# taz.de -- Russische Sanktionen für Europa: China verdient an Ukraine-Krise | |
> Weil Europa weniger Lebensmittel nach Russland liefern darf, will China | |
> nun das Geschäft machen. Der Umsatz soll fast verdoppelt werden. | |
Bild: Lecker Chinakohl. | |
PEKING taz | Politisch hat sich die chinesische Führung in der | |
Ukraine-Krise bislang weitgehend zurückgehalten. Gemäß der bis heute | |
gültigen Doktrin, sich nicht in die Angelegenheiten anderer Staaten | |
einzumischen, hat die Führung zwar zu Besonnenheit und Gesprächen | |
aufgerufen, aber nie selbst Position bezogen. Mit gutem Grund: Denn | |
wirtschaftlich könnte China schon sehr bald vom Streit zwischen Russland | |
und dem Westen profitieren. | |
Die chinesischen Provinzen an der Grenze zu Russland wollen so schnell wie | |
möglich mehr Lebensmittel zum nördlichen Nachbarn exportieren. „Russlands | |
Bann von Gemüse und Obst aus den USA und der EU wirkt sich sehr ermutigend | |
auf unsere Exporte aus“, sagt Cao Xinyi, Leiter der Dingli-Gruppe, einem | |
führenden Lebensmittelhersteller in der Region. Zwei neue Zollstationen hat | |
die Regierung der chinesischen Grenzprovinz Heilongjiang schon genehmigt. | |
Eine soll in der Stadt Dongning in der Nähe von Wladiwostok gebaut werden, | |
eine weitere etwas weiter südöstlich am Grenzfluss Suifen. Zudem lässt die | |
Provinzregierung in Dongning einen Großhandelsmarkt bauen. | |
Als Reaktion auf die Wirtschaftssanktionen des Westens hat die russische | |
Regierung vergangene Woche die Einfuhr von Fleisch, Fisch, Gemüse und | |
Milchprodukten unter anderem aus der Europäischen Union, Japan, Australien | |
und den USA gestoppt. Vorher aber nahm sie noch Handelsgespräche mit Peking | |
auf – schon am 8. August unterzeichneten Peking und Moskau einen Vertrag. | |
Er war in Rekordzeit zustande gekommen und sieht eine massive Ausweitung | |
der Einfuhr von Obst und Gemüse nach Russland vor. Der Handel soll auch im | |
Nordwesten der Volksrepublik ausgeweitet werden. China und Russland teilen | |
sich eine mehr als 4.000 Kilometer lange Grenze | |
Die englischsprachige Zeitung China Daily zitiert Branchenexperten, die | |
davon ausgehen, dass der Lebensmittelexport von China nach Russland im | |
laufenden Jahr um 80 Prozent zunehmen wird. Im vergangenen Jahr lag der | |
Wert bei rund einer halben Milliarde Dollar. Das Staatsmedium zitiert einen | |
Behördenvertreter, der jedoch versichert, dass eine Ausweitung des | |
Grenzhandels schon vor Ausbruch der Ukraine-Krise vorgesehen gewesen war. | |
So seien schon im April höhere Nahrungsmittel-Bestellungen aus Russland bei | |
den chinesischen Handelspartnern eingegangen. Sie hätten im ersten Halbjahr | |
um 20 Prozent zugenommen. | |
## Weltgrößter Obst- und Gemüseproduzent | |
Die Volksrepublik ist größter Agrarproduzent der Welt. Zwar muss das Land | |
mit seinen 1,3 Milliarden Menschen auch in großem Maßstab Lebensmittel | |
importieren, vor allem Getreide, Fleisch und Milchprodukte. Zugleich führt | |
China aber auch sehr viele Nahrungsmittel aus. Obwohl in China regelmäßig | |
Lebensmittelskandale bekannt werden und offiziellen Zahlen zufolge fast ein | |
Fünftel der Agrarfläche mit Schadstoffen vergiftet ist, ist die | |
Volksrepublik inzwischen zum weltgrößten Obst- und Gemüseproduzenten | |
aufgestiegen. Insgesamt 37 Prozent der weltweiten Obst- und | |
Gemüseproduktion kommt aus China. | |
Die EU-Staaten und die USA ärgern sich über den intensivierten | |
