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# taz.de -- Kommentar Rechtsruck in Europa: Der deutsche Handelskrieg
> Angewidert blicken viele nach Frankreich: Wie können die nur so
> nationalistisch wählen? Doch daran sind auch die Deutschen schuld.
Bild: Gegen deutschen Nationalismus hat sich Hollande vergeblich gestemmt. Nun …
Alle Europäer sind mehr oder minder nationalistisch – nur die Deutschen
nicht. Zumindest viele Deutsche sind davon überzeugt. Mit einer Mischung
aus Abscheu und Überheblichkeit verweisen sie auf die Ergebnisse der
Europawahl in den anderen Ländern, von denen Frankreich besonders
heraussticht. Der fremdenfeindliche Front National erhielt knapp 25 Prozent
der Stimmen. Einen derartigen Rechtsruck hat Deutschland nicht zu bieten,
was für viele der Beweis ist, dass der Hort der europäischen Demokratie
hierzulande angesiedelt ist.
Auf den ersten Blick scheint dies sogar zu stimmen: In Deutschland kam die
AfD nur auf 7 Prozent, die sich zudem Mühe gibt, eher eurokritisch denn
platt nationalistisch zu wirken. Doch auch die Deutschen haben ihre
nationalen Interessen – oder was sie dafür halten – fest im Blick, wenn sie
wählen. Aber dafür müssen sie nicht auf nationalistische Parteien
ausweichen. Es reicht, wenn sie für Angela Merkel stimmen.
In Umfragen ist dieses Phänomen klar zu erkennen: Die große Mehrheit der
Deutschen ist überzeugt, dass die Kanzlerin die deutschen Interessen in
Brüssel gut vertritt. Das heißt nicht, dass diese Merkel-Fans sämtlich die
CDU wählen. Die Zustimmung zur EU-Politik der Bundeskanzlerin geht quer
durch alle Parteien. Was nur bedeutet: Wenn andere Parteien an der Macht
wären – und dies gilt selbst für die Linken –, würden sie die gleiche
Politik wie Merkel betreiben.
Warum aber müssen die Deutschen nicht nationalistisch wählen, um ihre
vermeintlichen Interessen durchzusetzen? Die Antwort lautet: weil die
Deutschen die ökonomische Macht haben.
## Deutschland ist Gläubiger der EU-Staaten
Diese wirtschaftliche Vorherrschaft speist sich aus drei Quellen:
Deutschland hat die meisten Einwohner und ist schon deshalb die größte
Volkswirtschaft Europas. Deutschland ist zweitens eine Exportnation – und
damit drittens der Gläubiger der meisten EU-Staaten.
Gegen diesen Dreiklang kommen die anderen Länder nicht an. Es ist egal, wer
in Frankreich Präsident ist. Am Ende werden seine Handlungsoptionen durch
Deutschland beschränkt. Diese Erfahrung musste der konservative Sarkozy
genauso machen wie der sozialistische Hollande. Beide haben sie auf Merkel
eingeredet, dass ihr Sparkurs fatal ist und dass das deutsche Lohndumping
Frankreich ins Chaos stürzt. Aber diese Argumente haben weder die Kanzlerin
noch ihre deutschen Wähler interessiert.
Trotzdem haben die Franzosen recht. Es kann nicht funktionieren, wenn
Deutschland als eines der reichsten Länder der Erde vorsätzlich seine Löhne
senkt. Die „Agenda 2010“ hat nicht nur Druck auf die Langzeitarbeitslosen
ausgeübt – auch die Gehälter der Mittelschicht sind gefallen. Die deutschen
Reallöhne sind zwischen 2000 und 2010 im Mittel um 4,2 Prozent gesunken.
In Frankreich hingegen sind die Reallöhne – moderat – gestiegen. Wie es
sich gehört. Denn es ist ein Gebot der Logik, dass die Gehälter zulegen
müssen, wenn sich die Produktivität erhöht. Wenn dank des technischen
Fortschritts jeder Arbeitnehmer im Durchschnitt mehr herstellen kann, dann
müssen die Löhne mitziehen, damit es jemanden gibt, der diese zusätzlichen
Waren kaufen kann. Der deutsche Sonderweg funktioniert nicht, die heimische
Nachfrage zu strangulieren und stattdessen die Welt mit Exporten zu
überschwemmen.
## „Vernichtet“ ist das angemessene Wort
Französische Waren sind jetzt etwa 20 Prozent teurer als deutsche Produkte,
und die Arbeitslosigkeit steigt. Obwohl die Franzosen alles richtig gemacht
haben, werden sie von den Deutschen vernichtet. „Vernichtet“ kling
martialisch, ist aber das angemessene Wort.
Denn die Deutschen führen einen Handelskrieg, indem sie ihre Löhne nach
unten drücken. Gegen diesen deutschen Nationalismus haben sich Sarkozy und
Hollande vergeblich gestemmt. Nun versuchen es viele Franzosen mit Marine
Le Pen.
30 May 2014
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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