| # taz.de -- re:publica 2014, der 2. Tag: Der Magnet im Ringfinger | |
| > Welche Fragen das Cyborg-Zeitalter mit sich bringt, wo es den besten | |
| > Kaffee gibt und warum wir das Internet ausdrucken müssen. | |
| Bild: Hier waren wir gar nicht, aber wir können ja auch nicht überall sein. | |
| Was am [1][ersten Tag der re:publica] gilt, gilt auch am zweiten Tag: | |
| Europas größte Internetkonferenz lässt sich einfach nicht generalisierend | |
| zusammenfassen. Aber was wir auf einigen der über 100 Veranstaltungen | |
| gelernt haben, das schon. Und was bei der Präsentation des neuen | |
| Google-Dienstes „Nest“ passiert ist, [2][das steht hier]. | |
| 1. Zeitungen verfolgen das Konzept von professionell gemachter | |
| Nichtenttäuschung. Das ist die These des Journalisten Constantin Seibt. | |
| „Wenn man keine Fehler macht und keinen Ärger, abonnieren die Leser einen | |
| bis zum Tod“, sagt Seibt. Denn Zeitung zu lesen und gut zu finden beruht | |
| vor allem auf Gewohnheit. Und das Internet wirbelt diese Gewohnheiten auf. | |
| Seine Lösungsvorschläge hier weiter aufzuschreiben, ist jedoch nicht nötig. | |
| Das hat er selbst schon [3][in der Beschreibung des Vortrags] getan. | |
| 2. Die ETH Zürich veranstaltet 2016 [4][die erste Cyborg-Olympiade]. Mit | |
| Disziplinen wie dem „Powered Exoskeleton Race“ oder einer „Powered Arm | |
| Prosthetics Competition“. Das erfahren wir im Panel [5][„Cyborgs, sechste | |
| Sinne und selbst aufgerüstete Untote“], bei dem auch zwei Vertreter vom | |
| noch recht frischen Verein [6][Cyborgs e.V.] sprechen. „Sorry meine Stimme | |
| ist nicht so cool gerade, aber wir haben letzte Woche versucht, meine | |
| Stimmbänder an Google Translator anzuschließen. Hat nicht so gut geklappt“, | |
| entschuldigt sich Nadja Buttendorf. Und Stefan Greiner hat in der rechten | |
| Hand einen RFID-Chip und im linken Ringfinger einen Magneten implantiert. | |
| Dadurch kann er elektromagnetische Wellen spüren, also konkret zum | |
| Beispiel: An einer Wand entlangfühlen, wo die elektrischen Leitungen sind | |
| und dann den Nagel richtig einschlagen. Am Flughafen hatte er keine | |
| Probleme, sagt Greiner. Cyborgs e.V. will auch Cochlea-Implantate hacken | |
| und erweitern, um Fledermäuse hören zu können, der Verein setzt sich mit | |
| den zahllosen technischen und vor allem gesellschaftlichen Fragen | |
| auseinander, die rund um Body Modification aufgeworfen werden. | |
| Wie etwa diese aus dem Publikum: Wenn unser gesellschaftliches | |
| Zusammenleben darauf basiert, dass alle in etwa das Gleiche wahrnehmen – | |
| wie soll es dann noch funktionieren, wenn alle sich ihre | |
| Wahrnehmungsbereiche durch Biohacking individuell erweitern? Das und mehr | |
| kann übrigens auch beim Cyborgs-Barcamp am 21. Juni, ebenfalls in Berlin, | |
| besprochen werden. Und das mit den Stimmbändern war nur ein Witz – auch | |
| wenn das beim ersten Mal im Publikum nicht alle verstanden haben. | |
| 3. Den besten Kaffee der re:publica gibt es in der Jazz Bar gleich hinterm | |
| Eingang. Da gibt es auch am mittags vertretbar lange Kaffeeschlangen. Nur | |
| das mit dem Kassiersystem funktioniert nicht so richtig: Es ist ein | |
| iPad-Interface, das irgendwie mit der Analogkasse verbunden ist, die aber | |
| nicht von allein aufgeht. „Der ist einfach zu schnell für das Scheißding“, | |
| sagt eine chefartige Person. Kurz danach kommen 15 Bons auf einmal aus dem | |
| Drucker. Man entscheidet sich dann, den Kaffeekonsum mit einer Strichliste | |
| zu dokumentieren. | |
| 4. Es ist in Ordnung, dass Jugendliche lieber Youtube als Fernsehen gucken. | |
| Weil öffentlich-rechtliche Fernsehsender den Vlogger [7][LeFloid] zwar um | |
| seine 1,8 Millionen Abonnenten auf Youtube beneiden, aber, um ebenfalls die | |
| Zielgruppe der 14- bis 18-Jährigen zu erreichen, nicht die älteren 70 | |
| Prozent ihrer Zuschauer vergraulen werden. Auch auf die Gefahr hin, dass | |
| die Kids sich ungeliebt fühlen. | |
| Ausschlaggebend für den Erfolg der Youtube-Kanäle ist eben die | |
| Individualität der Macher. Die Protagonisten sind ihre eigenen Sender: sie | |
