Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- US-Hedgefonds-Betreiber Paul E. Singer: Der Mann, der Staaten ruini…
> Singer macht Profit mit dem Ausweiden bankrotter Länder. Im Kongo
> blockierte er sogar Geld für die Cholera-Hilfe. Sein jüngstes Opfer:
> Argentinien.
Bild: Wirkt harmlos: Paul E. Singer.
BERLIN taz | Der Wirtschaftsdienst Bloomberg News hat einmal geschrieben,
wenn man ihn sehe und höre, denke man eher an einen Literatur-Professor.
Der 69-jährige Herr hat feines silbergraues Haar und einen sauber
gestutzten Vollbart im selben Ton, trägt eine Brille mit schmalem Rand aus
Metall. Im Umgang sei er höflich und zurückhaltend, fast ein bisschen
schüchtern. Stellt man sich so einen Geier vor?
Paul E. Singer ist von jenem Menschenschlag, den man meint, wenn man im
Zusammenhang mit Geld von solchen Vögeln spricht. Und wie ein Geier hoch in
den Lüften seine Kreise zieht, legt auch er Wert darauf, so lange wie
möglich außerhalb des Blickfelds zu bleiben. Man sieht ihn erst, wenn er
zum großen Fressen kommt.
Singer hat mit dem Ausweiden von Firmen und ganzen Staaten Milliarden von
Dollars gemacht. Zu seinen Opfern gehören die Fluggesellschaft TWA, der
Telekommunikationskonzern MCI WorldCom und der Energiekonzern Enron; Peru
und die Republik Kongo. Derzeit hat er Argentinien am Haken: wegen ihm
könnte ab Mittwoch das Land als „zahlungsunfähig“ gelten.
Sein Vorgehen ist simpel: Er hält Ausschau nach Firmen, die kurz vor der
Insolvenz stehen oder es schon sind. Wenn deren Aktien ganz tief in den
Keller gerutscht sind, schlägt er zu. Erholt sich ein Unternehmen, steigen
die Aktien und Singer verkauft. Erholt es sich nicht, zerschlägt er den
Betrieb, verkauft die noch rentablen Teile gewinnbringend und schließt den
Rest.
Bei Staaten interessiert ihn deren tatsächliche oder erwartete
Zahlungsunfähigkeit. Ihre Schuldverschreibungen sind dann für einen
Bruchteil ihres Nennwerts zu haben. So kaufte Singer nach dem
Staatsbankrott Argentiniens Ende 2001 Schuldentitel im Nennwert von
dreistelligen US-Dollar-Millionen, die billigsten um 15 Cent pro Dollar
Schulden. Seither versucht er, diese Schulden gerichtlich einzutreiben. In
voller Höhe, versteht sich, plus Verzinsung. Auf 1,3 Milliarden Dollar hat
er Argentinien verklagt.
## Unterfirmen in Steuerparadiesen
Singer ist mit solchen Methoden steinreich geworden. Das Wirtschaftsmagazin
Forbes [1][schätzt sein Privatvermögen] auf 1,5 Milliarden Dollar. Sein
unter dem Dach von „Elliott Management“ vereintes Imperium aus Hedgefonds
verwaltet angeblich rund 20 Milliarden Dollar. Genaues weiß man nicht. Die
Fonds sind geschlossen. Singer spielt außer mit eigenem Geld ausschließlich
mit dem von Geschäftsfreunden und nur denen ist er Rechenschaft schuldig;
neue Investoren nimmt er nicht auf. Dass etliche seiner Unterfirmen in
Steuerparadiesen wie den Cayman-Inseln registriert sind, macht seine
Geldströme nicht transparenter.
Bekannter als seine Fonds ist seine Stiftung, die Paul E. Singer Family
Foundation, mit der er zum Beispiel Musikschulen unterstützt oder auch
schon Millionen für eine Kampagne zur Legalisierung der
gleichgeschlechtlichen Ehe in New York ausgegeben hat – ein Sohn von ihm
ist offen schwul.
