| # taz.de -- Nachrichten von 1914 – 21. Juli: Am Morgen | |
| > Jeden Tag strömen früh die Arbeiter aus ihren Wohnvierteln in die | |
| > Fabriken. Blasse, ausgemergelte Gestalten, die nur arbeiten, damit die | |
| > Reichen noch reicher werden. | |
| Bild: Ein Ziel des ArbeiterInnenstroms: Kabelwerk in der Siemensstadt im Berlin… | |
| Am Morgen, wenn in der Friedrichstraße die Kaffeehäuser geschlossen werden | |
| und Berlin-W den Zeitungsfrauen und den Bäckerjungen gehört, dann wird es | |
| in den Proletariervierteln lebendig. Aus den großen steinernen Kolossen, | |
| aus den Mietskasernen, über die Schwellen, auf denen das Elend lockt, | |
| treten Proletarierfrauen und Männer heraus, halbwüchsige Burschen und | |
| Mädchen und Greise. Auf allen Gesichtern liegt ein müder Zug. Blass sind | |
| die meisten und unterernährt und ihre Körper zeigen die Spuren der | |
| Fabrikarbeit von heute. | |
| Ein drängender Strom lebendiger Menschen bewegt sich durch graue, eintönige | |
| Häuserreihen, deren abwechslungslose, gleichmäßige Fassaden den | |
| Proletariervierteln ihr Gepräge verleihen. Keine Kontraste weißt dieses | |
| Straßenbild auf. Keine seidenraschelnden Unterröcke, keine verflatternden | |
| Parfüms – nur die hastenden Schritte der Arbeiterbataillone dringen an | |
| unser Ohr. Das alles sind Zeichen der Zeit. Hin und wieder nur fliegt ein | |
| Lächeln über des einen oder des andern Gesicht. Woran sie wohl denken | |
| mögen? An die Arbeit? - wohl kaum. Oder an den kommenden Sonntag oder an | |
| des Siegeszug des Proletariats? | |
| Auf den Stadtbahnhöfen zu einem dichten Menschenknäuel zusammengedrängt | |
| warten sie auf die Züge, die sie zu den großen Fabriken beinen sollen, zu | |
| Siemens und Loewe, nach der A.E.G. und den anderen größeren und kleineren | |
| Arbeitshäusern oder in die Geschäftsgegenden der Stadt. | |
| Schon sind die Abteile zu Erdrücken voll. Doch immer noch mehr drängen | |
| hinein. Mancher steht auf einem Fuß, mit dem anderen kommt er nicht mehr | |
| zur Erde. Andere klammern sich an das Gepäckregal und wieder andere stützen | |
| sich auf die Schultern der Sitzenden. Und immer noch mehr kommen hinzu. | |
| Nun rollt der Zug. Immer heißer wird es im Abteil, immer schlechter wird | |
| die Luft. Und alle leiden darunter: schwangere Frauen und | |
| [1][bleichsüchtige] Mädchen und die anderen, die ihren Platz geben möchten | |
| den Bedürftigeren. | |
| Immer weiter rollt der Zug; von Bahnhof zu Bahnhof. Dann wieder ein Ruck - | |
| endlich befreit! Und wieder ergießt sich ein langer Menschenstrom durch die | |
| Straßen und mündet zwischen rauchenden Schloten. | |
| Bald werden die Fabriktore sich schließen. Und wenn die Reichen behaglich | |
| ihren Morgenkaffee schlürfen, dann steht das Proletariat und schafft und | |
| schafft - damit die Reichen leben können. | |
| Wie lange noch? | |
| Quelle: Vorwärts | |
| 21 Jul 2014 | |
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