| # taz.de -- Debatte Terrorgruppe Isis: Den Syrern helfen | |
| > Wer Isis bekämpfen will, muss die Rebellengebiete in Syrien stabilisieren | |
| > – und endlich eine Flugverbotszone durchsetzen. | |
| Bild: Will man Isis nicht weiter erstarken lassen, muss man endlich eine Flugve… | |
| Die militärischen Erfolge der Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und | |
| Syrien – Isis im Irak sind eine Folge jahrelanger Ausgrenzung moderater | |
| sunnitischer Kräfte durch die Regierung Maliki einerseits und die mangelnde | |
| Unterstützung für moderate Kräfte in Syrien andererseits. Wenn man | |
| verhindern will, dass Isis sein Herrschaftsgebiet stabilisiert oder sogar | |
| weiter ausdehnt, darf man jetzt nicht den Fehler machen, diejenigen zu | |
| unterstützen, die für sein Erstarken verantwortlich sind: Maliki und Assad. | |
| Der irakische Premierminister hat jahrelang alle Kräfte ausgegrenzt, die | |
| sich ihm angeboten haben, um den Staat vor dem Untergang zu bewahren. Er | |
| stützt seine Macht auf die schiitische Mehrheit und auf die Unterstützung | |
| Irans. Es ist deshalb in seinem Sinne, die Krise im Irak als einen Vorstoß | |
| von Isis darzustellen und nicht als einen Aufstand der Sunniten, in dem | |
| Isis nur einer von mehreren Akteuren ist. | |
| Auch Assad hofft jetzt, dass der Westen ihn im Kampf gegen Isis zurück ins | |
| Boot holt. Das allerdings wäre ein fataler Fehler und würde noch mehr | |
| Sunniten radikalisieren und dschihadistischen Strömungen in die Arme | |
| treiben. Die einzig sinnvolle Strategie ist es, jetzt die Rebellengebiete | |
| in Syrien vor Isis zu schützen und intern zu stabilisieren. Viel zu lange | |
| hat die Weltgemeinschaft zugeschaut, wie Assad sein Volk abgeschlachtet und | |
| aus reinem Machterhaltungstrieb die verschiedenen Bevölkerungsgruppen | |
| gegeneinander ausgespielt hat. | |
| ## Ein blutiger Bürgerkrieg | |
| Dabei haben sowohl Russland als auch der Iran, die das Regime in Damaskus | |
| massiv mit Waffen, Geld und militärischer Expertise unterstützen, aus den | |
| Augen verloren, wohin die Politik Assads führen würde: in einen blutigen | |
| Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten, der die ganze Region erfassen | |
| wird. Der Westen hingegen sah die Gefahr, wollte sich aber bisher nicht | |
| militärisch engagieren, weil man fürchtete, ein Sturz Assads könne das Land | |
| zerbrechen lassen. Nun, dieses Ergebnis ist auch so eingetreten, und zwar | |
| deshalb, weil der Westen mit einem militärischen Engagement so zögerlich | |
| war. | |
| Die überwiegend sunnitische Bevölkerung in den syrischen Rebellengebieten | |
| wird seit drei Jahren massakriert, ausgehungert und bei ihren verzweifelten | |
| Versuchen, staatliche Institutionen zu erhalten, im Stich gelassen. | |
| Hunderttausende von Jugendlichen und jungen Männern sind aus dem | |
| Bildungssystem gefallen, weil die Opposition nicht über genügend Mittel | |
| verfügt, um geregelten Schulunterricht zu organisieren – sofern dies unter | |
| dem täglichen Bombardement durch die Luftwaffe des Regimes überhaupt | |
| möglich ist – oder Studenten eine Fortsetzung ihres Studiums zu | |
| ermöglichen. | |
| Eine der wenigen Möglichkeiten, seine Familie zu ernähren, ist, sich einer | |
| Miliz anzuschließen, die Sold zahlen kann. Das können in Syrien seit Langem | |
| nur die Dschihadisten. | |
| ## Bollwerk Assad? | |
| Diese Fakten sind den Entscheidungsträgern im Westen seit Jahren bekannt. | |
