# taz.de -- re:publica 2014, der 3. Tag: Die Orte des Internets | |
> Wo das Netz sichtbar wird, wie Geld für die Marihuana-Legalisierung | |
> versteuert wird und warum das Publikum eine Dusche bekommt. | |
Bild: Flüsterfunk: Einige der Bühnen haben keine Lautsprecher, das Publikum h… | |
Was [1][für den ersten] und [2][zweiten Tag] gilt, gilt auch für den | |
dritten Tag der größten Internetkonferenz Europas: Die Veranstaltungen, die | |
auf rund 15 Bühnen parallel stattfinden, lassen sich auch zu zweit nicht | |
komplett erfassen. Trotzdem geben wir weiter, was wir heute gelernt haben. | |
1. 50 Shades of Grey war eine Fan-Fiction zur Vampirsaga „Twilight“. Und | |
die 50-Shades-Autorin wisse durchaus, dass sie da ziemlichen Schund | |
geschrieben habe, sagt Yasmina Banaszczuk aka [3][Frau Dingens] bei ihrem | |
Talk [4][„I will go down with this Ship“], in dem es um Fandom geht, die | |
ausgeprägte Verehrung von Popkulturerzeugnissen, den Austausch darüber mit | |
Gleichgesinnten in Internet-Foren, auf Treffen, durch Fan-Art (also: selbst | |
gemachte Derivate und das Weiterspinnen des Originals). | |
Frau Dingens erklärt die integrative Kraft des Fandoms, was Shipping, | |
Headcannon und OTP sind. Und, noch was gelernt: Dass die Schauspieler der | |
TV-Serie „Glee“ vertraglich verpflichtet sind, in der Zeit zwischen den | |
Drehs immer wieder mal zu Fan Conventions zu fahren. | |
2. Das umfangreichste Wörterbuch der deutschen Sprache haben Jacob und | |
Wilhelm Grimm geschrieben. Es enthält [5][350.000 Einträge]. Das letzte | |
Wort ist Zypressenzweig. Krass haben die Brüder das nicht gefunden. Das | |
hatte nämlich damals die Bedeutung plump, grob, derb, arg, schrecklich. | |
Diese und weitere Begriffsfundgruben im Internet stellt [6][Wibke Ladwig] | |
vor – zur [7][Wortschatzerweiterung.] | |
„Es gibt keinen Sprachverfall, sondern einen Sprachwandel“. Trotzdem | |
empfielt sie alte Begriffe wiederzubeleben, neue zu schöpfen oder benutzte | |
Begriffe genauer zu betrachten. Twitteraccounts und Seiten wie „[8][Das | |
tägliche Wort]“, „[9][Kunstworte]“ oder „[10][Der Atlas der deutschen | |
Alltagssprache]“ helfen dabei. Das liebste neu erlernte Wort des Vortrags: | |
[11][blümerant]. | |
3. In San Luis Obispo, Kalifornien, steht die [12][größte Wand der Welt, an | |
die Kaugummis geklebt werden]. Das hat Moritz Metz bei seiner Suche danach | |
[13][„Wo das Internet lebt“] herausgefunden. Metz hatte das für ein | |
Radiofeature gemacht, das es auch bei Arte Future [14][als Audioslideshow] | |
gibt, er wollte begreiflich machen, dass das Internet sich zwar wie eine | |
ortlose Wolke anfühlen mag, in echt aber immer noch an physisch vorhandene | |
Infrastruktur gebunden ist. | |
Also schaute er in seinem Berliner Haus einem Internetklempner über die | |
Schulter, suchte in Frankfurt den größten Internetknoten der Welt, wo er | |
aber nicht rein durfte und eine Seekabelstelle, an der ein Drittel des | |
pazifischen Internetverkehrs abgewickelt wird. | |
Metz fotografierte das Wohnhaus von Google-Chef Larry Page („Ich dachte | |
mir: Er hat Fotos von unserem Haus gemacht, da kann ich ja auch welche von | |
seinem machen“), trank in Kronstorf in Österreich Apfelmost mit dem | |
Hackerbauern, der Millionär geworden ist, weil er seinen Acker an Google | |
verkauft hat und besuchte im Felsen von Gibraltar das Rechenzentrum, in dem | |
