# taz.de -- Französischer Atommüll: Für 100.000 Jahre verbuddelt | |
> Frankreich baut sein erstes unterirdisches Hightechlager in einem Dorf | |
> fernab vom Trubel. Es ist nicht leicht für die Kritiker, dort | |
> Öffentlichkeit zu finden. | |
Bild: Tief unter dem Dörfchen Bure werden gerade Tatsachen geschaffen. | |
BURE taz | Atomkraft ist die heilige Kuh Frankreichs. Trotzdem tobt ein | |
heftiger Streit darüber, ob und wie der atomare Kraftwerkspark der Grand | |
Nation erneuert oder ob er reduziert werden soll. Ein wichtiges Argument | |
der Atomkraftgegner ist der Atommüll: Wo soll er gelagert werden? | |
Frankreichs Atomkraftriesen Areva und EDF versuchen zu beweisen, dass es | |
sehr wohl eine Lösung gibt. Im Gegensatz zu Deutschland, wo die | |
vorbereitende Endlagerkommission mit der inhaltlichen Arbeit noch nicht | |
einmal begonnen hat, machen sie schon Nägel mit Köpfen. | |
Auserkoren für Frankreichs Hightechendlager wurde eine Region gut 250 | |
Kilometer südöstlich von Paris, im Department Meuse, einer Art | |
französisches Mecklenburg-Vorpommern: Unter einsamen Wäldchen und weiten | |
Hügeln rund um das kleine Dorf Bure soll ab 2018 das erste französische | |
Endlager für hochradioaktiven Müll errichtet werden. Bisher haben Areva und | |
EDF bereits gut 1,6 Milliarden Euro in ein unterirdisches Testlabor | |
investiert. | |
Rund 16 Milliarden werde „Cigéo“, wie das Projekt heißt, insgesamt kosten, | |
schätzen die Betreiber. Ab 2030 sollen hier 240.000 Fässer für einen | |
Zeitraum von bis zu 100.000 Jahren gelagert werden. Jahrelang werden dann | |
jede Woche zwei Atommülltransporte per Straßentransport oder mindestens | |
eine Lieferung per Zug durch die Region gehen – doch das will sich heute | |
noch kein Einheimischer so recht vorstellen. | |
Das verschlafene Dorf mit seinen 90 Einwohnern ist deshalb zum Kampfbegriff | |
der französischen Antiatombewegung geworden: Im Netzwerk „Bure Stop!“ haben | |
sich Anwohner, eingefleischte Aktivisten und Umweltschützer zusammengetan. | |
„Gegen dieses Wahnsinnsprojekt, „muss einfach was unternommen werden“, | |
meint die 50-jährige Bernadette, die an einem Wochenende nach Bure gereist | |
ist. „Niemand glaubt dieses Märchen von den 100.000 Jahren Sicherheit“, | |
sagt sie. „Deshalb muss ein für alle Mal Schluss sein mit der Atomkraft.“ | |
Die Betreiber der Testanlage werden nicht müde zu beteuern, dass das | |
Projekt ausgereift und sowieso sicher ist. | |
## „Nichts ist dem Zufall überlassen“ | |
Zwei Kilometer von Bure weg haben die Geologen bereits ein Tunnelsystem in | |
500 Meter Tiefe gegraben und ein Technologiezentrum, ein Archiv und sogar | |
ein Hotel gebaut. Areva und EDF geben sich alle Mühe, die öffentliche | |
Meinung zu überzeugen. | |
Dazu dienen nicht nur Hochglanzbroschüren, Führungen und ein aufwendiges | |
Besucherzentrum. Eine eigens für die Region gegründete Gesellschaft | |
verteilt großzügig Gelder der Energieversorger: Jeweils 30 Millionen Euro | |
jährlich bekommen das Departement Meuse sowie Haute Marne, wo der | |
Untergrund ebenfalls betroffen ist. Damit wurden in den letzten Jahren | |
Rathäuser restauriert und neue Hotels, Sportplätze, Schwimmbäder, Straßen | |
und Abwassersysteme finanziert. | |
„Alle Länder, die Atomkraft besitzen, haben sich nach vielen Tests | |
mittlerweile zur Untergrundspeicherung bekannt“, erklärt der Physiker | |
Gregory Kegelaer, der für die französische Atommüllbehörde Andra tätig ist. | |
Kegelaers Kollegen bauen seit 1998 aufwendig isolierte Tunnelsysteme in | |
einer tief unter der Erdoberfläche liegenden Tongesteinsschicht. Später | |
sollen die Atommüllfässer von Robotern eingeführt werden. | |
„Nichts ist dem Zufall überlassen, alles wird vollautomatisch gesteuert“, | |
begeistert sich Kegelaer. Experimente hätten ergeben, dass die radioaktiven | |
Teilchen im Falle einer Freisetzung allein rund 100.000 Jahre brauchen, um | |
aus der Tonschicht heraus in die umliegende Erdschicht zu wandern. | |
Trotz der Tests und der PR-Offensive hat Andra die französische Regierung | |
noch nicht vollständig überzeugt. Die Baugenehmigung steht noch aus, und | |
eine öffentliche Debatte endete 2013 mit dem Zugeständnis, dass es im Falle | |
der Fertigstellung zunächst Pilotphasen geben soll, um die Sicherheit zu | |
testen. | |
„Die öffentliche Debatte war eine große Farce“, finden dagegen die | |
Kritiker, die sich in Bure ein „Haus des Widerstands“ eingerichtet haben. | |
Die Entscheidung stehe längst fest. Sie starten nun in die heiße Phase des | |
Widerstands, wollen demonstrieren und sich anketten. Allerdings gibt es in | |
dem abgelegenen Dorf nicht viel Publikum, um Aufmerksamkeit zu erregen – | |
sicher auch ein Grund, warum Cigéo genau hier gebaut werden soll. | |
12 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Susanne Götze | |
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