# taz.de -- Versicherung mit Fitness-Tarif: Tracken für einen Latte | |
> Beim italienischen Versicherer Generali können Kunden ab 1. Juli mit | |
> Fitness Punkte sammeln. Aber ist das wirklich eine gute Idee? | |
Bild: Da steckt noch mehr drin: Belohnung für dreimal 7.000 Schritte | |
BERLIN taz | Die Konkurrenz ist reserviert: „Wir tracken nicht digital und | |
quasi rund um die Uhr die Aktivitäten unserer Kunden“, sagt eine Sprecherin | |
der Allianz. | |
Nicht nur der Marktführer, auch die Nummer zwei der deutschen Versicherer, | |
die Ergo mit der Krankenversicherungstochter DKV, wollen (noch) nicht auf | |
den neuen Trend aufspringen: Der italienische Privatversicherer Generali | |
wird ab 1. Juli als erster Großer in Deutschland einen sogenannten | |
Fitnesstracking-Tarif einführen. Details dazu stellte er am Donnerstag vor. | |
Das Prinzip: Wer Vorsorgeuntersuchungen beim Arzt nicht schwänzt, „gesunde“ | |
Lebensmittel einkauft, körperliche Aktivität per Fitness-Armband nachweist | |
oder im Fitness-Studio schwitzt, kann „Punkte“ sammeln und so geringe | |
Tarifrabatte und Gutscheine bei „Partnern“ seiner Risiko-Lebens- oder | |
Berufsunfähigkeitsversicherung bekommen. | |
Die private Gesundheitsversicherung soll folgen. Die Sportmarke Adidas, die | |
Studios von Fitness First, die Linda-Apotheken oder Galeria Kaufhof machen | |
mit. | |
## Das Konzept hat Konjunktur | |
Das Konzept kommt vom südafrikanischen Versicherer Discovery, Generali | |
vertreibt es in Kontinentaleuropa. In Südafrika haben sich gut ein Jahr | |
nach der Einführung ein Drittel der Kunden, insgesamt 2 Millionen, dafür | |
entschieden, ihre Fitness tracken zu lassen. Vielerorts gilt das Konzept | |
bereits als „hip“. Für 7.000 Schritte am Tag bekommen Kunden dort drei | |
Punkte, neun Punkte braucht man für einen Caffé Latte. | |
Generali will „Kunden zu einem gesundheitsbewussten Leben motivieren“, in | |
Deutschland ist das alles, gelinde gesagt, sehr umstritten. Die | |
Schriftstellerin Juli Zeh warnte vor einer „Gesundheitsdiktatur“. Auch | |
Verbraucherschützer sind in Sorge. Was heißt das alles für chronisch | |
Kranke? Was für hochpersönliche Daten wie Blutdruck, Puls und Gewicht? | |
Prinzipiell dürfe jeder Verbraucher seine Daten dorthin stellen, wo er | |
möchte, sagt Ilona Köster-Steinebach, Gesundheitsexpertin vom | |
Verbraucherzentrale Bundesverband. Andererseits hat sie große Bedenken. | |
„Bei so detaillierten Apps, die genau Aufschluss geben über körperliche | |
Aktivitäten, Ernährung oder Ähnliches, sehen wir ein erhebliches | |
Überwachungspotenzial.“ | |
## Solidaritätsprinzip in Gefahr | |
Generali wehrt ab: Man habe „zu keinem Zeitpunkt“ Zugriff auf die Daten und | |
orientiere sich bei den Prämien nur am sogenannten Vitality-Status, der | |
sich aus dem „Punktestand“ errechne. Zudem seien alle Angaben „völlig | |
freiwillig“. | |
Andere sehen das Solidaritätsprinzip von Versicherungen in Gefahr. „Wenn | |
wir den Gedanken zu Ende denken, kann das letztlich zu einer Atomisierung | |
des Kollektivs führen“, zitierte die Süddeutsche Zeitung den obersten | |
Versicherungsaufseher bei der Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld. Auch der | |
Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen verweist darauf, dass | |
bei privaten Krankenversicherern Gewinninteressen im Vordergrund stünden – | |
keineswegs die Solidarität der Versicherten. | |
Dennoch: Die Datensammelwut unter Versicherern ist eindeutig. Seit Januar | |
bietet die AOK Nordost ein ähnliches Prämienprogramm an – die dazugehörige | |
App wurde 8.500-mal heruntergeladen. Bei „FitMit AOK“ können Mitglieder f�… | |
Sport oder eine Blutspende Prämien wie ein Sporttrikot oder ein | |
Fitness-Armband bekommen. Auch beim Autofahren wird gesammelt. In Italien | |
hat Generali bereits 1 Million Fahrzeuge mit „Blackboxes“ ausgestattet, die | |
per GPS und Mobilfunk die Fahrt protokollieren. Für umsichtige Fahrer | |
winken Vorteile. Noch dieses Jahr sollen die Geräte auch in Deutschland | |
verfügbar sein. | |
24 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Kai Schöneberg | |
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