# taz.de -- Konflikt in der Ukraine: „Ein ganz und gar echter Krieg“ | |
> Experten bergen an der Absturzstelle von Flug MH17 Leichenteile, zuvor | |
> hatten Gefechte ihre Arbeit behindert. In Donezk und Lugansk spitzt sich | |
> die Lage zu. | |
Bild: In Lugansk kämpfen ukrainische Regierungstruppen weiter gegen die pro-ru… | |
DONEZK/MOSKAU dpa | An der Absturzstelle der malaysischen Passagiermaschine | |
in der Ostukraine haben Experten mit Spürhunden am Samstag weitere | |
Leichenteile geborgen. Von dort sollten sie am Sonntag in die | |
ostukrainische Stadt Charkow gebracht werden, wie der Leiter der | |
Gebietsverwaltung, Igor Baluta, sagte. Nach Angaben der Organisation für | |
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) waren insgesamt fast 80 | |
internationale Experten an dem Trümmerfeld im Ort Grabowo im Einsatz. | |
Inzwischen können sie weitgehend ungehindert arbeiten. Der Einsatz am | |
Samstag sei der erste vollwertige seit einem Zugang zu dem Gebiet am 25. | |
Juli gewesen, teilte die OSZE mit. | |
Die anhaltenden Gefechte zwischen ukrainischen Regierungstruppen und | |
prorussischen Separatisten hatten die Untersuchungen der Experten immer | |
wieder behindert. Bei dem mutmaßlichen Abschuss des Flugzeugs mit einer | |
Boden-Luft-Rakete waren am 17. Juli alle 298 Passagiere ums Leben gekommen. | |
Kiew und Separatisten werfen sich gegenseitig vor, die Boeing 777-200 mit | |
der Flugnummer MH17 abgeschossen zu haben. | |
An der Absturzstelle waren vor allem Experten aus den Niederlanden und aus | |
Australien im Einsatz. Beide Nationen hatten besonders viele Todesopfer zu | |
beklagen. Die Niederlande leiten die Untersuchungen zu der Tragödie. Dabei | |
soll auch die Schuldfrage geklärt werden. | |
In den umkämpften Gebieten Donezk und Lugansk spitzte sich die Lage weiter | |
zu. Regierungstruppen nahmen nach eigener Darstellung im Raum Donezk die | |
Orte Krasnogorowka und Staromichailowka unter ihre Kontrolle. Sie schnitten | |
damit erstmals die Separatistengebiete Lugansk und Donezk voneinander ab, | |
wie Medien in Kiew berichteten. | |
## Stromausfall in Lugansk | |
In der Großstadt Lugansk berichteten die Behörden von einem völligen | |
Stromausfall. Es gebe kein Licht, kein Wasser und keinen Mobilfunk. | |
„Lugansk liegt unter totaler Blockade und Isolation“, sagte Bürgermeister | |
Sergej Krawtschenko einer Mitteilung zufolge. Durch den tagelangen Beschuss | |
sei viel Infrastruktur zerstört, darunter das städtische Klinikum und viele | |
Wohnhäuser. | |
Die Lage sei kritisch und am „Rande einer humanitären Katastrophe“, hieß | |
es. „Was heute in Lugansk geschieht, lässt sich nur schwer eine | |
Anti-Terror-Operation nennen. Das ist ein ganz und gar echter Krieg“, | |
teilte die Stadtverwaltung mit. | |
Auch in Donezk waren erneut Explosionen und Gefechtsfeuer zu hören, wie die | |
von den Separatisten geführte Agentur Novorossia meldete. Unabhängige | |
Berichte gab es nicht. Die von den USA und der EU unterstützte Regierung in | |
Kiew will den Kampf in der Region fortsetzen, bis diese „befreit“ sei. | |
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko setzte dazu ein neues | |
Militärbudget in Kraft. Demnach werden nun elf Milliarden Griwna (657,8 Mio | |
Euro) zusätzlich für den Einsatz bereitgestellt. Ein Teil des Geldes sei | |
auch für den Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur sowie für die Umsiedlung | |
von Bürgern bestimmt. | |
## „Einmarsch der Truppen!“ | |
Zur Finanzierung setzte Poroschenko einen Parlamentsbeschluss offiziell in | |
Kraft, nach dem von nun an bis zum 1. Januar 2015 eine Kriegssteuer erhoben | |
wird. Sie beträgt 1,5 Prozent des monatlichen Einkommens. Die Oberste Rada | |
hatte am Donnerstag auch andere Steuererhöhungen beschlossen. Zudem wurden | |
die Ausgaben für Kommunen und die Abgeordnetendiäten vorübergehend massiv | |
gekürzt. | |
Bei einer Kundgebung in Moskau forderten Hunderte Unterstützer der | |
russischsprachigen Bevölkerung in der Ukraine Kremlchef Wladimir Putin zu | |
einem militärischen Eingreifen auf. „Einmarsch der Truppen!“ und „Putin, | |
rette den Donbass!“ skandierten die Menschen am Samstag in der Nähe des | |
Olympia-Stadions. Russische Hilfsorganisationen rufen dazu auf, die | |
Bevölkerung in den nicht anerkannten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk | |
mit Spenden zu unterstützen. An vielen Stellen in Moskau stehen dafür Zelte | |
mit durchsichtigen Urnen für das Bargeld. | |
Das russische Außenministerium gab der Europäischen Union eine | |
Mitverantwortung an dem Blutvergießen. Die EU habe im Zuge ihrer | |
Unterstützung für die proeuropäische Regierung in Kiew ein im Februar | |
erlassenes Exportverbot für Spezialausrüstung und Militärgüter "heimlich" | |
wieder aufgehoben, kritisierte das Außenamt. Zudem habe Brüssel bisher | |
nicht auf den wiederholten Beschuss russischen Staatsgebiets von | |
ukrainischer Seite aus reagiert. | |
Der Inlandsgeheimdienst FSB teilte mit, dass das Gebiet Rostow im Süden | |
Russlands am Samstag erneut mehrfach von ukrainischer Seite aus beschossen | |
worden sei. Verletzte habe es aber nicht gegeben. | |
2 Aug 2014 | |
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