# taz.de -- Europawahl in Großbritannien: Ohrfeige für die Etablierten | |
> Erstmals wird die rechtspopulistische Ukip stärkste Kraft. Die | |
> mitregierenden Liberalen werden schwer gedemütigt, Labour und Tories | |
> schneiden schwach ab. | |
Bild: Europa? Da scheißt der Hund drauf. Britischer Mastiff macht es sich auf … | |
DUBLIN taz | Obwohl in Großbritannien bereits am Donnerstag gewählt wurde, | |
stand das Ergebnis der Europawahl erst am Montagmorgen fest. Sie ist so | |
ausgegangen, wie es die etablierten Parteien befürchtet hatten: Die | |
europafeindliche United Kingdom Independence Party, kurz Ukip, ist stärkste | |
Partei. Sie konnte ihren Stimmanteil im Vergleich zu den Wahlen 2009 fast | |
verdoppeln und erhielt 28 Prozent. | |
Zum ersten Mal gewann Ukip in Schottland einen Sitz, insgesamt kommt die | |
Partei auf 24 Mandate. Die Labour Party lag bei 25 Prozent und 20 Sitzen, | |
sie verwies die regierenden Konservativen mit 24 Prozent und 19 Sitzen auf | |
den dritten Platz. Die Grünen wurden mit acht Prozent Vierter und schicken | |
drei Abgeordnete ins Europaparlament. Die in Schottland regierende Scottish | |
National Party verteidigte ihre beiden Sitze, in Wales gewann die | |
separatistische Plaid Cymru ein Mandat. Die Wahlbeteiligung lag bei 36 | |
Prozent. | |
Die Liberalen Demokraten, die als Juniorpartner mit den Tories die | |
Regierung stellen, haben eine verheerende Abfuhr erhalten. Von ihren bisher | |
elf Abgeordneten konnten sie nur einen einzigen durchbringen, in Schottland | |
landeten sie sogar abgeschlagen auf dem sechsten Platz. Auf den | |
Hinterbänken formiert sich Widerstand gegen den Parteichef und | |
stellvertretenden Premier Nick Clegg. Man wirft ihm vor, dass die Liberalen | |
als einzige Partei einen ausdrücklich pro-europäischen Wahlkampf geführt | |
haben. Parteipräsident Tim Farron verteidigte diese Strategie und warnte, | |
dass Großbritannien nun Gefahr laufe, „aus der EU hinauszugleiten". | |
Ukip-Chef Nigel Farage sagte hingegen: „Das Vereinigte Königreich hat ein | |
Erdbeben erlebt, denn nie zuvor in der britischen Geschichte hat sich eine | |
rebellische Partei bei einer landesweiten Wahl an die Spitze gesetzt." Er | |
sprach von dem „außergewöhnlichsten Ergebnis in der britischen Politik seit | |
100 Jahren“. | |
Farage kündigte an, dass er bei den Parlamentswahlen in einem Jahr | |
Kandidaten in 20 Wahlkreisen aufstellen werde. Das erscheint wenig | |
ambitioniert, wenn man bedenkt, dass dann 650 Unterhaussitze zu vergeben | |
sind. Doch Farage weiß, dass man die Erfolge bei Kommunal- und Europawahlen | |
nicht auf Unterhauswahlen übertragen kann. Bisher sind die Briten bei | |
solchen Wahlen stets zur Besinnung gekommen und haben Ukip leer ausgehen | |
lassen. Farage sagte in der Nacht zum Montag aber optimistisch, dass Ukip | |
nach den Unterhauswahlen das Zünglein an der Waage sein könnte. | |
## „Für die rassistische Politik von Ukip“ | |
Ein positiver Aspekt des Ukip-Erfolgs ist die Tatsache, dass die | |
rechtsextreme British National Party (BNP) ihre beiden Sitze eingebüßt hat. | |
Parteichef Nick Griffin, der bisher im Europaparlament saß, sagte auf die | |
Frage, ob die Wähler die rassistische und faschistische Politik seiner | |
Partei abgelehnt haben: „Sie haben stattdessen für die rassistische Politik | |
von Ukip gestimmt." | |
Das Wahlergebnis setzt Premierminister David Cameron noch weiter unter | |
Druck. Der einflussreiche Europa-Abgeordnete der Tories, Daniel Hannan, | |
verlangte, vor den Unterhauswahlen einen Pakt mit Ukip zu schließen. Viele | |
Hinterbänkler wollen das für 2017 versprochene Referendum über den Verbleib | |
in der EU ein Jahr vorziehen. Manche verlangen gar, es am Tag der | |
Unterhauswahlen im kommenden Mai abzuhalten. Bisher hat Cameron es | |
umgangen, weitere Zugeständnisse an seine europafeindlichen Hinterbänkler | |
zu machen, damit ihm die Hände bei Verhandlungen auf EU-Ebene nicht noch | |
mehr gebunden sind. | |
Vorerst hat er am Sonntag eine Verschärfung der Sozialgesetze angekündigt, | |
die dafür sorgen soll, dass Immigranten, die Sozialhilfe beziehen, nicht | |
mehr erst nach sechs, sondern schon nach drei Monaten ausgewiesen werden | |
können. Auch die Labour Party tönte, dass die Einwanderung gestoppt werden | |
müsse, ohne aber konkrete Maßnahmen vorzuschlagen. | |
Für Labour ist das Ergebnis der Europawahl ebenfalls unbefriedigend. Die | |
Hoffnung, das Ukip lediglich den Tories Stimmen wegnehmen würde, hat sich | |
nicht bewahrheitet. Zwar konnte Labour in einigen Tory-Hochburgen zulegen | |
und sieben Sitze im Vergleich zu 2009 hinzugewinnen, insgesamt schnitt die | |
Partei jedoch schlechter ab als erwartet. Ein Tory-Sprecher sagte hämisch, | |
es sei das erste Mal in 30 Jahren, dass die Oppositionspartei nicht die | |
Europawahlen gewonnen habe. | |
26 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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