| interagieren, wählen aus, sind meinungsstark, schnell und unabhängig. Kein | |
| Moderator im Fernsehen würde auf einen Kommentar der Zuschauer reagieren – | |
| das macht die Youtuber so beliebt. Sie sind kaum älter als ihre Zielgruppe, | |
| informieren sich wie sie über Apps, Newssites, Twitter und Mediatheken | |
| durch Empfehlungen von Freunden. Guckt LeFloid Fernsehen? „Wenn es | |
| abgestellt würde – ich würd's frühestens nach ner Woche merken.“ Zeitung | |
| auf Papier? „Als Brennstoff“. | |
| 5. Analoge Daten sind vom Aussterben bedroht. Das beschreibt Viktor | |
| Mayer-Schönberger in seinem Vortrag [8][über Big Data und Ethik]. Im Jahr | |
| 2000 waren drei Viertel aller Daten auf der Welt noch analog. Nun sei der | |
| Anteil der analogen Daten auf unter einem Prozent der Gesamtweltdaten | |
| geschrumpft. Rettet die bedrohten Daten. Druckt das Internet aus! | |
| 6. Man kann alle Computer hacken, nicht nur die auf dem Schreibtisch. Das | |
| [9][Internet der Dinge] ist keine Zukunftsvision mehr, es ist da. Telefone, | |
| [10][Kühlschranke], oder Autos sind zu Computern geworden. Und man muss | |
| kein Hacker sein, um diese zu verändern und zu verbessern. | |
| [11][Michael Zöller erklärt], wie jeder mit der Open-Source-Software | |
| „[12][Magic Lantern]“ mehr aus seiner Canon-Spiegelreflexkamera herausholen | |
| kann. Die Software schafft Funktionen, die eigentlich nicht vorgesehen | |
| sind, die die Kamera aber technisch beherrscht, etwa Zeitlupen-Aufnahmen. | |
| Oder Videos von schwierigen Lichtsituationen, wenn jemand beispielsweise | |
| vor dem Fenster steht und die Kamera einen zur Entscheidung zwingt, ob man | |
| die Person oder die Fenstersicht gut belichten will. | |
| Dies klingt wie ein Werbetext? Vielleicht. Aber zumindest ausprobieren kann | |
| man es, denn das Programm ist kostenlos. Und die Originalsoftware des | |
| Fotoapparats lässt sich jederzeit wiederherstellen, da „Magic Lantern“ üb… | |
| die SD/CF-Karte läuft. | |
| 7. „Plüsch, Power + Plunder“ – das deutsche Teddybären-Rollenspiel – … | |
| in den 80er-Jahren in einer Auflage von mehreren Zigtausend Exemplaren | |
| verkauft. Es war eines von über 100 Rollenspielsystemen, die in der | |
| Blütezeit der Pen+Paper-Rollenspiele existierten, deren Evolution Konrad | |
| Lischka und Tom Hillenbrand in ihrem Vortrag [13][„Drachenväter: Wie | |
| Offline-Rollenspiele die virtuelle Realität formten“] nachvollziehen. | |
| Dafür zeigen sie alte Kriegssimulationsspiele, schon 1812 wurde für den | |
| Preußenkönig Wilhelm III. das „Strategische Kriegs Spiel“ entwickelt. Es | |
| sah bereits vor, dass – anders als beim Schach – die | |
| Landschaftsbeschaffenheit die Truppenbewegung beeinträchtigen konnte. Im | |
| 20. Jahrhundert folgten Spiele wie „Diplomacy“, um das sich erstmals eine | |
| internationale Spielercommunity bildete, die damals über Fanzines | |
| kommuniziert hat, in den 1950ern/60ern wurde diese Spielidee dann geremixt | |
| mit den Welten aus den – damals noch weitestgehend unbekannten – | |
| Fantasy-Romanen. | |
| Und dann änderte sich 1968 alles, als Dave Arneson aus der Not die Idee | |
| gebar, dass man nicht mehr Truppenverbände spielt, sondern | |
| Einzelindividuen, die sich dafür kontinuierlich, also von Spiel zu Spiel | |
| weiterentwickeln können, indem sie Erfahrungspunkte sammeln und neue Level | |
| erreichen. Ein Suchtfaktor. Sechs Jahre später schuf Arneson zusammen mit | |
| Gary Gygax „Dungeons + Dragons“, von dem kurz darauf mehrere Millionen | |
| Spielboxen jedes Jahr verkauft wurden. | |
| Das Versprechen, zu zeigen, welchen Einfluss die alten Papierrollenspiele | |
| auf die heutigen Online-Games haben, lösen Lischka und Hillenbrand dann | |
| aber nicht ein. Okay, bei Foursquare und Farmvielle gibt es auch Levels, | |
| die man als Spieler erreichen kann. Aber war das schon alles? Egal: Am Ende | |
| bekommen alle Zuhörer 5.000 Erfahrungspunkte und einen Weisheitsbonus von | |
| +2. | |
| 7 May 2014 | |
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| Svenja Bednarczyk | |
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