# taz.de -- Kampf gegen Isis im Irak: Extremisten greifen Ölraffinerie an | |
> Die irakischen Extremisten kämpfen erbittert weiter. Nun greifen sie die | |
> Ölindustrie direkt an. Die Türkei und Indien melden zudem zahlreiche | |
> Entführungen von Landsleuten. | |
Bild: Die Ölraffinerie in Beidschi. | |
BAGDAD afp/ap/dpa | Nach zahlreichen Städten im Norden des Iraks haben es | |
die Extremisten der Gruppe Isis nun auch auf die wichtige Ölindustrie des | |
Landes abgesehen. Kämpfer belagerten am Mittwoch die größte Raffinerie des | |
Landes rund 250 Kilometer nördlich von Bagdad. Sollten sie sie zerstören | |
oder erobern, wäre das ein empfindlicher Schlag für die irakische | |
Wirtschaft. Ministerpräsident Nuri al-Maliki meldete Erfolge einer | |
Gegenoffensive. | |
Die Angreifer von Islamischer Staat im Irak und Syrien kamen nach Angaben | |
aus Sicherheitskreisen Dienstagnacht mit Mörsergranaten zur | |
Beidschi-Raffinerie. Die Kämpfe dauerten am Mittwoch an. Am Rande der | |
Anlage brach ein kleines Feuer aus. | |
In der Beidschi-Raffinerie wird ein bisschen mehr als ein Viertel der | |
gesamten Förderleistung des Landes verarbeitet. Ihre Lieferungen sind für | |
den inländischen Gebrauch bestimmt, für Dinge wie Benzin, Speiseöl und | |
Brennstoff für Kraftwerke. Jeder längere Ausfall in Beidschi dürfte lange | |
Warteschlangen an Tankstellen und Stromknappheit zur Folge haben, was das | |
Chaos im Irak noch verstärken könnte. | |
Der Irak hat die fünftgrößten Ölreserven der Welt. Sie werden auf 143 | |
Milliarden Barrel geschätzt. Im Mai lag die Produktion bei 2,58 Millionen | |
pro Tag. | |
Regierungschef Al-Maliki sagte, inzwischen habe sein Militär nach dem | |
ersten „Schock“ wieder die Initiative zurückgewonnen und führe eine | |
Offensive gegen die Rebellen. Der überraschend schnelle Gebietsverlust in | |
den vergangenen Tagen habe dem Land geholfen, seine nationale Einheit | |
zurückzuerlangen. Derweil gab es Meldungen, wonach die Armee Teile der am | |
Montag von Extremisten eingenommenen Stadt Tal Afar zurückerobert habe. | |
Berichten zufolge nahmen die Isis-Kämpfer Dutzende ausländische Bauarbeiter | |
gefangen. Das türkische Außenministerium teilte mit, seine Botschaft prüfe | |
Meldungen, wonach bei Kirkuk 60 Arbeiter entführt worden sein sollen. | |
Darunter seien 15 Türken, die anderen kämen aus Pakistan, Bangladesch, | |
Nepal und Turkmenistan, hieß es in einem Bericht der Agentur Dogan. Das | |
indische Außenministerium teilte unabhängig davon mit, dass 40 indische | |
Bauarbeiter vermisst würden. Indien schickte einen ranghohen Diplomaten | |
nach Bagdad. | |
Ob es sich um unterschiedliche Fälle handelte, war zunächst unklar. | |
Vergangene Woche hatten Isis-Kämpfer 49 Menschen aus dem türkischen | |
Konsulat in Mossul sowie 31 türkische Lkw-Fahrer in ihre Gewalt gebracht. | |
## Obama rückt von Luftangriffen ab | |
US-Präsident Barack Obama rückt nach Angaben Washingtoner Regierungskreisen | |
von Luftangriffen auf sunnitische Extremisten im Irak ab. Sie begründeten | |
das damit, dass es nur wenige klare Ziele für Angriffe gebe, die den | |
Vormarsch der Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien (Isis) | |
stoppen könnten. | |
Den Gewährsleuten zufolge hat Obama zu einem militärischen Eingreifen im | |
Irak keine endgültige Entscheidung getroffen. Die Möglichkeit von | |
Luftangriffen werde nicht grundsätzlich ausgeschlossen, insbesondere dann | |
nicht, wenn ein klares Ziel definiert werden könne. Sie stünden aber nicht | |
im Mittelpunkt der derzeitigen Überlegungen. | |
Die irakische Regierung hat die USA am Mittwoch offiziell gebeten, sie im | |
Kampf gegen die Dschihadisten mit Luftangriffen zu unterstützen. Bagdad | |
habe gemäß einem Sicherheitsabkommen zwischen den beiden Ländern um | |
