# taz.de -- Kurdenpräsident kündigt Referendum an: Nordirak bald ein eigener … | |
> In Wirklichkeit sei der Irak schon geteilt, sagt der Präsident der | |
> Kurdenregion, Massud Barzani. Binnen weniger Monate will er offiziell | |
> über die Unabhängigkeit abstimmen lassen. | |
Bild: Kurdische Flaggen beim Neujahrsfest in Kirkuk, März 2014. | |
LONDON afp | Der Präsident der autonomen Kurdenregion im Nordirak, Massud | |
Barsani, hat eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit des Gebietes | |
angekündigt. Barsani sagte dem britischen Sender BBC am Dienstag vor dem | |
Hintergrund der anhaltenden Dschihadistenoffensive im Land, die Zeit für | |
ein Referendum sei reif. Der Irak sei in Wirklichkeit bereits geteilt. | |
Barsani sagte: „Wir werden die Entscheidung unseres Volkes anerkennen und | |
dadurch gebunden sein und hoffen, dass andere dies ebenfalls tun werden.“ | |
Ein Datum für das Referendum könne er nicht nennen, dies müsse das | |
Parlament entscheiden. Die Abstimmung in den irakischen Kurdengebieten | |
werde aber binnen Monaten stattfinden. Davor müsse eine unabhängige | |
Wahlbehörde eingerichtet werden. | |
Die Kurden haben infolge des Rückzugs der irakischen Armee vor den | |
Dschihadisten in den vergangenen Wochen die Kontrolle über mehrere | |
umstrittene Gebiete übernommen, darunter die ethnisch gemischte Erdölstadt | |
Kirkuk. Bei den Kämpfen sind nach neuesten Daten der UN im Juni 2417 | |
Menschen getötet worden – darunter 1531 Zivilisten. Nicht erfasst seien die | |
Toten und Verletzten in der westirakischen Provinz Anbar, die weitgehend | |
unter Kontrolle sunnitischer Extremisten ist. | |
US-Vertreter gaben zu, dass die Gebietsgewinne der Kurden nicht leicht | |
rückgängig zu machen sein würden. Zugleich dringt Washington aber darauf, | |
dass die Kurden die irakische Zentralregierung in Bagdad unterstützen. Der | |
israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sicherte den Kurden | |
bereits Unterstützung beim Streben nach Unabhängigkeit zu. | |
Die islamisch-konservative Regierung in Ankara lehnt eine Unabhängigkeit | |
der irakischen Kurden dagegen entschieden ab. In der Türkei stellen die | |
Kurden ebenfalls eine starke Minderheit. Die Arbeiterpartei Kurdistans | |
(PKK) griff einst für ein unabhängiges Kurdistan zu den Waffen. | |
Mittlerweile fordert sie mehr Autonomie für die 15 Millionen Kurden, das | |
Recht auf Schulbildung in kurdischer Sprache und die Freilassung kurdischer | |
Häftlinge. | |
## Keine Einigung im Parlament | |
In Baghdad haben indes die Bemühungen um eine neue irakische Regierung | |
einen Rückschlag erlitten. Das Parlament vertagte seine konstituierende | |
Sitzung am Dienstag nur kurz, nachdem die Abgeordneten erstmals seit der | |
Wahl im April zusammengekommen waren. Man habe sich nicht auf einen neuen | |
Parlamentspräsidenten einigen können, teilte der kommissarische Vorsitzende | |
der Volksvertretung Mehdi al-Hafidh zur Begründung mit. Für kommende Woche | |
werde eine neue Sitzung angepeilt. | |
Die Bildung einer neuen Regierung, die Vertreter aller Bevölkerungsgruppen | |
einschließt, lässt damit ebenfalls weiter auf sich warten. Sie gilt als | |
eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine Stabilisierung der Lage im | |
Irak. | |
Traditionell stellen die Sunniten den Parlamentspräsidenten, die beiden | |
Stellvertreter sind je ein Schiit und ein Kurde. Zur ersten Sitzung des | |
Parlaments erschienen 255 von 328 Abgeordneten. Nach einer Pause, in der | |
die Verteilung der Posten besprochen werden sollte, kehrten jedoch nur 75 | |
zurück – nicht genug, um eine gültige Abstimmung abzuhalten. | |
## Obama schickt mehr Soldaten in den Irak | |
Angesichts der Eskalation entsendet US-Präsident Barack Obama weitere 300 | |
Soldaten in den Irak. 200 von ihnen sind nach US-Angaben bereits dort | |
angekommen. Weitere 100 hatten sich bislang im Mittleren Osten bereit | |
gehalten und sollen nun ebenfalls verlegt werden, wie die US-Regierung am | |
Montag mitteilte. Sie sollen die US-Botschaft und weitere US-Interessen in | |
Bagdad sichern. | |
Damit sind bald bis zu 750 US-Soldaten im Land. Darunter sind rund 300 | |
Militärberater, die die Stärkung der irakischen Armee unterstützen sollen. | |
Die Entsendung von Kampftruppen schließt Obama bislang aus. Allerdings | |
seien die Soldaten im Irak gefechtsbereit, um US-Bürger und amerikanisches | |
Eigentum zu beschützen. | |
ISIS-Kämpfer hatten in den vergangenen Wochen weite teile des Iraks | |
eingenommen und am Sonntag ein Kalifat ausgerufen. Die wichtigsten | |
islamistischen Rebellengruppen in Syrien wiesen die Ausrufung nun jedoch | |
zurück. Die Erklärung sei „null und nichtig“, erklärten die Gruppen am | |
Montag in einer gemeinsamen Mitteilung. Zu den Unterzeichnern gehören die | |
Islamische Front, die größte Rebellenkoalition in Syrien, und die Madschlis | |
Schura Mudschaheddin al-Scharkija aus der östlichen Provinz Deir Essor, zu | |
der auch die Al-Nusra-Front gehört. | |
In der Erklärung werden zudem alle Muslime und Dschihadistengruppen | |
gewarnt, sich in den Dienst des Islamischen Staats (IS) zu stellen, der | |
vorher Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien (Isis) hieß. | |
1 Jul 2014 | |
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