# taz.de -- Finanzpolitik der Grünen: Diese verdammten Steuern | |
> Die Grünen debattieren nach dem Debakel bei der Bundestagswahl, wie viel | |
> sie ihren Wählern finanziell zumuten dürfen. Gerade jetzt passt das | |
> einigen gar nicht. | |
Bild: ... jetzt einfach nochmal anders. Dann klappt's auch mit den Wählern | |
BERLIN taz | Das brisante Papier trägt den unauffälligen Titel „Fahrplan | |
Steuerdebatte“. Zwei DIN-A4-Blätter, im Frühjahr mit Zustimmung beider | |
Parteiflügel vereinbart – dennoch wird das Dokument gehandelt wie ein | |
kleines, grünes Staatsgeheimnis. | |
Die Mail mit dem Strategiepapier kommt mit der Bitte, die Sache vertraulich | |
zu behandeln. Denn wohl kein Thema birgt für die Grünen derzeit mehr | |
Sprengkraft als die Frage, wo sie sich steuerpolitisch positionieren sollen | |
nach der vergeigten Bundestagswahl: Muss statt der Umverteilungspläne aus | |
dem Wahlkampf ein moderateres Konzept her, das Gutverdienern aus der grünen | |
Zielgruppe weniger finanzielle Belastungen zumutet? | |
In der Hoffnung, die kommenden Landtagswahlen nicht mit diesem | |
Richtungsstreit zu überschatten, hatte ein sechsköpfiges Berliner | |
Spitzengremium noch vor der Europawahl einen Zeitplan aufgestellt. Dessen | |
Kernidee: Die Grünen legen sich nicht noch einmal vorschnell auf ein | |
Steuerkonzept fest, die wichtigen Punkte werden erst 2016 nach der Wahl in | |
Baden-Württemberg beschlossen. | |
Schließlich habe man vor der letzten Bundestagswahl „zu früh“ die | |
„grundlegenden finanzpolitischen Beschlüsse gefasst“, heißt es in dem | |
Dokument – „im Wahlkampf stiegen dann die Steuereinnahmen, und einige | |
Annahmen waren Makulatur“. Inzwischen allerdings ist auch dieses | |
Strategiepapier Teil der Auseinandersetzung geworden. | |
## Realos fordern Änderungen | |
Seit einigen Wochen überbieten sich prominente Realos mit ideenreichen | |
Interviews, in denen sie Änderungen in der Steuerpolitik fordern. Erst | |
machte die Vizefraktionschefin Kerstin Andreae einen Aufschlag. Parteichef | |
Cem Özdemir legte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit einer | |
Spitze gegen den ehemaligen Spitzenkandidaten Jürgen Trittin nach – es sei | |
„vielleicht der größte Fehler“ im Bundestagswahlkampf gewesen, „dass wir | |
Grünen so getan haben, als würden wir den nächsten Finanzminister stellen“. | |
Das Handelsblatt meldete: „Grüne verwerfen ihr Steuerkonzept“ – obwohl d… | |
aus dem Interview mit Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt nicht wirklich | |
hervorging. Erbschaftssteuer, Vermögensabgabe, Ehegattensplitting, | |
Einkommenssteuer – bald war das ganze Sortiment auf dem Basar. | |
Der bayerische Landeschef Dieter Janecek machte öffentlich Tempo: Man könne | |
für diese zentrale Debatte nicht „zwei Jahre auf einen Parteitagsbeschluss | |
warten“. Auch die Fraktionschefin versichert, der Fahrplan enthalte keine | |
Sprechverbote: „Im Gegenteil“ – darin sei nur aufgelistet, welche | |
steuerpolitischen Entscheidungen in den kommenden Jahren anstünden und | |
welches Timing für das grüne Steuerkonzept daraus folge. | |
Beim linken Flügel provozierten die Vorstöße dennoch Unmut. Hatte man dafür | |
den Steuerfahrplan beschlossen? Und wie sollte man jetzt wieder mit dieser | |
Diskussion umgehen? Sie einfach wegschweigen? | |
## „Einige Punkte überprüfen“ | |
„Die Ziele unseres Finanzkonzepts haben sich nicht erledigt“, stellt nun | |
Parteichefin Simone Peter klar. „Wir werden wegen der Niederlage bei der | |
Bundestagswahl nicht unsere gesamten Pläne über Bord werfen, sondern einige | |
Punkte überprüfen.“ Die Ursachen für das Wahlergebnis bei der | |
Bundestagswahl seien „sehr vielschichtig“ gewesen und „keinesfalls nur dem | |
