# taz.de -- Skandal um Organtransplantationen: Ermittlungen in Münster eingest… | |
> Die Staatsanwaltschaft sieht keinen hinreichenden Tatverdacht gegen die | |
> Ärzte. Der Bundesärztekammer wirft sie „nicht eindeutige“ Richtlinien | |
> vor. | |
Bild: Alles rechtens? Tumorleber in Hamburg 2013. | |
BERLIN taz | Im Skandal um Manipulationen bei der Vergabe lebensrettender | |
Spenderorgane hat die Staatsanwaltschaft Münster die Ermittlungen wegen | |
versuchten Totschlags gegen Ärzte am Universitätsklinikum Münster | |
eingestellt. Es mangele an einem „hinreichenden Tatverdacht“ und es gebe | |
überdies keine Anhaltspunkte dafür, dass „den Verantwortlichen | |
strafrechtliche Vorwürfe zu machen sind“, teilte der Oberstaatsanwalt | |
Heribert Beck am Donnerstag mit. | |
Prüfer der Bundesärztekammer, der Krankenkassen und der | |
Krankenhausgesellschaft hatten den Münsteraner Ärzten zuvor im September | |
2013 in dem Bericht ihrer „Prüfungs- und Überwachungskommission“ | |
vorgeworfen, bei der Meldung von Patienten für Lebertransplantationen an | |
das Vergabezentrum „Eurotransplant“ systematisch und vorsätzlich gegen die | |
Richtlinien der Bundesärztekammer verstoßen zu haben. | |
Dadurch seien Patienten des Münsteraner Lebertransplantationszentrums | |
unberechtigt bevorzugt worden. Zugleich hätten Patienten anderer Zentren | |
möglicherweise nicht mehr rechtzeitig ein Spenderorgan erhalten. Neben der | |
Uniklinik Münster wurden auch die Transplantationszentren in Göttingen, | |
München rechts der Isar und Leipzig der systematischen Manipulation | |
beschuldigt. | |
## Eine Auslegungssache | |
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft konnten diese Vorwürfe für die | |
Klinik in Münster nicht bestätigen. Vielmehr, so der Oberstaatsanwalt Beck, | |
sei „davon auszugehen, dass die … Richtlinienverstöße teilweise auf | |
unterschiedlichen Auslegungen der nicht ganz eindeutig gefassten | |
Richtlinien und teilweise auf versehentlichen Fehleintragungen beruhen“. | |
Das Universitätsklinikum Münster reagierte erleichtert: „Wir sind froh, | |
dass der Vorwurf manipulativer Richtlinienverstöße nun offiziell aus dem | |
Weg geräumt ist“, sagte der Ärztliche Direktor Norbert Roeder. | |
Für die Bundesärztekammer, die die Richtlinien verantwortet und mit ihrem | |
Prüfbericht die Ermittlungen ins Rollen gebracht hatte, ist die | |
Einschätzung der Staatsanwaltschaft indes eine Klatsche: Vehement hatte die | |
Kammer bislang jede Kritik von Rechtsgutachtern und Medizinexperten | |
zurückgewiesen, wonach die Bundesärztekammer-Prüfer ihre eigenen Regelwerke | |
fehlinterpretierten und Zentren somit teils zu Unrecht beschuldigten. | |
Der Ärztliche Direktor der Uniklinik Münster, Norbert Roeder, hatte zuletzt | |
im Frühjahr in der taz kritisiert, dass die von der Bundesärztekammer | |
ausgeschickten Experten bei der Überprüfung aller 24 deutschen | |
Lebertransplantationsprogramme offenbar „mit zweierlei Maß“ gemessen | |
hätten. Bei gleichen Sachverhalten – es ging dabei unter anderem um die | |
Bewertung von Dialyseverfahren - seien sie zu unterschiedlichen Ergebnissen | |
gelangt, beklagte Roeder damals. Später bestätigte diese Einschätzung sogar | |
die Bundesregierung (taz vom 25.3.2014 und vom 15.5.2014). | |
Die Opposition forderte daraufhin, das System dürfe nicht länger von seinen | |
eigenen Akteuren selbst kontrolliert werden: „Es kann nicht sein, dass in | |
Deutschland im Wesentlichen Vereine und private Stiftungen über die | |
Organisation des Transplantationswesens und die Verteilung der Organe | |
entscheiden“, sagte der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Terpe. | |
## Richtlinien ohne Legitimation | |
Bei der Überprüfung der Lebertransplantationsprogramme durch die Prüfungs- | |
und Überwachungskommission der Bundesärztekammer sei vieles intransparent | |
geblieben, monierte Terpe. Der Münsteraner Jura-Professor Thomas Gutmann | |
stellte bereits damals in einem Rechtsgutachten fest, unabhängig von | |
etwaigen Verstößen seien die Richtlinien für die Organvergabe schon allein | |
deswegen rechtswidrig, weil ihnen die demokratische Legitimation fehle. | |
Folgen hatte all dies bislang nicht. Auch am Donnerstag wollte sich die | |
Bundesärztekammer auf Anfrage nicht dazu äußern, ob der Prüfbericht zu den | |
Lebertransplantationszentren oder die bisherige Richtlinienpolitik der | |
Kammer nun korrigiert werden müssten. Das Bundesgesundheitsministerium | |
lehnte eine Stellungnahme zu etwaigen politischen Konsequenzen ab mit der | |
Begründung, man kommentiere „keine Entscheidungen irgendeiner | |
Staatsanwaltschaft“. | |
## Anzeige gegen Montgomery | |
Unterdessen beschäftigt die umstrittene Richtlinienpolitik der | |
Bundesärztekammer zur Transplantationsmedizin auch die Staatsanwaltschaft | |
Berlin. Martin Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft, bestätigte der | |
taz, seine Behörde ermittele „unter anderem gegen den Präsidenten der | |
Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, wegen Totschlags“. Das | |
Verfahren sei bereits seit Sommer 2013 anhängig. | |
Es gehe auf eine Strafanzeige des Göttinger Strafrechtlers Steffen Stern | |
zurück, der derzeit vor dem Landgericht Göttingen einen wegen versuchten | |
Totschlags angeklagten Transplantationschirurgen verteidigt. Der Göttinger | |
Chirurg soll sich unter anderem deswegen strafbar gemacht haben, weil er | |
alkoholkranke Patienten transplantierte, obwohl diese noch nicht sechs | |
Monate trocken waren, wie es die Richtlinie fordert. | |
In seiner Anzeige dreht Stern nun den Spieß um und wirft seinerseits den | |
Verantwortlichen der Bundesärztekammer für die Transplantationsrichtlinien | |
vor, sie beschnitten alkoholkranken Patienten das Lebensrecht, indem sie | |
von den Patienten verlangten, dass sie vor einer Transplantation eine | |
mehrmonatige Alkoholkarenz nachweisen müssten. Auch zu diesen Vorwürfen | |
wollte sich die Bundesärztekammer am Donnerstag auf Nachfrage nicht äußern. | |
31 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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