Auch als Sponsor der Republikanischen Partei ist er öffentlich aufgetreten:
Er war einer der Financiers der Wahlkämpfe von George W. Bush,
Spendensammler des vorzeitig ausgeschiedenen Rudolph Giuliani im
Vorwahlkampf um dessen Nachfolge und er unterstützte auch Mitt Romney,
Barack Obamas republikanischen Gegenkandidaten bei der Wahl 2012, mit zwei
Millionen Dollar. Politisch hat er also zwei Mal aufs falsche Pferd
gesetzt. Unternehmerisch ist ihm so etwas nicht passiert.
## Jährliche Rendite von 15 Prozent
Nach einem Psychologie- und einem Jurastudium und ein paar Jahren als
Firmenanwalt und bei einer Investmentbank gründete er 1977 den Hedgefond
„Elliott Associates“ – Elliott ist der zweite Vorname Singers. Die 1,3
Millionen Dollar Startkapital hatten ihm Freunde und seine Familie gegeben.
Auch dieser Fond ist heute unter dem Dach von „Elliott Management“.
Singer leitet sein Imperium in einem Büro im 36. Stock eines Wolkenkratzers
in New York, mit Blick auf den Central Park. Er hat rund 175 Beschäftigte
und Büros auch in London, Tokio und Hong Kong. Seit der Gründung weisen
seine Fonds eine durchschnittliche jährliche Rendite von rund 15 Prozent
aus – deutlich mehr als die üblichen Aktienindizes. In seinen besten Jahren
kam er auf eine Rendite von 30 Prozent.
Die Argentinien-Anleihen kaufte er über seinen auf den Cayman Inseln
registrierten Fonds „NML Capital“ – nach dem Staatsbankrott. Als das Land
den Gläubigern 2005 und noch einmal 2010 den Rückkauf der Schulden zu knapp
30 Prozent ihres Nennwertes anbot, gehörte Singer zu den wenigen
sogenannten Holdouts. 93 Prozent der Anleihen konnte Argentinien
zurückkaufen. Singer versucht auf dem Rechtsweg, hundert Prozent Zahlung
plus Zinsen zu erstreiten.
## Präsidentenjet im Visier
Kurzfristig gelang es ihm, Botschaftsgebäude und ins Ausland gegebene
Museumsbestände verpfänden zu lassen. 2005 wollte er gar den argentinischen
Präsidentenjet Tango 01, eine Boeing 757, bei einer Zwischenlandung in den
USA festsetzen lassen. 2009, als Argentinien Gastland der Frankfurter
Buchmesse war, hatte er es auf den Ausstellungsstand des Landes abgesehen.
Doch Singer fand nie einen willfährigen Richter.
Spektakulär war die Pfändung des Dreimaster-Schulschiffs „Libertad“ der
argentinischen Kriegsmarine im Oktober 2012 in Ghana. Ein örtliches Gericht
gab Singer zunächst recht, aber nach einem gegenteiligen Urteil des
Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg war der Segler im Dezember
wieder frei.
Doch Singer ist zäh und hat Geduld. In langen Verfahren bis hinauf zum
Bundesgericht ist es ihm in den USA gelungen, Konten der argentinischen
Staatsbank einfrieren zu lassen, über die jene Gläubiger bedient werden,
die 2005 und 2010 den Schuldenschnitt mitgemacht haben. Da werden am 31.
Juli die nächsten Raten fällig. Sollte es bis dahin keine Einigung zwischen
Argentinien und Singers Geierfonds geben, werden die Ratingagenturen
Argentinien ab dem 1. August als „zahlungsunfähig“ bewerten – und damit …
Zinsen, die das Land auf dem internationalen Kreditmarkt zu bezahlen hat,
in die Höhe treiben.
## 400 Prozent Profit
Nichts sei sicherer als auf Schuldentitel insolventer Länder zu setzen, hat
Singer bei einem seiner wenigen Vorträge vor Kollegen gesagt, viel sicherer
als Investitionen in Aktien. Er weiß das aus Erfahrung: 1996 hatte er für
11 Millionen Dollar peruanische Staatsschulden im Nennwert von 20,7
Millionen gekauft.
Die klagte er vier Jahre lang vor Gerichten in den USA, Kanada,
Deutschland, Luxemburg, Belgien und Großbritannien ein, bis ihm im Jahr
2000 ein US-Gericht das Recht zusprach, peruanisches Vermögen in den
Vereinigten Staaten beschlagnahmen zu lassen. Zermürbt gab die peruanische
Regierung auf und bezahlte 58 Millionen Dollar für Schulden und Zinsen.
