| # taz.de -- Kleidung reagiert auf Blicke: Glotz woanders hin! | |
| > Textil und Mensch verschmelzen. Das ist der Traum einer Designerin, die | |
| > etwas entworfen hat, das die Stacheln aufstellt, wenn es angestarrt wird. | |
| Bild: So präsentiert Behnaz Farahi ihre Kreation. | |
| Berlin taz | „Caress of the Gaze“ (“Liebkosung des Starrens“) ist ein e… | |
| ungewöhnliches Kleidungsstück, dass aussieht wie ein Mix aus Stola und Cape | |
| aus gehäutetem Stachelschwein. Und es stellt die Stacheln auf, wenn es | |
| angestarrt wird. Das Textil wurde von der US-Architektin und Designerin | |
| Behnaz Farahi kreiert und stammt fast komplett aus dem 3D-Drucker. Farahi | |
| beschreibt es als „Verlängerung der Haut“, das durch die Reaktion auf einen | |
| externen Reiz einen unsichtbaren Vorgang sichtbar mache. | |
| Bei dem Kleidungsstück hat sich die Designerin aber nur optisch am | |
| Stachelschwein orientiert. Die Konstruktion folgt eher der Fisch- bzw. | |
| Schlangenschuppe: eine starre Struktur, die auf einer beweglichen sitzt – | |
| und deren Bewegung analog zur menschlichen Gänsehaut ist. Die Stacheln | |
| werden von einer Art künstlichem Muskel gesteuert, der sich kontrahiert | |
| oder entspannt und so für die Bewegung der festen Strukturen sorgt. | |
| Wie die Gänsehaut reagiert auch das Textil autonom, wird also nicht bewusst | |
| gesteuert. „Caress of the Gaze“ besitzt eine winzige Kamera mit 3mm Linse, | |
| die in dem Kleidungsstück integriert ist und einem Kleinstcomputer der die | |
| Blickrichtung des Betrachters auswertet (Eye Tracking). Die Kamera kann | |
| potenziell auch Geschlecht und – allerdings weniger genau – das Alter | |
| erkennen. Diese Parameter sollen in künftige Designs von Farahi eingehen. | |
| Farahi, die seit langem von Cyborgs fasziniert ist, geht es um die | |
| Erweiterungen des Interface (Schnittstelle) zwischen Mensch und Umwelt | |
| durch den Einsatz von Technik am oder im Körper. Eine frühere Kreation | |
| leistet Ähnliches: Ein Kopfschmuck, der sich bewegt und verfärbte, je | |
| nachdem, welche Gehirnregion gerade besonders aktiv ist. | |
| Wer kennt nicht das Gefühl angestarrt zu werden ohne die starrende Person | |
| zu sehen? Die „Stachelschwein-Stola“ könnte das ändern. Wie sehr solche | |
| Kleidung in Zukunft unsere Selbstwahrnehmung verändert, sei interessant zu | |
| beobachten, so die Designerin. Ein anderer wichtiger Aspekt der Entwicklung | |
| sei die Übersetzung externen sozialen Drucks in optisch wahrnehmbare | |
| Funktionen. | |
| Inspiriert hat sie in dieser Frage auch die US-Konzeptkünstlerin und | |
| Feministin Barbara Kruger, die sich seit Jahrzehnten mit dem Phänomen | |
| „weibliche Schönheit“ in der Kunstgeschichte auseinandersetzt und | |
| hervorhebt, das der männliche Blick auf ein weibliches Objekt ein | |
| aggressiver Akt ist, der Frauen vom Diskurs ausschließt. | |
| Kruger will auch die soziologisch konstruierte Verbindung von „Kunst“ und | |
| „weiblicher Schönheit“ aufbrechen. Wenn das auch Farahi Interesse ist, | |
| stellt sich die Frage, warum sie ihr Projekt mit einer Art Laufstegvideo | |
| vermarktet. Dann ist es vielleicht doch nicht so weit her mit dem | |
| Feminismus – oder das Ganze ist ausgesprochen perfide. | |
| 6 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Patrick Loewenstein | |
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