| Dass sie trotzdem bereit waren, das Assad-Regime als das kleinere Übel in | |
| Syrien anzusehen, ist auch der Tatsache geschuldet, dass man geneigt war, | |
| seine Propaganda vom Beschützer der religiösen Minderheiten und von einem | |
| säkularen Bollwerk gegen den Dschihadismus Glauben zu schenken. Assad ist | |
| keines von beiden. | |
| Seine Truppen bekämpfen Isis nicht einmal, denn er braucht ihr Erstarken: | |
| Erstens, um sich dem Westen als Bündnispartner gegen den Terrorismus | |
| anzudienen, und zweitens, damit Isis die Bevölkerung in den Gebieten, die | |
| er seit Langem nicht mehr kontrolliert, so terrorisiert, dass sie | |
| irgendwann reumütig in den Schoß des Regimes zurückkehrt. Außerdem erledigt | |
| Isis gleich nebenbei die Arbeit des Regimes in den Rebellengebieten: | |
| nämlich diejenigen Kräfte auszuschalten, die für einen demokratischen | |
| Wandel stehen und die sowohl dem Regime als auch Isis am ehesten gefährlich | |
| werden können. | |
| Dieses Kalkül ist nicht nur teuflisch, sondern auch falsch. Denn Isis | |
| rekrutiert inzwischen in Raqqa ungehindert Kindersoldaten, die sich an ein | |
| Leben vor dem Krieg kaum mehr erinnern können. Sie, die miterlebt haben, | |
| wie ihre Menschenrechte und die ihrer Familien jahrelang mit Füßen getreten | |
| wurden, ohne dass die internationale Gemeinschaft ihnen zu Hilfe gekommen | |
| wäre, werden ein unerschöpfliches Reservoir für die Dschihadisten | |
| darstellen, wenn sie nicht schnellstens in ein halbwegs geregeltes Leben | |
| zurückkehren können. | |
| ## Flugverbotszone jetzt! | |
| Dies kann nur geschehen, wenn jetzt die Rebellengebiete endlich durch eine | |
| Flugverbotszone stabilisiert werden. Drei Jahre lang hat man sich dazu | |
| nicht durchringen können. Jetzt, da man ohnehin an einem militärischen | |
| Engagement nicht mehr vorbeikommt, will man Isis nicht weiter erstarken | |
| lassen, sollte man dies endlich durchsetzen. | |
| Gleichzeitig muss man den Militärrat der Nationalen Koalition mit genügend | |
| Mitteln ausstatten, damit er die von Rebellen gehaltenen Gebiete sichern, | |
| in ihnen Recht und Ordnung wiederherstellen und Isis vertreiben kann. Dazu | |
| muss man wissen, dass viele der Kämpfer, die sich den Dschihadisten | |
| angeschlossen haben, ihre Ideologie nicht teilen. Sie kämpfen in ihren | |
| Verbänden, weil die gemäßigten Kräfte weder Sold zahlen können noch über | |
| ausreichende Kampfausrüstung verfügen. Ganze Stämme haben sich darüber | |
| hinaus Isis angeschlossen, weil sie keine Möglichkeit sehen, Isis die Stirn | |
| zu bieten. | |
| Auch wenn diese Kämpfer nach drei Jahren der permanenten Enttäuschung durch | |
| den Westen den Glauben an Demokratie verloren haben, haben sie eins | |
| gemeinsam: Sie kämpfen für ein Syrien, in dem Syrer das können, was für die | |
| meisten heute unerreichbar geworden ist: leben, essen, schlafen, arbeiten, | |
| lernen. | |
| Das zu ermöglichen, ist die einzige Strategie, die geeignet ist, Isis | |
| Einhalt zu gebieten. Darüber hinaus würde eine Stabilisierung der | |
| Rebellengebiete den Flüchtlingsstrom, der den Libanon und Jordanien an den | |
| Rand des Abgrunds bringt, aufhalten und Flüchtlinge, die in den | |
| Nachbarländern buchstäblich auf der Straße leben, dazu ermutigen, in ihre | |
| Dörfer und Städte zurückzukehren. | |
| 19 Jun 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Petra Becker | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| „Islamischer Staat“ (IS) | |
| Irak | |
| Baschar al-Assad | |
