# taz.de -- Urteil zur Finanztransaktionssteuer: Britische Bremser gescheitert | |
> Der Europäische Gerichtshof hat keine grundsätzlichen Bedenken gegen die | |
> Besteuerung von Wertpapierdeals. Die britische Regierung kann aber neu | |
> klagen. | |
Bild: Im Prinzip, ja: Wie eine Finanztransaktionssteuer aussehen wird, ist völ… | |
FREIBURG taz | Großbritannien kann nicht verhindern, dass elf EU-Staaten | |
über eine gemeinsame Finanztransaktionssteuer verhandeln. Das entschied der | |
Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Mittwoch und lehnte eine | |
Klage der britischen Regierung gegen die verstärkte Zusammenarbeit von | |
Deutschland, Frankreich und neun weiteren Staaten ab. Die britischen | |
Einwände sind damit freilich noch nicht ausgeräumt. | |
Über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer wird auf EU-Ebene schon | |
seit Jahren diskutiert. Ursprünglich war sie von dem amerikanischen | |
Nobelpreisträger James Tobin und den Globalisierungskritikern von attac | |
vorgeschlagen worden, um reine Finanzspekulationen unattraktiv zu machen. | |
Seit Ausbruch der Finanzkrise wird die Finanztransaktionssteuer jedoch vor | |
allem als Mittel gesehen, den Finanzsektor an den enormen | |
Stabilisierungskosten für das Banksystem zu beteiligen. | |
2011 legte die EU-Kommission einen Vorschlag vor, EU-weit eine | |
Finanztransaktionssteuer einzuführen. Im Sommer 2012 zeigte sich jedoch, | |
dass der Widerstand zu groß ist. Vor allem Großbritannien, aber auch | |
Luxemburg und die Niederlande lehnten eine solche Steuer ab, weil sie | |
fürchteten, dass Finanzspekulationen dann nicht mehr an den Börsen der | |
EU-Staaten, sondern vor allem in New York oder Tokio abgewickelt werden. | |
Seit 1997 ist es jedoch möglich, dass einige EU-Staaten eine verstärkte | |
Zusammenarbeit ohne Bremser-Staaten wie die Briten beschließen können. Von | |
dieser Möglichkeit wollten Deutschland, Frankreich und neun andere Staaten | |
(Belgien, Estland, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien, | |
Slowakei und Spanien) nun Gebrauch machen. Der EU-Ministerrat erlaubte | |
ihnen dies im Januar 2013. | |
## Ausweichmanöver erschwert | |
Kurz darauf legte die EU-Kommission einen neuen Vorschlag für eine | |
Elfer-Finanztransaktionssteuer vor. Danach sollten alle Aktienkäufe mit 0,1 | |
Prozent und alle Derivat-Geschäfte (Wertpapierwetten) mit 0,01 Prozent | |
besteuert werden. Um Ausweichmanöver zu erschweren, sollte die Steuer auch | |
erhoben werden, wenn zum Beispiel in London oder Luxemburg Geschäftspartner | |
aus den elf beteiligten Staaten Aktien handeln - oder wenn dort Wertpapiere | |
aus den elf beteiligten Staaten verkauft werden. | |
Das wollte sich Großbritannien aber nicht gefallen lassen und klagte im | |
April 2013 gegen den Beschluss, der den elf Staaten eine verstärkte | |
Zusammenarbeit erlaubt. Dieser verstoße gegen EU-Recht, weil eine | |
verstärkte Zusammenarbeit laut EU-Arbeitsvertrag die Rechte der nicht | |
beteiligten Staaten achten muss (Art. 327 AEUV). | |
Der EuGH hat die britische Klage nun aber in vollem Umfang abgelehnt. Denn | |
die von Großbritannien vorgebrachten Argumente wenden sich allesamt gegen | |
den Kommissions-Vorschlag, der von den elf Staaten noch gar nicht | |
beschlossen wurde. Die grundsätzliche Erlaubnis, dass elf Staaten bei der | |
Finanztransaktionssteuer voranschreiten lasse völlig offen, wie diese | |
letztlich ausgestaltet sein wird. Großbritannien muss mit seiner Klage also | |
warten, bis die elf Staaten tatsächlich eine Steuer beschließen, die auch | |
Geschäfte an britischen Börsen betrifft. | |
Ob es dazu je kommen wird, ist derzeit noch völlig offen, da sich vor allem | |
Deutschland und Frankreich nicht über die Ausgestaltung der | |
Finanztransaktionssteuer einigen können. Frankreich will nur Aktien | |
besteuern, um seinen lukrativen Derivate-Handel nicht zu gefährden. | |
Deutschland besteht dagegen darauf, dass auch Derivate besteuert werden, | |
weil sonst die Geschäfte nur verschoben werden. | |
Zeitweise bremste die Bundesregierung auch mit dem Argument, man müsse erst | |
die von den Briten aufgeworfenen Rechtsfragen klären. Insofern hatte die | |
britische Klage also bereits gewissen Erfolg. Und da die Rechtsfragen nun | |
ja immer noch nicht geklärt sind, können die Briten mit ihren Bedenken | |
weiterhin die Verhandlungen im Elfer-Kreis torpedieren. Umgekehrt können | |
sich Staaten, die sich nicht wirklich einigen wollen, auch weiterhin gut | |
hinter den britischen Einwänden verstecken. (Az.: C-209/1) | |
30 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Finanztransaktionssteuer | |
Europäischer Gerichtshof | |
Urteil | |
Spekulation | |
Europäische Kommission | |
SPD | |
Portugal | |
Finanztransaktionssteuer | |
Finanztransaktionssteuer | |
Finanztransaktionssteuer | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte: 45 Milliarden Euro sind möglich | |
„Sinnvoll, machbar, überfällig“: Die Finanztransaktionssteuer könnte | |
jährlich 45 Milliarden Euro einbringen, so das Ergebnis einer Studie im | |
SPD-Auftrag. | |
Portugal verlässt Rettungsschirm: Abschied ohne Sicherheitsnetz | |
Drei Jahre ist es her, dass Portugal mit zinsgünstigen Krediten vor dem | |
finanziellen Ruin bewahrt wurde. Künftig soll es ohne die Troika gehen – | |
und ohne Notoption. | |
Urteil zur Finanztransaktionssteuer: Monster ohne Biss | |
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist nur auf den ersten Blick ein | |
Sieg für die Anhänger der Börsensteuer. Noch ist alles viel zu vage. | |
Finanztransaktionssteuer in Europa: Bremse für Spekulanten | |
Der Europäische Gerichtshof hat Großbritanniens Klage gegen die Einführung | |
einer Börsenabgabe in elf EU-Staaten abgelehnt. Aber worum geht es | |
eigentlich? | |
Weg frei für Finanztransaktionssteuer: Da kann London lange meckern | |
Die Steuer auf Finanzprodukte kann kommen. Der Europäische Gerichtshof hat | |
eine Klage Großbritanniens gegen ihre Einführung in 11 EU-Staaten | |
abgewiesen. |