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# taz.de -- Sitzungswoche des Bundestags: Ghettorente, Ostrente, Mindestlohn
> Überlebende NS-Zwangsarbeiter kriegen eine Nachzahlung, der Streit über
> den Doppelpass geht weiter, auch der Mindestlohn wurde debattiert – der
> Tag im Bundestag.
Bild: Eine junge Zuschauerin verfolgt die Sitzung des Bundestages am 5. Juni.
BERLIN dpa | Tausende Überlebende aus Ghettos der Nazi-Zeit erhalten eine
Renten-Nachzahlung. Der Bundestag verabschiedete am Donnerstag einstimmig
eine entsprechende Gesetzesnovelle.
Sie sieht für sämtliche Betroffene eine Rentenzahlung rückwirkend zum Jahr
1997 vor – auch in jenen Fällen, in denen die sogenannte Ghetto-Rente
zunächst nur rückwirkend für vier Jahre gewährt worden war. Außerdem waren
der Mindestlohn, der Doppelpass und die Vereinheitlichung der Rentenwerte
in Ost und West Thema im Bundestag.
Im Jahr 2002 war Menschen, die in den nationalsozialistischen Ghettos
gearbeitet hatten, bereits ein Rentenanspruch rückwirkend zum Jahr 1997
zugestanden worden. Wenn die Anträge zu spät gestellt wurden, zahlte die
deutsche Rentenversicherung allerdings nur rückwirkend für vier Jahre und
berief sich dabei auf eine entsprechende Klausel im Sozialgesetzbuch.
Deshalb hat der Bundestag jetzt ausdrücklich beschlossen, dass diese
Vier-Jahres-Regelung bei den Ghetto-Renten keine Anwendung findet.
## Erste Debatte über den Mindestlohn
In 21 der 28 EU-Staaten gilt schon ein gesetzlicher Mindestlohn – nun hat
der Bundestag auch in Deutschland eine solche Regelung auf den Weg
gebracht. Die Abgeordneten debattierten am Donnerstag erstmals das neue
Tarifpaket-Gesetz, das einen allgemeinen Mindestlohn von 8,50 Euro
vorsieht.
Für Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) bringt das Vorhaben mehr
Gerechtigkeit und eine Stärkung der Tarifautonomie. Linke und Grüne
kritisierten die Ausnahmen für junge Leute unter 18 und für
Langzeitarbeitslose. Redner der Union riefen nach zusätzlichen
Übergangsregelungen für Branchen, die sich vom Mindestlohn „beschwert“
fühlen.
In Kraft treten soll das Gesetz Anfang 2015. Vorgesehen sind Ausnahmen für
Jugendliche bis 18, für Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten
nach Annahme einer Beschäftigung und für Praktikanten. Für Branchen, für
die ein langsamerer Anstieg der Lohnuntergrenze tariflich vereinbart ist,
gilt der gesetzliche Mindestlohn erst ab 2017.
## Renten in Ost und West
Der Fahrplan zur Vereinheitlichung der Rentenwerte in Ost und West bleibt
umstritten. Union und SPD wollen gleiches Rentenrecht in Ost und West bis
spätestens 2020 schaffen, die Linksfraktion will das bereits Ende 2017
durch einen aus Steuern finanzierten Zuschuss erreichen. Ihr Antrag stieß
am Donnerstag im Bundestag jedoch bei Union und SPD auf Ablehnung.
Die Unterschiede im Lohnniveau von Ost und West schlagen sich auch 25 Jahre
nach dem Mauerfall in unterschiedlichen Rentenwerten nieder: Ab 1. Juli
entspricht ein Rentenpunkt im Osten 26,39 Euro, im Westen 28,61 Euro. Das
ist ein Unterschied von 7,8 Prozent. 1990 waren es rund 60 Prozent. Bis
2020 will die Koalition den Angleichungsprozess für ein einheitliches
Rentenrecht abgeschlossen haben.
## Streit um Doppelpass
Die Opposition im Bundestag hat die Neuregelung der schwarz-roten Koalition
zur Doppelten Staatsbürgerschaft für Zuwanderer-Kinder erneut als
unzureichend kritisiert. Der Grünen-Innen- und Rechtspolitiker Volker Beck
bezeichnete die entsprechende Gesetzesnovelle bei der ersten Lesung am
Donnerstag im Bundestag als „bürokratisches Monstrum“. Das sei „das
Gegenteil von Willkommenskultur“. Beck bekräftigte die Forderung seiner
Partei, die sogenannte Optionspflicht ganz abzuschaffen. Die
Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen sprach von einem „faulen Kompromiss“ der
Koalition.
Die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz (SPD) verteidigte die Pläne der
Bundesregierung, wies aber auch auf das zum Teil heftige Ringen innerhalb
der Koalition von Union und SPD um die Novelle hin. Nach den Plänen sollen
in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern künftig die Möglichkeit
bekommen, auf Dauer zwei Pässe zu besitzen. Allerdings müssen sie in
Deutschland geboren sein und bis zum 21. Geburtstag mindestens acht Jahre
hier gelebt oder sechs Jahre eine Schule besucht oder einen deutschen
Schul- oder Berufsabschluss haben.
Bislang müssen sich hier geborene Zuwanderer-Kinder in der Regel spätestens
mit 23 Jahren für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Die Regelung
betrifft vor allem Deutsch-Türken. Für viele andere Nationalitäten gelten
Ausnahmen.
5 Jun 2014
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