chinesisch-russischen Grenzhandel. Westlichen Diplomatenkreisen in Peking | |
zufolge soll es auch schon Gespräche mit der chinesischen Führung geben. | |
Tatsächlich verfügt der Westen über Druckmittel. Denn Russland will die | |
Importe aus China in Gas und anderen Rohstoffen bezahlen. Doch momentan | |
läuft der russische Rohstoffhandel überwiegend in Dollar und Euro. Der | |
direkte Währungshandel in Yuan und Rubel ist vereinbart, braucht aber noch | |
seine Zeit. | |
Rund 75 Prozent der Geschäfte zwischen beiden Ländern werden nach wie vor | |
in Dollar ausgeführt. Genau an diesem Punkt könnten Europäer und Amerikaner | |
den Diplomatenkreisen zufolge ansetzen: Sie könnten den Handel über | |
Finanzaktionen stoppen und den Russen den Geldhahn zudrehen. Erst wenn | |
große Mengen russisches Gas nach China strömt, wird ein komplett direkter | |
Währungshandel für Peking interessant, so die Kalkulation. Das ist aber | |
frühestens 2017 der Fall. Denn dann erst stehen die ersten Pipelines. | |
17 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
## TAGS | |
Sanktionen | |
Russland | |
China | |
Ukraine-Krise | |
Lebensmittel | |
China | |
Russland | |
Serbien | |
Flüchtlinge | |
Sanktionen | |
Ukraine-Krise | |
Russland | |
Russland | |
Russland | |
Sanktionen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Pipeline nach China: Putins mächtige Metapher | |
Russland verhandelt seit Jahren mit Peking über eine neue Ölleitung. Asien | |
ist schließlich ein gewaltiger Markt. | |
Russisch-chinesische Gaspipeline: Putins neue Freunde | |
Russland knüpft mit dem Bau einer gigantischen Pipeline enge Bande mit | |
China. Der Kremlchef spricht vom „größten Bauprojekt der Welt“. | |
Serbiens Wirtschaft in der Ukraine-Krise: Im Ost-West-Spagat | |
EU-Anwärter Serbien soll sich dem Embargo gegen Russland anschließen. Aber | |
das Land ist von russischer Wirtschaftshilfe abhängig. | |
Vermeintlicher Angriff auf Flüchtlinge: Ukraine birgt Tote der Attacke | |
Das ukrainische Militär meldet, Opfer des vermeintlichen Angriffs auf einen | |
Flüchtlingskonvoi geborgen zu haben. Beweise für die Tat liegen noch immer | |
nicht vor. | |
EU-Hilfen wegen russischen Embargos: 125 Millionen Euro für Bauern | |
Weil Russland auf EU-Sanktionen mit einem Agrar-Embargo reagierte, bleiben | |
europäische Bauern auf Obst und Gemüse sitzen. Nun reagiert die EU. | |
Verhandlungen zur Ukraine-Krise in Berlin: Steinmeier bleibt optimistisch | |
Bisher sind alle Gespräche für einen Waffenstillstand in der Ostukraine | |
ergebnislos verlaufen. Der deutsche Außenminister ist weiterhin um eine | |
Lösung bemüht. | |
Krieg in der Ostukraine: Berliner Krisentreffen ohne Ergebnisse | |
Die Gespräche zwischen den Außenministern Russlands, der Ukraine, | |
Deutschlands und Frankreich brachten keinen Durchbruch. Derweil toben | |
heftige Kämpfe in Lugansk. | |
Wer von der Ukraine-Krise profitiert: Moskau jubelt über neue Lieferanten | |
Viele Länder stehen angeblich Schlange, um Lebensmittel nach Russland zu | |
liefern. Sanktionen im Militärsektor werden offenbar umgangen. | |
Auswirkungen der Russland-Sanktionen: Weniger Effekt als ein Unwetter | |
Das Geheul der Agrarlobby lässt vermuten, dass die Sanktionen gegen | |
Russland und dessen Gegenmaßnahmen den Markt erschüttern. Aber stimmt das? | |
Polen protestieren gegen Putin: Einfach mehr Apfelwein trinken | |
Mit Witz und Bauernschläue wehren sich die Polen gegen das russische | |
Embargo. Doch die Obst- und Gemüsebauern des Landes leiden. |