fast alle Online-Casinos und -Wettbüros residieren. Das ist alles sehr | |
unterhaltsam und nebenbei lernt man noch etwas: Die Duschen der Hamburger | |
Müllmänner werden mit der Abwärme des Rechenzentrums der Stadt gewärmt. | |
4. Die Inszenierung der re:publica zum Motto „Into the wild“ stimmt bis ins | |
kleinste Detail. Es ist der dritte Nachmittag, später gibt es eine Party. | |
Die Stimmung ist gut, alle sind entspannt. Das Publikum sitzt, lauscht | |
einem Vortrag in einer Halle ausgestattet mit Stühlen, Wänden und Dach. Das | |
Risiko von den Naturgewalten erwischt zu werden, ist eher gering. Wenn der | |
halbe Saal der Stage 5 trotzdem plötzlich unter einer Regenwasserdusche | |
steht, und es auf das Publikum herunterrieselt, hat vielleicht jemand | |
verpennt, die Dachfenster zu schließen. Vielleicht ist es aber auch eine | |
der wunderbaren kleinen Überraschungen, die die Veranstalter so vorgesehen | |
haben. | |
5. Es gibt einen Trick, auf Facebook nicht gefunden zu werden. Seitdem | |
Facebook seine Privatsphäreeinstellungen im Herbst 2013 geändert hat, ist | |
es unmöglich nicht mehr gefunden zu werden. Wer den Namen kennt, findet | |
auch das Profil. Mit dem „Super-Log-off“ könne man diese neue Regelung | |
umgehen, sagt [15][Kixka Nebraska]. | |
Man muss für ein Log-Off Facebook sagen, dass man das Profil löschen will. | |
Facebook löscht nicht, sondern deaktiviert das Proful für mehreren Wochen. | |
Und erst wenn man sich in dieser Zeit nicht einloggt, wird das Profil | |
offiziell gelöscht. In dieser inaktiven Zeit kann man nicht gefunden | |
werden, und niemand kann etwas auf die Pinnwand posten. Man erlangt mehr | |
Kontrolle über sein Profil. Und bein nächsten Einloggen ist alles wie | |
immer. | |
Wer noch mehr Kontrolle möchte, bei Twitter oder auch woanders, kann Apps | |
benutzten, die seine eigenen Posts nach einer bestimmten Zeit wieder | |
löschen. Denn nicht alles, was ins Internet gestellt wurde, soll auch für | |
immer da bleiben. Leider seien fast alle Anwendungen bisher unausgereift, | |
kompliziert oder ließen sich umgehen, sagt Nebraska. Wie Snapchat, ein | |
Nachrichtendienst, der die gesendeten Informationen nach wenigen Sekunden | |
löschen soll, was man mit einfachen Screenshots umgehen kann. Deswegen | |
führen wir sie hier erst gar nicht auf. | |
Andere Seiten und Anwendungen spezialisieren sich wiederum darauf, die | |
gelöschten Inhalte und Tweets wieder sichtbar zu machen, wie | |
[16][Politwoops] für Politiker. Die Seite zeigt an, wann ein Post erstellt | |
und wann er gelöscht wurde. Amüsante Verschreiber wie „Hochschuchul“ und | |
komische Forderungen wie „Kräuter statt Daten“, die Politiker und ihr Büro | |
nach wenigen Minuten wieder löschten, werden hier für die Ewigkeit | |
archiviert. | |
6. Wer bei „Wer wird Millionär?“ Geld gewinnt, darf es komplett behalten, | |
weil es sich um einen „Glücksgewinn“ handelt. Wer bei „Big Brother“ Ge… | |
gewinnt, muss es hingegen versteuern, denn er hat es gewissermaßen | |
erarbeitet. Auch den Hauptpreis der nicht ganz so erfolgreichen | |
„Millionärswahl“ von Pro7 muss man versteuern – den hatte der Deutsche | |
Hanfverband vor allem dank seiner guten Onlinepräsenz geholt, denn um | |
teilzunehmen und zu gewinnen, musste man in Onlinevotings bestehen. | |
In der Sendung für den DHV war Georg Wurth, ein ehemaliger Finanzbeamter, | |
