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# taz.de -- Champions League Bayern – Donezk: Ausflug in die Realität des Fu…
> Schachtjor Donezk ist vom Ukraine-Krieg direkt betroffen. Nun trifft der
> Verein im Achtelfinale der Champions League auf den FC Bayern München.
Bild: Die teilweise zerstörte Donbass Arena, Heimspielstätte von Schachtjor D…
BERLIN taz | Saftig grüne Karpatentannen vor grünem Hintergrund. Darunter
zwei gekreuzte Jagdtrompeten. So stellen sich ein paar Witzbolde im Netz
das Wappen eines Fußballklubs vor, den es gar nicht gibt: Schachtjor
Lemberg. Es ist eine Abwandlung des Klublogos von Schachtjor Donezk. Der
erfolgreichste ukrainische Klub der vergangenen Dekade kann schon seit
Sommer nicht mehr im eigenen Stadion spielen. Es ist schlicht zu
gefährlich.
Im August ist die noble Donbass-Arena von Geschossen getroffen worden, das
Trainingsgelände wurde ebenfalls teilweise zerstört. Im Klub glaubt man
nicht an eine schnelle Rückkehr in die Heimat. Der Vertrag mit der
Betreibergesellschaft der Arena Lemberg wurde gerade bis Ende des Jahres
verlängert. Dem Champions-League-Achtelfinalhinspiel von Schachtjor am
Dienstagabend gegen den FC Bayern München werden noch etliche Heimspiele in
der Fremde folgen.
Längst gibt es Diskussionen darüber, ob ein Klub ohne echte Heimspielstätte
überhaupt lebensfähig ist. Der Fünf-Punkte-Rückstand auf den sportlichen
Erzrivalen Dynamo Kiew scheint auch den rumänischen Trainer Mircea Lucescu
nachdenklich zu machen. Er äußert sich nur noch sehr zurückhaltend, wenn er
nach der Zukunft des Klubs gefragt wird. Er trainiert mit seinen Spielern,
darunter zehn Profis aus Brasilien, in Kiew und vermisst im 1.000 Kilometer
westlich von Donezk gelegenen Lemberg die echte Heimspielatmosphäre.
Zwar hat Schachtjor mit knapp 10.000 Besuchern inzwischen im Schnitt mehr
Zuschauer als der Lemberger Erstligaklub Karpaty, doch selbst Klubchef
Sergej Palkin bezeichnet die Stimmung im Stadion als verhalten. Die
Entscheidung für Lemberg hat er auch als Geschäftsmann getroffen. „Das
Stadion ist wunderbar“, sagt Palkin, „das zweitbeste in der Ukraine nach
der Donbass-Arena.“ Zumindest für das Spiel gegen Bayern hofft er darauf,
dass viele teure Business-Plätze verkauft werden.
## Fahnen der „Volksrepublik“
Für das vom superreichen Klub-Eigner Rinat Achmetow zum europäischen
Spitzenklub gepäppelte Schachtjor ist es ein willkommener Ausflug in die
Realität der Champions League – weg von der politisierten Grundstimmung im
ukrainischen Fußball. Achmetows Engagement für die Anliegen der
Ostukrainer, seine jahrelange Unterstützung für den vor einem Jahr vom Hof
gejagten Präsidenten Viktor Janukowitsch wird dem Klub noch lange
nachhängen.
Auch wenn sich die Ultra-Fans von Schachtjor oft gesamtukrainisch verhalten
haben, sich zu einem guten Teil auch den ukrainischen Freiwilligenverbänden
im Kampf gegen die Separatisten angeschlossen haben, tauchen in den
Stadien, in denen der Klub spielt, Fahnen der sogenannten Volksrepublik
Donezk auf den Rängen auf. Das war so, als der ukrainische Meister in der
Gruppenphase der Champions League in Bilbao gespielt hat. Und auch als der
Klub zu Testspielen am Rande des Wintertrainingslagers in Brasilien antrat,
ist das schwarz-blau-rote Banner auf den Rängen gesichtet worden.
Klubchef Palkin findet die Empörung darüber ungerecht. Der Verein und sein
Finanzier Achmetow würden nicht fair behandelt in der Öffentlichkeit, meint
er und zählt auf, dass von den 800 Mitarbeitern, die der Klub immer noch
beschäftigt, über 350 allein mit humanitären Aufgaben befasst seien. Die
Donbass-Arena ist längst zum Zentrum der humanitären Hilfe der
Rinat-Achmetow-Stiftung geworden.
Jeden Monat verteilten, so Palkin, die Mitarbeiter des Klubs
Lebensmittelpakete im Wert von „mindestens zehn Millionen Dollar“ an die
notleidende Bevölkerung in den Kriegsgebieten. Er findet es ungerecht, dass
kaum jemand darüber spreche. In Donezk, wo nur das russische Fernsehen zu
empfangen ist, werde einzig und allein über die Hilfskonvois aus Russland
berichtet. Warum das Engagement Achmetows von der „Mehrzahl der
ukrainischen Medien und Journalisten verschwiegen“ werde, frage er sich
schon.
## „Ruhm der ukrainischen Armee“
Dafür fand sich der Klub Ende des vergangenen Jahres im Zentrum eines von
vielen Medien so bezeichneten „Fußball-Skandals“. Für den 13. Spieltag am
21. November hatte die ukrainische Liga zu einer patriotischen Aktion
aufgerufen. Alle Mannschaften sollten auf ihre Trikotwerbung verzichten und
stattdessen mit der Aufschrift „Ruhm der ukrainischen Armee“ auf der Brust
auflaufen.
Schachtjor spielte an diesem Tag ausgerechnet gegen den Lemberger Klub
Karpaty. Der lief in den Kriegstrikots auf – Schachtjor beteiligte sich
nicht an der Aktion. Ein „unpatriotischer Akt“, den vor allem der Eigner
von Karpaty, Petro Dyminskyj, bis heute anprangert. Schachtjor-Boss Palkin
nimmt dem Unternehmer das patriotische Engagement nicht ab: „Er will uns
aus der Stadt vertreiben. Ihm gefällt es einfach nicht, dass er jetzt in
Lemberg einen Konkurrenten hat.“
In diesem Konflikt manifestiert sich eine Auseinandersetzung, wie sie für
den ukrainischen Fußball der vergangenen Jahrzehnte typisch ist – der
Streit zweier Oligarchen, die ihre persönlichen geschäftlichen Anliegen
politisch zu instrumentalisieren versuchen. Öl- und Kohle-Multi Dyminskyj
ist im Vergleich zu Milliardär Achmetow gewiss ein Mini-Oligarch. Im Kampf
um politischen Einfluss und geschäftliche Vorteile steht er ihm jedoch
gewiss nicht nach.
16 Feb 2015
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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Ukraine
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