| # taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Rasche Russifizierung | |
| > Während die Rufe nach einem Boykott der WM 2018 lauter werden, wiegeln | |
| > die Sportfunktionäre ab. Zu sehr hat sich Russland in die Verbände | |
| > eingekauft. | |
| Bild: Russische Soldaten unterstützen den FK Krasnodar im Qualifikationsspiel … | |
| Russlands Vorbereitungen auf die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 laufen, | |
| ungeachtet der politischen Ereignisse in der Ostukraine. Damit die | |
| Leistungen der russischen Nationalmannschaft künftig besser werden und sich | |
| so ein Debakel wie in Brasilien nicht wiederholt, wird die Zahl der | |
| ausländischen Fußballer in der Premjer Liga ab nächstem Jahr auf sechs | |
| Akteure reduziert. | |
| Derzeit dürfen maximal sieben Legionäre eingesetzt werden. Im Kader stehen | |
| aber weit mehr Profis. So haben beispielsweise ZSKA Moskau und Dynamo | |
| Moskau jeweils elf ausländische Profis unter Vertrag. „Dazu gibt es keine | |
| Alternative“, sagte Witali Mutko, russischer Sportminister und Mitglied des | |
| Fifa-Exekutivkomitees, „wir wollen in Russland geborene Spieler auf den | |
| Schlüsselpositionen der Klubs haben“. | |
| Eine Russifizierung hat auch bei den Fußballklubs auf der Krim | |
| stattgefunden. Seit der Annexion der Halbinsel hat sich bei den Klubs in | |
| Sewastopol und Simferopol in dieser Hinsicht einiges getan. Dort spielen | |
| jetzt nur noch russische Kicker, die praktisch auf die Krim delegiert | |
| wurden. | |
| Sewastopol wurde umbenannt in Fußball-Klub der Schwarzmeerflotte. Aus | |
| Tavrija Simferopol wurde der FC TSK Simferopol. Beide Klubs, einst in die | |
| erste ukrainische Liga eingegliedert, spielen jetzt in der dritten | |
| russischen Liga, in der Division 2, Staffel Süd. Simferopol tut das recht | |
| erfolgreich, die kickende Schwarzmeerflottille allerdings hat alle drei | |
| Spiele verloren, am Mittwoch die Partie gegen Krasnodar 2 mit 2:4. | |
| ## Weiche Sanktionen | |
| Für die Uefa zählen die Ergebnisse der Krim-Klubs ohnehin nicht. Der | |
| Kontinentalverband hat mit der weichsten aller Sanktionen auf den | |
| Nationalitätenwechsel reagiert. Die Uefa erkennt die Fußballspiele von | |
| Simferopol und Sewastopol und auch von Schemtschuschina Jalta nicht an, | |
| sagt aber im selben Atemzug: Man wolle die Vereine nicht davon abhalten, | |
| Fußball zu spielen, „ganz im Gegenteil: Die Uefa ist der Meinung, dass der | |
| Fußball positive und nützliche Effekte bei der Zusammenführung von Menschen | |
| haben kann, insbesondere in Zeiten von Konflikten und Unruhen.“ | |
| Die Fifa hält sich in dieser Sache gänzlich bedeckt und verweist auf das | |
| Vorgehen der Uefa, die für den 18. September ein Treffen mit dem russischen | |
| und ukrainischen Fußballverband arrangiert hat. Viel mehr als wohlfeile | |
| Worte werden an diesem Tag nicht gesprochen werden, denn Russland hat | |
| Fakten geschaffen, die von Europas Sportpolitikern mehr oder minder | |
| akzeptiert werden. | |
| Die Europa-Abgeordnete Rebecca Harms von den Grünen fordert zwar wegen | |
| Russlands „Nichtrespektierens internationaler Regeln“ einen Boykott der WM | |
| 2018, zudem sei die Boykott-Idee in einem EU-Arbeitspapier über | |
| Russlandsanktionen verankert, und auch andere deutsche Politiker wie der | |
| hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) oder der innenpolitische Sprecher | |
| der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), äußern Kritik am WM-Ausrichter. | |
| ## Boykott wird abgelehnt | |
| Aber die maßgeblichen Sportfunktionäre wiegeln bereits ab. „Wir stellen die | |
| WM in Russland nicht infrage. Wir sind in einer Situation, in der wir den | |
| Organisatoren der WM 2018 unser Vertrauen aussprechen“, sagt Fifa-Boss Sepp | |
| Blatter. Auch die deutschen Sportverwalter halten nichts davon, allen voran | |
| Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees; Bach fand | |
| es ja schon nicht so schlimm, dass sich Russland gleich nach dem Ende der | |
| Winterspiele, dem „Fest des Friedens und der Völkerverständigung“, die Kr… | |
| schnappte. | |
| DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ist der Meinung, Sportboykotte wie bei den | |
| Olympischen Sommerspielen 1980 in Moskau würden nichts bringen: „Er [der | |
| Boykott] hat nur den Sportlern geschadet. Der Versuch, über den Sport auf | |
| politische Dinge Einfluss zu nehmen, ist gescheitert. Niemand von uns nimmt | |
| das Wort Boykott in den Mund und das wird auch nicht von der Politik | |
| erwartet“, sagte Niersbach. | |
| Die Zurückhaltung der Sportpolitiker hat Gründe. Da der Eventsport mehr und | |
| mehr zu einem kommerziellen Großereignis mit Milliardenumsätzen geworden | |
| ist, wollen sie sich nicht das gute Geschäft vermiesen lassen. Ohnehin hat | |
| Blatter vor fast genau einem Jahr im Beisein von Wladimir Putin, Mutko und | |
| Gazprom-Chef Alexej Miller einen lukrativen Gazprom-Vertrag unterzeichnet. | |
| Ab 2015 sponsert der russische Energieriese den Fußball-Weltverband; die | |
| Uefa-Champions-League unterstützt er eh schon länger. | |
| Bis zum Beginn der WM werden die Funktionäre also in bewährter Weise | |
| lavieren, moderieren und beschwichtigen, auf die strikte Trennung von Sport | |
| und Politik bestehen, Fensterreden halten („Die Strahlkraft und das | |
| Verbindende des Sports …“) und Russland, das sich mit Millionenbeträgen in | |
| die internationalen Sportverbände eingekauft hat, nicht ganz so schlecht | |
| dastehen lassen. Nur ein Szenario dürfte eine WM in Russland noch | |
| verhindern: Eine dauerhafte Eskalation des Kriegsszenarios. | |
| 4 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Markus Völker | |
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