# taz.de -- Argentiniens Streit mit US-Hedgefonds: Auf zahlungsunfähig herabge… | |
> Entgegen den Erwartungen: Die letzte Gesprächsrunde im Schuldenstreit | |
> zwischen der argentinischen Regierung und zwei US-Hedgefonds ist | |
> gescheitert. | |
Bild: Auf der Agrarmesse in Buenos Aires am 18. Juli: Argentinien will sich von… | |
BUENOS AIRES taz | „Die Geierfonds haben unser Angebot eines | |
Schuldenumtauschs nicht akzeptiert,“ sagte Argentiniens Wirtschaftsminister | |
Axel Kicillof. „Sie verlangten, dass wir mehr zahlen, als an die übrigen | |
Gläubiger. Das kann der argentinische Staat nicht tun,“ so Kicillof. Der | |
von einem US-Richter eingesetzte Vermittler Daniel Pollack erklärte | |
ebenfalls das Scheitern. „Die Zahlungsunfähigkeit Argentiniens steht | |
unmittelbar bevor“, verlautbarte Pollack. In einer knappen Mitteilung | |
schrieb der Hedgefonds NML Capital, der Vermittler habe zahlreiche kreative | |
Lösungen vorgeschlagen, von denen viele akzeptabel gewesen wären, aber | |
„Argentinien hat den Default gewählt“. | |
Vorrausgegangen war eine sechsstündige Verhandlungsrunde zwischen Kicillof, | |
Pollack und Vertretern der Hedgefonds. Spätestens bis Mitternacht New | |
Yorker Zeit hätte eine Einigung über den Umgang mit den Forderungen der | |
Hedgefonds in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar plus Zinsen erzielt werden | |
müssen. Erst danach hätte US-Richter Thomas Griesa die Blockade von | |
Tilgungszahlungen an andere Gläubiger Argentiniens aufgehoben. Da die | |
Zahlungen bis zum Ablauf der Frist nicht erfolgten, wird Argentinien von | |
den Ratingagenturen als zahlungsunfähig eingestuft. | |
Die Agentur Standard & Poor's hatte argentinische Schuldverschreibungen | |
bereits nach dem New Yorker Bankenschluss am Nachmittag auf "partieller | |
Zahlungsausfall" herabgesetzt. Es steht zu erwarten, dass weitere Agenturen | |
folgen. | |
Neben den offiziellen Gesprächen hatte ein Zusammenschluss argentinischer | |
Privatbanken noch bis kurz vor dem Ablauf der Frist versucht, mit einer | |
Garantiesumme in Höhe von 250 Millionen Dollar die Zahlungsunfähigkeit | |
abzuwenden. Argentinische Medien berichteten, die Privatbanken verhandelten | |
zwischenzeitlich sogar über den Aufkauf der gesamten Schuldentitel, die | |
sich in Besitz der Hegdefonds befinden. Diese Verhandlungen wurden | |
letztlich ebenfalls ergebnislos abgebrochen. | |
## Auf Feierlaune wird Ernüchterung folgen | |
Für viele kam das Scheitern am Ende überraschend. Die legalen und schwarzen | |
Finanzmärkte am Río de la Plate hatten auf einem positiven Ausgang gesetzt. | |
Der Aktienindex der Börse in Buenos Aires war am Mittwoch um 7 Prozent | |
gestiegen, argentinischen Staatsanleihen auf Dollarbasis verteuerten sich | |
um satte 16 Prozent, und der Dollar verbilligte sich auf dem Schwarzmarkt | |
kurz um rund einen halben Peso. El Cronista, die größte Wirtschaftszeitung, | |
berichtete gar von Feierlaune in den Chefetagen einiger Banken und Firmen. | |
Der Ausgang der Verhandlungsrunde dürfte im Laufe des Donnerstags die | |
gegenteiligen Effekte bewirken und zu den ersten negativen Konsequenzen | |
führen. | |
Wirtschaftsminister Axel Kicillof hatte bereits in New York die | |
Regierungslinie vorgegeben. „Die jetzige Situation ist nicht als Default, | |
als Zahlungsunfähigkeit, definiert. Argentinien zahlt. Hat Geld. Und wird | |
seine fälligen Verbindlichkeiten begleichen,“ so Kicillof, der die | |