„Luftschläge gegen die Terroristengruppen“ nachgesucht, sagte der irakische | |
Außenminister Hoschjar Sebari am Mittwoch im saudiarabischen Dschiddah. | |
Obama will am Mittwochnachmittag (Ortszeit) mit Führern des Kongresses die | |
Lage im Irak erörtern. | |
Unterdessen hat der irakische Regierungschef Nuri al-Maliki nach der | |
Offensive der Isis mehrere ranghohe Armeekommandeure entlassen. Seines | |
Amtes enthoben wurde nach amtlichen Angaben vom Dienstag unter anderem der | |
Kommandeur für die nördliche Provinz Ninive. Um ein Auseinanderbrechen des | |
Staates zu verhindern, riefen hohe Vertreter von Schiiten und Sunniten in | |
einer gemeinsamen Erklärung zur Einheit auf. | |
Die Provinz Ninive war die erste, die die Isis-Kämpfer zu Beginn der | |
vergangenen Woche erobert hatten. Die Streitkräfte hatten der Offensive | |
zunächst kaum Widerstand entgegengebracht und waren in Scharen desertiert. | |
Einer der Kommandeure solle deswegen vor ein Kriegsgericht gestellt werden, | |
wie Maliki anordnete. | |
## Die Hauptstadt verteidigen | |
Am Dienstag waren die Dschihadisten weiter auf Bagdad vorgerückt. Unter | |
anderem drangen sie vorübergehend in das 60 Kilometer nordöstlich der | |
Hauptstadt gelegene Baakuba vor, zudem fiel die nordirakische Stadt Tal | |
Afar nach Angaben eines Provinzvertreters weitgehend in ihre Hände. | |
Dessen ungeachtet sieht Washington erste Anzeichen für ein Erstarken der | |
irakischen Streitkräfte, insbesondere durch die Massenrekrutierung | |
schiitischer Freiwilliger. Der Widerstand um Bagdad sei verstärkt worden, | |
sagte Pentagonsprecher John Kirby. „Es sieht stark danach aus, als würden | |
sie die Hauptstadt verteidigen.“ | |
Die Isis-Offensive im sunnitisch dominierten Nordirak schürte die Angst vor | |
einer Rückkehr des Bürgerkrieges zwischen den Sunniten und der | |
Bevölkerungsmehrheit der Schiiten. Um dem entgegenzuwirken, riefen | |
Vertreter beider Konfessionen auf einer Krisensitzung in Bagdad zur | |
Geschlossenheit auf. Eine entsprechende Erklärung wurde am Abend im | |
Fernsehen verlesen. Sunniten und Schiiten müssten eine Einheit gegen die | |
„Terroristen“ bilden, hieß es. | |
An dem Treffen hatten neben Maliki, einem Schiit, auch sein Rivale, | |
Parlamentspräsident Ussama al-Nudschaifi teilgenommen. Auf dabei waren der | |
ehemalige Übergangsregierungschef Ibrahim al-Dschafari, der sunnitische | |
Vize-Premierminister Saleh al-Mutlak und der schiitische Energieminister | |
Hussein al-Schahristani. | |
## Bombenanschläge in Bagdad | |
Bei einem Bombenanschlag in Bagdad waren am Dienstag mindestens elf | |
Menschen getötet und mehr als 20 weitere verletzt worden. Nach Angaben von | |
Ärzten und Sicherheitskräften explodierte der in einem Fahrzeug versteckte | |
Sprengsatz auf einem Markt im mehrheitlich schiitischen Stadtteil Sadr City | |
im Norden der irakischen Hauptstadt. | |
Bei fünf weiteren Bombenanschlägen in Bagdad wurden sechs Menschen getötet | |
und 14 weitere verletzt. Beim Beschuss der Stadt Falludscha westlich von | |
Bagdad starben vier Menschen. Falludscha wird seit mehr als fünf Monaten | |
von Gegnern der irakischen Regierung gehalten. | |
Die Polizei gab unterdessen den Fund von 18 Leichen irakischer | |
Sicherheitskräfte bekannt. Sie wurden demnach in der Nähe der mehrheitlich | |
sunnitischen Stadt Samarra, 110 Kilometer nördlich von Bagdad, aufgefunden | |
und wiesen Einschusslöcher in Kopf und Brust auf. Zunächst war unklar, ob | |
sie bei Kampfhandlungen starben oder hingerichtet wurden. | |
Ein irakischer Kameramann des Fernsehsenders Al-Ahad wurde in der Nähe der | |
Stadt Baakuba nördlich von Bagdad getötet, sein Reporterkollege verletzt. | |
Wie der Sender auf seiner Website mitteilte, berichteten beide über den | |
Vormarsch der Isis-Kämpfer. | |
18 Jun 2014 | |
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