Bild: Wasser aus dem Hahn – nach TISA droht die Privatisierung | |
| GENF taz | Die Bundesregierung täuscht den Bundestag mit falschen, | |
| irreführenden und widersprüchlichen Angaben zu Inhalten, Zielsetzung und | |
| Geheimhaltungsgrad der seit März 2013 in Genf geführten Verhandlungen über | |
| ein multilaterales Abkommen zur Liberalisierung von Dienstleistungen (Trade | |
| in Services Agreement, TISA). In einer letzte Woche [1][veröffentlichten | |
| Antwort] auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion erklärt die Regierung | |
| mehrfach, es sei „nicht Ziel oder Inhalt der TISA-Verhandlungen, | |
| öffentliche Dienstleistungen zu privatisieren“. Diese Aussage ist falsch. | |
| In den Verhandlungsmandaten der EU-Kommission sowie der Regierungen der USA | |
| und Australiens - die drei Hauptinitatoren der seit März 2013 zwischen 50 | |
| Staaten, aber außerhalb der Welthandelsorganisation (WTO) geführten | |
| TISA-Verhandlungen - heißt es übereinstimmend: „Die TISA-Verhandlungen | |
| umfassen sämtliche Dienstleistungssektoren“. | |
| Ausdrücklich erwähnt werden dann Energieverorgung, Transportwesen, | |
| Finanzdienstleistungen, Kommunikation und Postdienstleistungen, | |
| öffentliches Beschaffungswesen sowie „neue Regeln für nationale | |
| Regulierungen, um sicher zustellen, dass diese Regulierungen kein Hindernis | |
| bilden für den internationalen Handel mit Dienstleistungen“. Das | |
| Verhandlungsmandat der EU-Kommission wurde im Herbst 2012 beschlossen -nach | |
| vorheriger Zustimmung der Wirtschafts- und Handelsminister der damals noch | |
| 27 EU-Staaten. | |
| Die Formulierungen aus den Mandaten der drei Hauptinitiatoren für ein | |
| TISA-Abkommen wurden auch in das Grundlagendokument übernommen, das die 50 | |
| beteiligten Staaten zu Beginn ihrer Verhandlungen vereinbarten. | |
| Ausgeschlossen wurde kein einziger Dienstleistungssektor. Gleichzeitig aber | |
| vereinbart, dass alle Bereiche, die nicht per „Negativliste“ ausdrücklich | |
| ausgeschlossen werden, unter ein künftigens Abkommen fallen. | |
| ## Bundesregierung verweigert konkrete Antwort | |
| Das Grundlagendokument beschreibt das angestrebte Abkommen als | |
| „Fortentwicklung“ des Mitte der 90er Jahre im Rahmen der WTO vereinbarten | |
| „Allgemeinein Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen“ (GATS) und | |
| zitiert die „Ausnahmeregel“ für öffentliche Dienstleistungen aus dem erst… | |
| Artikel des GATS. Die Bundesregierung verweigerte auf die Frage der | |
| Linksfraktion ,welche Dienstleistungssektoren die EU am | |
| TISA-Verhandlungstisch denn bislang zur Marktöffnung angeboten habe, eine | |
| konkrete Antwort und erklärte lediglich, das EU-Angebot orientiere sich „an | |
| der Struktur des GATS“. | |
| Das ist grob irreführend. Denn die Ausnahmeregel in Artikel 1 des GATS gilt | |
| nur für „öffentliche Dienstleistungen, die nicht kommerziell angeboten | |
| werden und auch nicht in Konkurrenz zu einem oder mehreren anderen | |
| Anbietern.“ Und sie gilt auch nur für solche öffentlichen Dienstleistungen, | |
| für die Regierungen oder lokale Behörden „keine Gebühren erheben“. | |
| Diese Voraussetzunge für eine Ausnahme von der Liberalisierung waren schon | |
| zu Zeiten der GATS-Verhandlungen Mitte der 90er Jahre in einigen | |
| öffentlichen Dienstleistungsbereichen nicht mehr gegeben. Heute dürfte kein | |
| einzigerSektor mehr existieren, der diese Bedingungen noch erfüllt - auch | |
| nicht bei der Wasserversorgung, im Gesundheits- und Bildungswesen oder in | |
| anderen Bereiche der besonders sensiblen öffentlichen Daseinsvorsorge, über | |
| den nach Aussage der Bundesregierung bei TISA „nicht verhandelt wird“, und | |
| für den „ keine Marktöffnung vorgesehen“ sei. | |
| An einer Stelle ihrer Antwort an die Linksfraktion räumt die | |
| Bundesregierung allerdings ein, dass über den Gesundheitsbereich sehr wohl | |
| verhandelt wird. Denn auf die Frage, ob die Gesundheitsreform in der USA | |
| („ObamaCare“) nach einem vertraglich bindenden TISA-Abkommen noch erlaubt | |
| gewesen wäre, schreibt die Regierung: „Die Entscheidung, ob die USA im | |
| Rahmen des TISA-Abkommens weitgehende Verpflichtungen im Gesundheitswesen | |
| übernehmen wird, obliegt allein den US-Verhandlungsführern.“ | |
| ## TISA umfasst alle Dienstleistungen | |
| Auch in den bislang sieben TISA- Verhandlungsrunden seit März 2013 wurde | |
| kein Dienstleistungssektor von einem künftigen Abkommen ausgenommen. Das | |
| bestätigen Diplomaten, aus drei an den Verhandlungen beteiligten Ländern | |
| der taz. In den der taz vorliegenden Protokollen, die eine der federführend | |
| beteiligten Regierungen nach jeder Verhandlungsrunde erstellt, findet sich | |
| ebenfalls kein Hinweise auf einen Ausschluss. | |
| Die USA haben schriftlich zur Bedingung gemacht, dass ihre bei den | |
| TISA-Verhandlungen eingebrachten Dokumente „für fünf Jahre nach | |
| Inkrafttreten eines TISA-Abkommens oder nach ergebnisloseem Ende der | |
| Verhandlungen geheim gehalten halten werden müssen“. Diese Forderung sei | |
| ihr „nicht bekannt“, behauptet die Bundesregierung in ihrer am 19. Juni | |
| vorgelegten Antwort. Das ist sehr unglaubwürdig. Denn an anderer Stelle | |
| ihrer Anwort erklärt die Bundesregierung, sie kenne alle TISA-Dokumente. | |
| Über die Geheimhaltungsforderung der USA hatte die taz bereits Ende April | |
| erstmals berichtet. Ende Juni veröffentlichte Wikileaks dann das | |
| US-Positionspapier zur weiteren Deregulierung der Finanzdienstleistungen, | |
| auf dessen Frontseite die Forderung nach fünfjähriger Geheimhaltung zu | |
| lesen ist. Diese Forderung gelte „grundsätzlich“ und sei auf „sämtlichen | |
| von den USA vorgelegten Dokumenten aufgedruckt“, bestätigte ein US-Diplomat | |
| gegenüber der taz. | |
| 3 Jul 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/019/1801913.pdf | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Zumach | |
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