Situation in Anspielung auf den New Yorker Richter einem „Griefault“ | |
nannte. Kicillof kam damit einer Aufforderung von Präsidentin Cristina | |
Kircher nach, die bereits vor einigen Tagen verlangte, dass ein neuer | |
Begriff erfunden werden müsse. Zum jetzigen Scheitern hat sich die | |
Präsidentin noch nicht geäußert. | |
Dass Argentinien nun bereits schon zum zweiten Mal seit der | |
Jahrtausendwende das Label der Zahlungsunfähigkeit aufgedrückt bekommt, | |
liegt am Kleingedruckten in den Kreditverträgen. 2001/2002 war das Land | |
wirtschaftlich ruiniert und finanziell pleite. Rund die Hälfte der | |
Bevölkerung befand sich unterhalb der Armutsgrenze. Eine Interimsregierung | |
erklärte den Staatsbankrott und stellte den Schuldendienst ein. Mit dem | |
Angebot, den Schuldendienst wieder aufzunehmen, wenn die Gläubiger auf | |
einen erheblichen Teil ihrer Forderungen verzichten, wurden 2005 und 2010 | |
Umschuldungsprogramme aufgelegt. | |
In die neuen Kreditvereinbarungen wurde eine Klausel eingefügt, nach der | |
der argentinische Staat bis Ende 2014 Gläubigern, die nicht an den | |
Umschuldungsprogrammen teilnahmen, kein besseres Angebot vorlegen darf. 92 | |
Prozent der Gläubiger beteiligten sich an den Umschuldungen. Die übrigen | |
acht Prozent lehnten das Angebot dennoch ab und wurden von der | |
argentinische Regierung einfach ignoriert. | |
US-Hegdefonds hatten bereits kurz nach der Pleite von 2002 damit begonnen | |
argentinische Schuldentitel zum Schleuderpreis aufzukaufen und gehörten zu | |
den acht Prozent der Gläubiger, die das Umschuldungsangebot ablehnten. Da | |
die Schuldverschreibungen – eine international gängige Praxis – der New | |
Yorker Gerichtsbarkeit unterliegen, begannen sie die gesamte | |
Forderungssumme plus Zinsen bei der US-Justiz einzuklagen. | |
## Furcht vor Nachforderungen der „guten“ Gläubiger | |
Im November 2012 verurteilte der New Yorker Richter Thomas Griesa | |
Argentinien, bis zum 15. Dezember 1,3 Milliarden Dollar an die Hedgefonds | |
NML Capital und Aurelius zu zahlen. Im August 2013 wurde das Urteil vom New | |
Yorker Berufungsgericht bestätigt und ist seit dem 16. Juni 2014 | |
rechtskräftig und zu vollstrecken, nachdem der Oberste Gerichtshof der USA | |
einen erneuten Berufungsantrag Argentiniens abgewiesen hatte. | |
Richter Griesa hatte Ende Juni 539 Millionen Dollar eingefroren, die die | |
argentinische Regierung auf Konten bei zwei US-Banken transferiert hatte, | |
um fällige Tilgungen bei den guten Gläubigern vorzunehmen. Deren | |
Zahlungsfrist lief bis zum 30. Juli. Da die Auszahlungen bis Null Uhr nicht | |
erfolgten, gilt Argentinien seit Donnerstag für die Ratingagenturen als | |
zahlungsunfähig. | |
Argentiniens ökonomische Situation ist heute jedoch eine völlig andere als | |
2002. Die Regierung in Buenos Aires hätte den finanziellen Spielraum um die | |
Hedgefonds auszuzahlen. Doch sie befürchtet nicht nur Forderungen der | |
anderen, nicht neustrukturierten Gläubiger von bis zu 15 Milliarden Dollar, | |
sondern den Verstoß gegen die Klausel, bis Ende 2014 keine besseren | |
Tilgungsbedingungen zu gewähren. Das könnten Nachforderungen der „guten“ | |
Gläubiger in dreifacher Milliardenhöhe nach sich ziehen, so die Sorge der | |
argentinischen Regierung. | |
31 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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