der genau nicht so aussieht, wie man sich einen Cannabisaktivisten | |
vorstellt. Wurth war der einzige Kandidat, der nicht gesungen oder performt | |
hat, sondern nur geredet. [17][Er erzählt], wie das alles so lief mit der | |
„Millionärswahl“, zeigt die bisher noch recht bodenständige | |
Öffentlichkeitsarbeit und Webseite des Vereins und sagt, wie wichtig | |
Facebook für die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins ist (90.000 Fans) – „a… | |
hätte man noch ein zweites Internet“. | |
Die Million aus der Show soll dann dieses Jahr wie versprochen für | |
Lobbyarbeit pro Marihuana-Legalisierung ausgegeben werden. Viel | |
Öffentlichkeitsarbeit und eine Emnid-Umfrage zur Cannabis-Akzeptanz sind | |
geplant, erstmal wurde aber ein Buchhalter eingestellt. Das sind für den | |
DHV dann Betriebsausgaben, die man von der Steuer absetzen kann. Rund | |
750.000 Euro werden also wohl überbleiben. | |
8 May 2014 | |
## LINKS | |
[1] /republica-2014-der-1-Tag/!137974/ | |
[2] /republica-2014-der-2-Tag/!138033/ | |
[3] http://twitter.com/FrDingens | |
[4] http://re-publica.de/session/i-will-go-down-ship-fandoms-und-fan-sein | |
[5] http://woerterbuchnetz.de/DWB/ | |
[6] http://twitter.com/sinnundverstand | |
[7] http://re-publica.de/session/blindes-huhn-kein-ponyhof-schabernack-auf-wort… | |
[8] http://twitter.com/dastwort | |
[9] http://twitter.com/kunstworte | |
[10] http://www.atlas-alltagssprache.de/ | |
[11] http://synonyme.woxikon.de/synonyme/bl%C3%BCmerant.php. | |
[12] http://en.wikipedia.org/wiki/Bubblegum_Alley | |
[13] http://re-publica.de/session/wo-internet-lebt | |
[14] http://future.arte.tv/de/thema/wo-das-internet-lebt | |
[15] http://re-publica.de/user/318/event/1 | |
[16] http://www.politwoops.de/ | |
[17] http://re-publica.de/session/ich-1-million-eu-fuer-cannabislegalisierung-g… | |
## AUTOREN | |
Svenja Bednarczyk | |
Michael Brake | |
## TAGS | |
re:publica | |
Legalisierung | |
Schwerpunkt Facebook | |
Sprachkritik | |
Internet | |
Serien-Guide | |
Hacking | |
re:publica | |
re:publica | |
re:publica | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Serienhighlight aus Frankreich: Mit Spliff und doppeltem Boden | |
In der Arte-Serie „Cannabis“ dreht sich alles um die namengebende Pflanze. | |
Sie geht mit ihren komplexen Figuren doch weit darüber hinaus. | |
Bodyhacking: „Der Körper wird digital stimuliert“ | |
Die italienische Hackerin Tatiana Bazzichelli fordert mehr Lust beim | |
Hacken. Ein Gespräch über Cyborgs, Sex-Toys und politische Neugier. | |
Impressionen von der re:publica 2014: Die Gesellschaftskonferenz | |
Die re:publica in Berlin ist längst mehr als Geek- und | |
Internetveranstaltung. Es geht um den Fortschritt – und wie wir mit ihm | |
umgehen. | |
re:publica 2014, der 2. Tag: Der Magnet im Ringfinger | |
Welche Fragen das Cyborg-Zeitalter mit sich bringt, wo es den besten Kaffee | |
gibt und warum wir das Internet ausdrucken müssen. | |
Google-Hoax auf der re:publica: Nix mit Nest | |
Auf der Internetkonferenz re:publica sollte Google sein neues Produkt Nest | |
vorstellen. Die Vorstellung wurde zur Performance einiger Aktivisten. | |
re:publica 2014, der 1. Tag: Verfuckingnetzt euch! | |
Mehr Speakerinnen, eine unecht aussehende Perücke und das Verhältnis von | |
Sprache und Vorschriften: Eindrücke von Europas größter Netzkonferenz. |