Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Performance über den Taksimplatz: Die große Angebershow
> Vor zwei Jahren entstand eine Performance über die Zukunft des
> Taksimplatz in Istanbul, die beim Theater der Welt noch einmal zu sehen
> war.
Bild: Talkshow-Format beim Festival Theater der Welt.
Wenige Tage, bevor in der Türkei die Proteste zum Jahrestag des Aufstandes
2013 von der Polizei gewaltsam unterdrückt wurden, wurde in Mannheim auf
dem Festival Theater der Welt eine Performance wiederaufgeführt, die schon
2012 den Taksimplatz zum Thema hatte. Isil Egrikavuk, Video-Künstlerin und
Regisseurin aus Istanbul, nahm damals in einem äußerst launigen
Talkshow-Format die großspurigen Architekturpläne für eine Shopping-Mall
auf dem Gelände des Gezi-Parks auf die Schippe.
Isil Egrikavuk, Video-Künstlerin und Regisseurin aus Istanbul, nahm damals
in einem äußerst launigen Talkshow-Format die großspurigen Architekturpläne
für eine Shopping-Mall auf dem Gelände des Gezi-Parks auf die Schippe.
Die Mannheimer Wiederaufführung von „Dönüsüm Muhtesem Olacak! Change will
be terrific“ im kleinen Theater zeitraumexit amüsierte auch jetzt wieder
durch ihr überdrehtes Bild einer auf Präsentation versessenen Gesellschaft.
Dass die so viel Macht gegenüber ihren Kritikern besitzt, dass sie so
gewaltsam um sich tritt, bleibt schwer zu begreifen.
Isil Egrikavuk nutzte ein Talk-Show-Format für ihre Performance. Der erste
Gast der strahlenden Moderatorin ist eine Autorin aus Ägypten, die einen
Liebesroman geschrieben hat, „Zwei Herzen auf dem Tahrir“. Dabei ist die
Geschichte der Aufstände Kulisse für eine romantische Geschichte, die noch
dadurch dramatisiert wird, dass um den Tahrir in der Fiktion dieser
Performance eine Mauer gezogen wurde, zur besseren politischen Kontrolle.
Das ist aber noch nichts im Vergleich zu dem Projekt, dass ein Architekt
für den Taksimplatz in Istanbul vorschlägt. Er, der Stargast des Abends,
wird mit großem Trarara angekündigt, frisch von einem Besuch aus
Disney-Land zurückgekehrt. Da schwant einem schon nichts Gutes.
## Geheime Projekte
PPP nennt sich das geheime Projekt, das er nun erstmals veröffentlicht: Den
Taksim, der in Dias als bisheriger Schandfleck und Ort der Unruhe
dargestellt wird, mit touristischen Attraktionen in ganz großem Stil zu
bebauen - mit Pyramiden aus Ägypten, einem Tempel aus Palmyra und dem
Parthenon aus Athen. Und er schafft es, das zugleich als Geste der
Solidarität auszuweisen, kaufe man doch krisengeschüttelten Ländern etwas
ab und verschaffe ihnen so neue Einnahmen.
Überhaupt ist das ein Punkt der Performance, die große Arroganz der Türkei
gegenüber ihren Nachbarn. Darin glänzt zunächst die Moderatorin und
spiegelt dabei gewissermaßen ihr fiktives Massenpublikum. Ein Gespräch über
ein Restaurant, dass der Übersetzer der ägyptischen Autorin betreibt und in
dem er die Küche des Nahen Osten anbietet, lässt die große Herablassung
gegenüber Syrien, Libanon und Ägypten spüren. Vor keiner Phrase schreckt
die Moderatorin zurück, blond gelockt und aufgekratzt von Sevim Gözay
gespielt.
Der dritte Gast ist ein deutsch-türkischer Rapper, Fuat Ergin, und der
spielt sich selbst. Er hat an diesem Abend die Rolle des Aufklärers und der
politischen Agitation. Die herbeigesehnte Veränderung ist bei ihm nicht das
Stadtverschönerungsprojekt, sondern die Forderung nach demokratischen
Prozessen. Er spannt das Publikum zum Abschluss als seinen Chorus ein, um
mit ihm zu singen, was aus Istanbul wird, ist „unsere Entscheidung“ –
„Karar Bizim“.
Nach der Performance steht Fuat im Hof von zeitraumexit und versucht
fragenden Zuschauern zu erklären, warum Erdogan so viele Anhänger hat. Und
er selbst trotzdem lieber in der Türkei als in Deutschland lebt.
2 Jun 2014
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
Taksim-Platz
Theater
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Gezi
Schwerpunkt Türkei
Theater der Welt
Schwerpunkt Türkei
Gezipark
Schwerpunkt Türkei
Theater
## ARTIKEL ZUM THEMA
Erdoğans Re-Islamisierung der Türkei: Eine Moschee für den Taksimplatz
Mit dem Moscheebau verbucht Erdoğan einen weiteren Sieg für sich. Schon vor
Jahren wollte er den Taksimplatz umbauen – damals durfte er nicht.
Kunst in der Türkei: Kritische Aussichten über Istanbul
Aus einer islamisch-konservativen ist eine reaktionäre Regierung geworden.
Das zeigt der Umgang mit der zeitgenössischen Kunst in der Türkei.
Amnesty kritisiert Türkei: 5.500 Anklagen drohen
Gegen Demonstranten geht die türkische Regierung schonungslos vor.
Polizisten bleiben fast immer straffrei – so lautet die Kritik von Amnesty
International.
Bauprojekte in der Türkei: Erdogan verwirklicht sich
Der neue Flughafen in Istanbul soll einer der größten der Welt werden. Am
Samstag ist Grundsteinlegung. Erdogan treibt seine umstrittenen
Mega-Projekte ehrgeizig voran.
Theater der Welt in Mannheim: Müßiggang wird Pflichtprogamm
Von der engen Verflechtung des Arbeitsplatzes und der Identitätsbildung
erzählt „X Firmen“ – ein auf die Stadt zugeschnittenes Theater in Mannhe…
Abrisspläne in Istanbul: Unruheviertel soll weichen
In Istanbul sollen Teile eines Viertels abgerissen werden, das für Proteste
bekannt ist – wegen mangelnder Erdbebensicherheit. Einige sehen das anders.
Gezi-Proteste und Kunst: Die Revolte am Leben halten
Viele türkische Künstler haben sich vom Gezi-Protest, der sich am
Wochenende zum ersten Mal jährte, inspirieren lassen. Eine Galerie zeigt
ihre Werke.
Jahrestag der Gezi-Proteste: Menschenjagd am Taksim-Platz
Ein Jahr nach den Gezi-Protesten ist die türkische Polizei brutal gegen
Demonstranten vorgegangen. Islamisten konnten dagegen ungehindert
demonstrieren.
Theater der Welt in Mannheim: Gespenstisch präsente Gegenwart
Vorstellungskraft macht Theater erst möglich – spürbar in den Stücken von
Dmitry Krymov und Rabih Mroué. Erste Eindrücke vom Festival in Mannheim.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.