# taz.de -- Fußball-WM 2018 in Russland: Putin ist alles zuzutrauen | |
> Trotz desaströsen Auftritts der Seleção, explodierender Kosten und großer | |
> Proteste: Brasilien war harmlos im Vergleich zu dem, was kommt: Russland | |
> 2018. | |
Bild: Wird wohl auch 2018 noch im Amt sein: Russlands Präsident Wladimir Putin. | |
„Einige Genossen haben mir gesagt, dass wir vielleicht noch aussteigen | |
könnten, wenn wir eine kleine Strafe zahlen“, schreibt der Generalsekretär | |
der KPdSU, Leonid Breschnew, 1975 an seinen späteren Nachfolger Konstantin | |
Tschernenko. Offensichtlich hatte Breschnew vor den Olympischen | |
Sommerspielen 1980 in Moskau kalte Füße bekommen, da die Kosten ins | |
Unermessliche gestiegen waren. Die Spiele fanden dennoch statt. Wenn auch | |
in etwas abgespeckter Form: die [1][westlichen Staaten boykottierten die | |
Wettkämpfe] aus Protest gegen den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan. | |
Derlei kleingeistige und unpatriotische Haltungen wie weiland bei Breschnew | |
sind Russlands Präsident Wladimir Putin gänzlich fremd. Nach der | |
Ausrichtung der [2][Olympischen Winterspiele in Sotschi] im vergangenen | |
Frühjahr, die 37,5 Milliarden Euro kosteten, will es der heldenhafte Retter | |
aller Russen im In- und Ausland als Ausrichter der nächsten WM 2018 in | |
seinem Reich wieder richtig krachen lassen. Rund 15 Milliarden Euro sind | |
bislang angesetzt. Ein Kostenrahmen, der, sollte er eingehalten werden, den | |
Wettbewerb schon jetzt zum bislang teuersten seiner Art macht. | |
Derzeit sieht es allerdings eher so aus, als würde der Kremlchef noch ein | |
paar Rubel drauflegen müssen. In der Zeit zwischen 2010 und 2014 stiegen | |
allein die Kosten für die Stadionbauten von zwei auf fünf Milliarden Euro. | |
Mit 424 Millionen Euro sind die Ausgaben für ein russisches Stadion damit | |
doppelt so hoch wie in Brasilien und dreieinhalbmal so hoch wie in | |
Deutschland. | |
Auch bei dem eigentlichen Bau der zwölf Spielstätten in elf | |
Austragungsorten, die sich alle im europäischen Teil Russlands befinden, | |
besteht noch ein gewisser Handlungsbedarf. Im Juni 2014 waren gerade einmal | |
drei Stadien fertiggestellt. In manchen Städten, wie zum Beispiel | |
Kaliningrad, haben die Bauarbeiten für die „Baltika-Arena“ noch nicht | |
einmal begonnen. | |
Doch Bürgermeister Alexander Jaroschuk treiben auch noch andere Sorgen um. | |
Verzweifelt ist er auf der Suche nach Investoren für die Errichtung eines | |
Fünfsternehotels – eine der Auflagen der Fifa. Für den Bau der | |
Luxusabsteige würde Jaroschuk auch ein paar Parks planieren lassen. Denn, | |
wie er kürzlich der Netzzeitung Russland Aktuell sagte, „irgendetwas müssen | |
wir opfern“. | |
## Proteste? Eher nicht. | |
Doch einmal abgesehen von russischer Opferbereitschaft, explodierenden | |
Kosten, voraussichtlichem Pfusch am Bau und der Zerstörung der Natur | |
zugunsten einer Infrastruktur auf Fifa-Niveau: Die Ausrichtung des | |
mondialen Rasenturniers in einem Land wie Russland hat auch unschätzbare | |
Vorteile. Der Welt und der Fifa dürften Unmutsbekundungen der Bevölkerung | |
wie vor der WM in Brasilien weitestgehend erspart bleiben. | |
Die Protestbewegung, die noch 2012 gegen die Wiederwahl von Wladimir Putin | |
zum Präsidenten [3][auf die Straße ging], hat das Regime erfolgreich zum | |
Schweigen gebracht. Wer sich dennoch aus der Deckung wagt und Widerworte | |
gibt (in der Lesart des Kremls ein Vaterlandsverräter), steht, dank einer | |
Putin-hörigen Justiz, mit mindestens einem Bein im Straflager. Und von dort | |
kehrt nicht jeder lebend zurück. | |
An diesem repressiven Kurs gegenüber Andersdenkenden wird sich nichts | |
ändern, jedenfalls so lange nicht, wie Russlands Präsident Wladimir Putin | |
