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# taz.de -- Fußball in der Ukraine: Schicht bei Schachtjor
> In Donezk, Kiew und Dnjepropetrowsk wird immer noch Fußball gespielt.
> Aber die Liga ist kaum funktionsfähig und die ukrainischen Zuschauer
> bleiben weg.
Bild: Donezk: Beim Champions-League-Spiel Schachtjor – BVB war die Donbass Ar…
BERLIN taz | Dass der ukrainische Meister Schachtjor Donezk sein erstes
Heimspiel der neuen Saison gewonnen hat (2:0) war insofern keine
Überraschung, als dass der Gegner Saporischschja nicht gerade zu den
Mitfavoriten im Kampf um die Meisterschaft zählt. Dazu gehören Dynamo Kiew,
Dnjepr Dnjepropetrowsk und Metallist Charkow, also einzig die
finanzkräftigen Oligarchenvereine. Schließlich ist das Gleichgewicht in der
ukrainischen Premjer Liga in etwa so verteilt wie im übrigen Land in der
Wirtschaft und der Politik.
14 Mannschaften spielen noch in der ersten ukrainischen Liga, zwei weniger
als in der vergangenen Saison. Denn seit der Annexion der Krimhalbinsel
durch Russland in diesem Frühjahr haben sich Tawrija Simferopol und
Sewastopol aus der Liga verabschiedet. Simferopol ist abgestiegen, und der
Eigentümer von Sewastopol, der Oligarch Wadym Nowinski, hat unter den neuen
territorialen Machtverhältnissen kurzerhand die Finanzierung eingestellt.
Damit hat nun auch der ukrainische Fußball die Abtrennung der Krim
vollzogen.
Von den verbliebenen Mannschaften kommen nur drei aus der westlichen
Ukraine, und alle drei sind dem unteren Tabellendrittel zuzuordnen. Im
Osten dagegen sitzen Geld, Macht und somit sind dort die Ressourcen für
einen kostspieligen professionellen Fußballspielbetrieb. Mit Luiz Adriano
erzielte ausgerechnet einer der zahlreichen brasilianischen Angestellten
des schwerreichen Klubeigentümers Rinat Achmetow das erste Saisontor für
Schachtjor.
Fünf seiner Landsleute hatten sich einige Tage zuvor nach einem
Freundschaftsspiel in Frankreich abgesetzt, drohten den Verein zu
verlassen, da sie um Leib und Leben fürchteten (zwei Tage nach dem
Saisonstart kehrten sie reumütig zurück). Seit Jahresbeginn schon versuchen
Spielervermittler Klienten aus der Ukraine in Europa anzubieten – mit wenig
Erfolg. Denn die Honorare und Transfersummen in der Ukraine liegen weit
über den Marktpreisen, das macht Verkäufe in die andere Richtung schwierig.
Noch dazu ist der Transfermarkt völlig zusammengebrochen. Im vergangenen
Sommer haben die ukrainischen Vereine noch über 130 Millionen Euro für neue
Spieler ausgegeben. In dieser Transferperiode waren es gerade einmal acht
Millionen Euro. Einzig das Leihgeschäft boomt, zumal viele Klubs in
wirtschaftliche Turbulenzen geraten sind.
## Heimspiel 1.000 Kilometer entfernt
Überraschend war einzig der Austragungsort des Heimspiels von Schachtjor,
über 1.000 Kilometer von Donezk entfernt, in der Arena von Lwiw. Nur 4.800
Zuschauer kamen in die ehemalige EM-Arena. Nun ist die Ukraine allerdings
ein anderes Land, als noch vor zwei Jahren, und im östlich gelegenen
Donezk-Becken kommt es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.
Von Russland unterstützte Separatisten und reguläre ukrainische Truppen
sowie mit Nationalisten durchsetzte Freiwilligenverbände stehen sich hier
unversöhnlich gegenüber. Auch am Tag des angesetzten Heimspiels gegen
Saporischschja wurde in der Gegend von Donezk wieder geschossen. Ligaspiele
wären hier nicht zu verantworten, da hilft es auch nicht, dass Oligarch
Achmetow eine Five-Star-Arena sein Eigen nennt.
Auch Metallurg Donezk trat zum Saisonstart sein Heimspiel in Lwiw an; im
Training lieferten sich die beiden Lokalrivalen ein lockeres Spielchen auf
dem Übungsplatz des Heimatklubs Karpaty Lwiw. Unterdessen stellte
Schachtjors Gegner Saporischschja sein Stadion der Mannschaft aus Lugansk
zur Verfügung, wo es ebenfalls in den vergangenen Monaten immer wieder zu
bewaffneten Auseinandersetzungen gekommen ist. Zum Saisonauftakt von Sorja
Lugansk kamen lediglich 2.500 Zuschauer.
## Spielzeug für Oligarchen
Die Premjer Liga ist derzeit ein Paradoxon, zumal sie einzig auf dem
Interesse von Oligarchen fußt, ihren jeweiligen lokalen Einflussbereich
über den Fußball zu festigen. In der jetzigen Situation kann der Sport als
Machtmittel allerdings nicht greifen, weil er unter den beschriebenen
Umständen keine lokale Identität schafft, auch keine Identifikation mit dem
jeweiligen Oligarchen und dessen Farben.
Die beiden aus der Heimat vertriebenen Teams von Schachtjor und Metallurg
Donezk haben zwischenzeitlich Quartier in Kiew bezogen, von wo aus sie zu
den anstehenden Spielen ausrücken werden. Schachtjor reist als nächstes
nach Poltawa, das zwar auch im Osten des Landes liegt, aber noch in
sicherer Entfernung zur Krisenregion. Für umgerechnet 90 Cents bietet
Schachtjor die Tickets zu diesem Spiel an und trägt die Busfahrt zur Hälfte
mit. Denn während das Land in einem Krieg steckt, kämpft die Liga um ihre
Fans.
1 Aug 2014
## AUTOREN
Olaf Sundermeyer
## TAGS
Ukraine
Fußball
Ukraine-Krise
Donezk
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Russland
WM 2014
Deutsche Fußball-Nationalmannschaft
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