Steuerthema zuzuschreiben“, sagte Peter der taz. | |
Sie gehe davon aus, „dass der Steuerfahrplan eingehalten wird“. Schließlich | |
habe man den Zeitplan gemeinsam entwickelt und im Parteirat einstimmig | |
beschlossen. „Es sollte im Interesse aller sein, sich daran zu halten.“ Der | |
Fahrplan sei auch kein Debattenverbot: „Mein Appell ist aber, kritische | |
Fragen erst mal intern zu diskutieren.“ | |
Auch programmatisch macht die Parteichefin jenen eine Ansage, die das linke | |
Steuerprofil verwässern möchten: „Die Themen Schuldenabbau, | |
Zukunftsinvestitionen und Verteilungsgerechtigkeit bleiben für uns zentrale | |
Anliegen“, bekräftigt sie. „Wir stehen weiterhin für eine gerechtere | |
Besteuerung, die soziale und ökologische Belange stärker berücksichtigt, | |
aber auch Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit herstellt.“ | |
Allerdings müsse die Partei sicherstellen, „dass es am Ende auch eine | |
Akzeptanz für unser Steuerkonzept gibt“. | |
Dieses schwierige Projekt will Peter nach der Sommerpause selbst in die | |
Hand nehmen – mit einer neuen Bund-Länder-Koordinierungsgruppe zum Thema | |
Finanzen. | |
Bei einigen einflussreichen grünen Landespolitikern ist der Ärger über die | |
Vorstöße aus dem Realo-Lager inzwischen unüberhörbar. Sven Lehmann, | |
Landeschef in NRW, warnt die Parteifreunde sogar unmissverständlich: „Wenn | |
unser Grundkonsens zur Verteilungsgerechtigkeit geschleift werden soll, | |
braucht es eine Klarstellung durch einen Parteitag.“ Das wäre in etwa das | |
Gegenteil dessen, was der Steuerfahrplan bezwecken sollte. | |
Auch für Lehmann steht außer Frage: „Die Grünen stehen nach wie vor für | |
mehr Verteilungsgerechtigkeit.“ Sie müssten „gerade die Reichen und | |
Superreichen stärker in die Verantwortung für das Gemeinwesen nehmen“. | |
Damit Länder und Kommunen besser investieren könnten, bleibe die | |
Wiedereinführung der Vermögenssteuer „ein zentrales Anliegen“. | |
## Veggie-Day, Pädophilievorwürfe | |
Der Grüne aus Nordrhein-Westfalen glaubt nicht, dass seine Partei mit einem | |
solchen Profil ihre Chancen bei der nächsten Bundestagswahl ruiniert – im | |
Gegenteil: Es sei „Legendenbildung“, die Wahlniederlage nur auf das | |
Steuerprogramm zu schieben. Die großen Stimmverluste seien mit der | |
Veggie-Day-Debatte und dem Umgang mit den Pädophilievorwürfen gekommen, | |
behauptet er: „Ein Einbruch in den Meinungsumfragen durch die Steuerpolitik | |
ist nicht nachweisbar.“ | |
Um die Debatte zu versachlichen, hat die Bundestagsfraktion ein | |
hochkarätiges Duo mit einer Fehleranalyse zur Bundestagswahl 2013 | |
beauftragt – den linken Finanzpolitiker Gerhard Schick und die | |
Realo-Haushaltspolitikerin Anja Hajduk. Nach der Sommerpause soll es | |
losgehen. Ziel ist es auch, gemeinsame Schlussfolgerungen zu suchen. | |
Auch Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bemüht sich, die Sache nicht | |
weiter zu eskalieren. Natürlich hätten die Grünen ihr Steuerprogramm nicht | |
verworfen, versichert sie. „Wir schreiben doch jetzt nicht alle paar Monate | |
ein neues Steuerkonzept.“ Die Grünen müssten die „extreme | |
Ungleichverteilung der Vermögen zwischen Arm und Reich“ angehen. „Wenn | |
nicht über die Erbschaftssteuer, dann über einen anderen Weg“. Klar sei | |
auch, dass sich bis 2017 einige finanzielle Grundlagen änderten – auf denen | |
müsse das neue Steuerkonzept dann basieren. | |
Dann gibt sie ihrer Partei noch einen Rat mit in die Sommerpause: „Wir | |
werden daraus nicht wieder das ganz große Thema machen.“ Andere Themen, vor | |
allem in der Ökologie, seien für die Grünen definitiv wichtiger. | |
12 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Astrid Geisler | |
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