Singers Profit: rund 400 Prozent.
Gegen die Republik Kongo gelang ihm ein ähnlicher Coup. Die Elliott-Tochter
„Kensington International“, beheimatet auf den Cayman Inseln, kaufte Ende
der 1990er-Jahre für einen Spottpreis Schuldentitel des Landes im Nennwert
von 30 Millionen Dollar. Es folgte die übliche internationale Klagerunde.
Nach Informationen des US-Nachrichtenmagazins Nation soll es Singer dabei
gelungen sein, vorübergehend 90 Millionen Dollar Entwicklungshilfe zu
blockieren, die eigentlich für die Bekämpfung einer Cholera-Epidemie
vorgesehen waren. 2005 schließlich ordnete ein britisches Gericht an, dass
der Schweizer Rohstoffkonzern Glencore 39 Millionen Dollar für zwei
Öllieferungen nicht an die Republik Kongo, sondern an „Kensington
International“ überweisen solle.
„Elliott handelt unmoralisch“, sagt der auf Schulden von
Entwicklungsländern spezialisierte Jura-Professor David Skeel von der
Universität Pennsylvania. Singer denke „nur an den Profit, ohne Rücksicht
auf mögliche Konsequenzen in den betroffenen Ländern“. Argentiniens
Präsidentin Cristina Fernández ist gewarnt. Sie will sich trotzdem nicht
unterkriegen lassen.
30 Jul 2014
## LINKS
[1] http://www.forbes.com/profile/paul-singer/
## AUTOREN
Toni Keppeler
## TAGS
Argentinien
Zahlungsunfähigkeit
Staatsbankrott
Hedgefonds
USA
Hedgefonds
USA
Argentinien
Argentinien
USA
Argentinien
Argentinien
Argentinien
Argentinien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pleiteland Argentinien: Schulden sind das geringste Problem
Der Streit mit den Hedgefonds bindet in Argentinien Kräfte. Aber was die
Menschen im Land viel stärker trifft, sind Rezession und vor allem
Inflation.
Schuldenstreit in Amerika: Argentinien verklagt die USA
Im Dauerkonflikt mit US-Hedgefonds greift Argentinien nach dem letzten
Strohhalm: Das Land schaltet den Gerichtshof der Vereinten Nationen ein.
Kommentar Argentiniens Pleite: Keine Macht den Geiern!
Das vom Internationalen Währungsfonds verordnete Wirtschaftsprogramm hat
Argentinien ruiniert. Es wird Zeit, die „Märkte“ zu bremsen.
Argentiniens Streit mit US-Hedgefonds: Auf zahlungsunfähig herabgestuft
Entgegen den Erwartungen: Die letzte Gesprächsrunde im Schuldenstreit
zwischen der argentinischen Regierung und zwei US-Hedgefonds ist
gescheitert.
Schuldenstreit Argentinien-USA: „Wir arbeiten hart“
Die US-Hedgefonds und Argentinien finden keine Lösung. Davon könnten auch
Vereinbarungen mit anderen Gläubigern betroffen sein. Die Staatspleite
droht.
Argentinien streitet mit Hedgefonds: Staatspleitegeier im Sturzflug
Das Land hat dem Pariser Club eine erste Tranche zur Begleichung seiner
Rückstände zurückgezahlt. Bis Mittwoch sollte es seine kompletten Schulden
beglichen haben.
Kommentar Argentiniens Staatsbankrott: Sich das Stigma leisten können
Argentinien steht nicht vor der Pleite. Es riskiert nur das Label
„Zahlungsunfähigkeit“, weil es die Schulden von Hedgefonds nicht begleicht.
Argentiniens Zahlungsunfähigkeit: Alle Jahre wieder
Seit 1800 gab es weltweit 227 Staatsinsolvenzen, siebenmal in Deutschland.
Meistens geht es für die Beteiligten besser aus als befürchtet.
Argentiniens Staatsschulden: Pleitegeier über dem Río de la Plata
US-Hedgefonds fordern die Zahlung alter Staatsschulden von Argentinien,
doch die Regierung stellt sich quer. Nun droht die Zahlungsunfähigkeit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.