| Maliki | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| Irak | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| Irak | |
| Militär | |
| Irak | |
| Irak | |
| Irak | |
| Irak | |
| Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan | |
| USA | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kommentar „Islamischer Staat“ in Syrien: Machtvakuum in Beirut | |
| Der Syrienkrieg hat den Libanon erreicht. Die Lage im Land, in das über | |
| eine Million Syrer geflohen sind, ist hochexplosiv. Jetzt mischt auch noch | |
| die IS mit. | |
| Unesco über Kulturerbe im Irak: „Die Zerstörung ist ein Teufelskreis“ | |
| Mesopotamien gilt als Wiege der Zivilisation, doch die archäologischen | |
| Stätten des Irak sind gefährdet. Unesco-Expertin Al Hassan sagt: „Wir | |
| können nichts tun“. | |
| Bürgerkrieg in Syrien: Kindersoldaten an der Front | |
| Dschihadistenorganisationen werben Kinder in Syrien mit dem Versprechen von | |
| freiem Zugang zu Bildung an. Das berichtet Human Rights Watch. | |
| Krieg in Syrien und im Irak: Irans Stoßtrupps | |
| Schiitische Milizen kämpfen an vorderster Front gegen die Dschihadisten – | |
| in Syrien und nun auch im Irak. Die Gruppen haben mächtige Hintermänner. | |
| Krieg in Syrien: Bomben in Beirut und Hama | |
| Mindestens 35 Menschen sind in Syrien bei einem Anschlag getötet worden. | |
| Auch im Libanon ging eine Autobombe hoch. Kirchen mahnen, den Krieg nicht | |
| zu vergessen. | |
| Dschihadisten im Irak: Isis besetzt Chemiewaffenfabrik | |
| Die ehemalige Fabrik, in der Saddam Hussein C-Waffen herstellen ließ, wurde | |
| von Dschihadisten eingenommen. 48 ausländische Arbeiter sind wieder in | |
| Freiheit. | |
| Rede von US-Präsident Obama: „Gezielte“ Militärschläge im Irak | |
| US-Präsident Barack Obama ist bereit, im Irak mit militärischen Schritten | |
| einzugreifen. Die Entsendung von Bodenkampftruppen schließt er jedoch | |
| erneut aus. | |
| Umkämpfte Raffinerie im Irak: Wehen bereits die Isis-Flaggen? | |
| Rebellen sollen die strategisch wichtige Raffinerie in Baidschi eingenommen | |
| haben. Das wäre ein schwerer Schlag für die Regierung. Doch diese | |
| dementiert. | |
| Kurden im Irak: Der kurdische Staat rückt näher | |
| Die Kurden im Irak erobern ihre heimliche Hauptstadt Kirkuk und exportieren | |
| Erdöl. Ein wichtiger Schritt in Richtung ökonomische Eigenständigkeit. | |
| Kriegstagebuch aus dem Irak: Unsere Frau in Bagdad | |
| Die Kommentare auf Facebook verraten viel über die Stimmung der Menschen – | |
| und ihre Reaktion auf den Vormarsch von Isis in Richtung Hauptstadt. | |
| Kampf gegen Isis im Irak: Extremisten greifen Ölraffinerie an | |
| Die irakischen Extremisten kämpfen erbittert weiter. Nun greifen sie die | |
| Ölindustrie direkt an. Die Türkei und Indien melden zudem zahlreiche | |
| Entführungen von Landsleuten. | |
| Vormarsch der Islamisten im Irak: 44 Häftlinge getötet | |
| In der Provinz Dijala will die Terrorgruppe Isis sunnitische Extremisten | |
| aus einem Gefängnis befreien. Doch die Häftlinge kommen ums Leben, die | |
| Umstände sind unklar. | |
| Kommentar Gespräche USA und Iran: Der Feind meines Feindes … | |
| Die bisherigen Erzfeinde USA und Iran haben einen neuen gemeinsamen Gegner: | |
| Isis. Noch zögert Obama zu kooperieren, aber er sollte sich öffnen. | |
| Isis-Kämpfer aus Deutschland: Die Dschihad-Homies | |
| Die Isis-Milizen im Irak bekommen Zulauf von Islamisten aus Deutschland. | |
| Dutzende junge Männer und Frauen sind in den Nahen Osten gereist. |