# taz.de -- Was das DFB-Team braucht: Eine Klatsche würde guttun | |
> Die Deutschen sind fast schon Weltmeister? Wie vor vier Jahren – und dann | |
> kam das Aus. Warum eine Niederlage in der Vorrunde wachhält. | |
Bild: Jetzt braucht es eine Niederlage – sonst droht den Deutschen wieder sow… | |
SALVADOR taz | Es ist nur eine Gefühlslage. Aber dieses Gefühl besagt: Es | |
ist wieder alles möglich für die deutsche Nationalmannschaft. Sie ist im | |
Turnier. Das Label „Turniermannschaft“ darf wieder aufs Reisegepäck der | |
DFB-Elf gepappt werden. Dieses Label gilt ja gemeinhin als Freifahrtschein | |
fürs Halbfinale. Und wer weiß: Vielleicht werden die Deutschen durchgebucht | |
bis ins Finale am 13. Juli in Rio. | |
Viele Dinge, von denen man glaubte, sie seien nur Ausdruck verzweifelten | |
Mutmachens und einer gezielten PR-Strategie, scheinen sich tatsächlich zu | |
bewahrheiten: Das Quartier Campo Bahia, idyllisch am Atlantikstrand | |
gelegen, gefällt den DFB-Jungs und ist praktisch wie nie. Heißt es. Die | |
Stimmung in der Mannschaft ist im Vergleich zur Europameisterschaft in | |
Polen und der Ukraine dufte, und fußballerisch haben sie mit der neuen | |
4-3-3-Formation auch den Stein des Weisen entdeckt. Sagen sie. Die | |
Zuversicht hat Konjunktur im deutschen Lager. Es ist kein Pfeifen im Walde | |
mehr. Die DFB-Elf wirft sich in die Brust. | |
Die erste Mission haben sie schon jetzt erfolgreich bewältigt: Den Auguren, | |
die den Deutschen einen denkbar schlechten Verlauf der Weltmeisterschaft | |
prognostizierten, haben sie mit dem 4:0-Sieg gegen Portugal einen Schlag | |
versetzt. Hm, heißt es nun unter den professionellen Weissagern und | |
Weitblickern, wer weiß, es könnte ja eventuell doch klappen mit einem | |
Durchmarsch der Deutschen. | |
Das ist das eine. Das andere ist: Das Auftaktspiel gegen den | |
Weltranglistenvierten ist nur bedingt aussagekräftig. Alles, wirklich alles | |
lief zugunsten des deutschen Teams: Spielverlauf, Chancenverwertung, | |
Überzahl und Schwäche des Gegners. | |
## Muster ohne Wert | |
Überspitzt könnte man sagen: Diese Partie ist ein Muster ohne Wert, weil | |
sich die deutsche Kickerelite nicht mal anstrengen musste. Sie wurde nicht | |
gefordert. Aber genau diesen Test der eigenen Leistungsfähigkeit braucht | |
das Team von Bundestrainer Jogi Löw. Eine Härteprüfung. Ein Stahlbad, das | |
die Spieler in der Gewissheit verlassen, nun alle Hindernisse leicht | |
überwinden zu können. Nehmen wir zum Beispiel die Holländer, die es schon | |
zweimal in diesem Turnier geschafft haben, einen Rückstand aufzuholen, | |
zuerst gegen Spanien, dann gegen überraschend starke Australier. So etwas | |
prägt und macht wach. | |
Daher muss die Frage erlaubt sein, ob der Glaube der Mannschaft an die | |
eigene Stärke nicht fundamental erschüttert werden muss, damit sie danach | |
noch besser Fußball spielt und nach 18 Jahren der Dürre endlich mal wieder | |
einen Titel gewinnen kann. Ghana könnte die Rolle des Leistungskatalysators | |
spielen – so wie im Jahre 2010 Serbien im zweiten Vorrundenspiel den | |
DFB-Trupp gelehrt hat, dass das deutsche Spiel keine suprematische | |
Konstante ist, sondern eben auch störanfällig und bisweilen wackelig. | |
Das DFB-Team muss jetzt auf spielstarke, hoch motivierte Teams treffen, | |
damit sie vorbereitet sind auf den Ernstfall, der 2012 im EM-Spiel gegen | |
Italien eintrat. Damals war Löw berauscht von sich und seinen taktischen | |
Möglichkeiten, die sich in der DFB-Auswahl eröffneten – und scheiterte | |
kläglich. Weil bis dahin alles zu rund lief. Zu einfach. Zu glatt. Den | |
ersten großen Test verpatzte man. Und jetzt? Lässt zumindest die Spielweise | |
der Deutschen nichts Gutes erahnen, denn den Trend setzen bei dieser WM | |
eher Teams, die körperliche Robustheit mit klassischem Knipsertum vereinen: | |
Chile etwa. Fußball darf wieder schmutzig sein, fies und durchtrieben. | |
## Wie die Spanier | |
Götze, Lahm, Müller und Özil sind natürlich fantastische Fußballer. Aber | |
das deutsche Spiel ist eine Adaptation ans Spiel der Spanier: leichtfüßig, | |
kombinationsfreudig, eher auf Ballbesitz und wenig Körperkontakt ausgelegt. | |
Was aus den Spaniern in diesem Turnier geworden ist, weiß man nun. Kann | |
sich also die deutsche Mannschaft quasi gegen den Trend des | |
Muskelbergfußballs und der Stoßstürmershow durchsetzen? Kann sie einen ganz | |
eigenen Trend setzen, der die anabole Anmutung des WM-Kraftfußballs ad | |
absurdum führt? Liegt hierin vielleicht das Surplus der DFB-Elf in Bezug | |
auf den WM-Titel? Oder ist zu viel Spanien in der deutschen Mannschaft und | |
zu wenig Chile? | |
Löw, der Ästhet, glaubt ja, alles mit einer gewissen Eleganz lösen zu | |
können, mit fußballerischer Grandezza. Bisher wurden die Schönspieler beim | |
ersten großen Sturm umgepustet. Oder auskombiniert. Wenn Löw sich als | |
lernfähig erweist, dann muss er diesmal eine Lösung anbieten. Besteht sie | |
darin, vier Innenverteidiger als Glieder der Abwehrkette aufs Feld zu | |
schicken, ein Defensivquartett, das sich erst noch finden muss? | |
Ist es der Weisheit letzter Schluss, auf einen klassischen Stürmer in der | |
Startelf zu verzichten? Der Fußball kennt darauf nur eine Antwort: Siege. | |
Dann hat der Trainer immer Recht. Aber nur dann. | |
(Samstag, 21 Uhr, Gruppe G, Ghana – Deutschland, ARD) | |
21 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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