heißt. Und wer wollte schon daran zweifeln, dass dieser Mann 2018 in | |
„freien und fairen“ Wahlen für die nächsten sechs Jahre im Amt bestätigt | |
wird. Wenn derartige Abstimmungen dann überhaupt noch stattfinden. | |
## Spiele auch in Charkiw? | |
Und so ist zumindest ein Stück des Terrains, das für 2018 ein besonders | |
fröhliches und ausgelassenes Fußballfest verspricht, schon jetzt | |
vorbereitet. Das kann man von der russischen Nationalmannschaft nicht | |
behaupten. Jedenfalls nicht, wenn man ihren Auftritt in Brasilien gesehen | |
hat. Der Postillon vermeldete vor einigen Wochen, dass bei der Fußball-WM | |
2018 in Russland auch [4][Spiele in Kiew, Donezk und Charkiw] (derzeit noch | |
zur Ukraine gehörig) stattfinden würden. | |
Zur Begründung habe der Funktionär des Russischen Fußballverbandes (RFS), | |
Alexei Sorokin, verlautbart, man wolle, dass sich Menschen in ganz Russland | |
Spiele live im Stadion ansehen könnten. Die Stadien in diesen drei Städten | |
seien nicht nur auf dem neuesten Stand der Technik, sondern man habe auch | |
mit ihnen als Austragungsorte der Fußball-EM 2012 bereits wertvolle | |
Erfahrungen mit derartigen Großveranstaltungen sammeln können. | |
Richtig witzig ist das natürlich nicht. Überdies hatte das | |
Online-Satiremagazin vergessen zu erwähnen, dass Putin auch in Simferopol | |
(Krim) spielen lassen könnte. Aber Putin ist alles zuzutrauen: keine | |
langwierigen Bauarbeiten und kostspieligen Investitionen, sondern einfach | |
ein Referendum über den Beitritt von Kiew, Donezk und Charkiw zu Russland | |
durchführen. Darauf erst einmal einen Krimsekt! | |
15 Jul 2014 | |
## LINKS | |
[1] /!14651/ | |
[2] /!t21733/ | |
[3] /!95165/ | |
[4] http://www.der-postillon.com/2014/03/fuball-wm-2018-in-russland-kiew-donezk… | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
## TAGS | |
WM 2014 | |
Wladimir Putin | |
Frauen-WM 2019 | |
Russland | |
Russische Opposition | |
Sepp Blatter | |
Russland | |
Ukraine | |
Russland | |
WM 2014 | |
Ukraine | |
Gazprom | |
Sotschi 2014 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Fussball-WM in Russland 2018: Kremlpartei will Sträflinge einsetzen | |
Um die Kosten für die WM 2018 zu senken, wird in Russland über den Einsatz | |
von Häftlingen nachgedacht. Es soll sich um freiwillige und bezahlte Jobs | |
handeln. | |
Der sonntaz-Streit: „Völlig inakzeptabel“ | |
Die Politiker Marina Weisband und Volker Beck fordern: Die Fifa muss | |
Russland die Fußball-Weltmeisterschaft wieder wegnehmen. | |
Fußball in der Ukraine: Schicht bei Schachtjor | |
In Donezk, Kiew und Dnjepropetrowsk wird immer noch Fußball gespielt. Aber | |
die Liga ist kaum funktionsfähig und die ukrainischen Zuschauer bleiben | |
weg. | |
Der sonntaz-Streit: Muss Russland die WM abgeben? | |
Die nächste WM findet 2018 in Russland statt. Doch nach dem Flugzeugunglück | |
in der Ostukraine fordern vor allem Politiker eine Neuvergabe. | |
WM-Finale in Israel: Ultras und Raketot | |
Nachmittags fliegen Raketen in Tel Avivs Himmel. Nachts wird am Strand der | |
WM-Sieg Deutschlands bejubelt. Ein Ortstermin. | |
Fußball in der Ukraine: Anti-Putin-Lieder auf den Rängen | |
Bei der Partie zwischen Kiew und Odessa in der ukrainischen Hauptstadt | |
feuern die Heimfans auch die Spieler der gegnerischen Mannschaft an. | |
Der Trikotsponsor des FC Schalke 04: Tönnies steht zu Gazprom | |
Der Vorstandsvorsitzende des Bundesligisten betont die gute Arbeit mit dem | |
umstrittenen Sponsor. Und pflegt das Verhältnis zu Wladimir Putin. | |
Sotschi-Rückblick aus Moskau: Wir sind ein Siegervolk | |
Mit den Winterspielen wollte Präsident Wladimir Putin Russland zu neuem | |
Selbstbewusstsein verhelfen. Ob das gelungen ist, wird sich zeigen. |