| # taz.de -- Jesidisches Flüchtlingslager im Irak: „In den Bergen liegen unse… | |
| > Zakho liegt im Nordwesten der kurdisch-irakischen Gebiete. Dort leben | |
| > tausende Frauen, Männer und Kinder unter Plastikplanen und schlafen auf | |
| > Pappe. | |
| Bild: „Können uns die Amerikaner ein Leben lang beschützen?“, fragt ein F… | |
| ZAKHO taz | Die Brücke aus dem Mittelalter am Rande der Stadt Zakho im | |
| äußersten Nordwesten der kurdisch-irakischen Gebiete wirkt malerisch. Sie | |
| überspannt mit ihrem hohen Bogen aus alten Steinquadern einen Fluss, der | |
| den Ort von einer Anhöhe trennt. Dort will ein kurdischer Geschäftsmann | |
| eine Hotelanlage bauen. Doch statt Touristen, die von dort aus die | |
| Landschaft und die Brücke bewundern, leben auf dem Berg nun 5.000 | |
| Flüchtlinge. | |
| Wenn man das überhaupt Leben nennen kann. Einige wenige glückliche Familien | |
| können sich in einem Zelt einrichten. Doch die meisten haben sich aus | |
| Wellblechplatten notdürftige Verschläge gebaut oder sie versuchen mithilfe | |
| von Stöcken Plastikplanen zu spannen, um sich vor der erbarmungslosen | |
| Sonnen zu schützen. Schatten ist hier das kostbarste Gut. Und selbst dort | |
| liegen die Temperaturen noch über 40 Grad Celsius. Fast alle der | |
| Flüchtlinge gehören der jesidischen Minderheit an, die vor den | |
| Dschihadisten des Islamischen Staates (IS) in die Berge geflüchtet waren | |
| und dann durch einen sicheren Korridor bis hierher gekommen sind. | |
| „Ich komme aus Sindschar, ein Teil der Menschen ist schon dort von der IS | |
| ermordet oder verschleppt worden, andere sind auf dem Berg verdurstet. Wir | |
| haben es bis hierher geschafft. Gott möge die Menschen aus Zahko erhalten, | |
| die uns hier helfen, so gut es geht. Aber wir vegetieren hier in der Sonne | |
| vor uns hin“, sagt ein alter Mann, der sich mühsam von einer der | |
| Plastikplanen erhebt. Hier, sagt er, „gibt es Menschen, die haben ihre | |
| ganze Familie verloren. Sie sind die einzigen Überlebenden.“ | |
| Khaled, ein jüngerer Mann, führt zu seiner Behausung. Dreizehn Menschen | |
| leben unter einer Plane. Sei schlafen auf Pappe, die auf dem Boden | |
| ausgebreitet ist. Sieben Tage seien sie nun hier, erzählt er. Zurück in | |
| sein Dorf will er auf keinen Fall. „Wir wollen einfach nur weg“, schreit | |
| er. Die Menschen, die sich um ihn versammelt haben, schütteln bei der Frage | |
| nach einer möglichen Rückkehr kollektiv die Köpfe und rufen wild | |
| durcheinander. | |
| ## „Wir leben nicht wie Menschen“ | |
| „Können uns die Amerikaner ein Leben lang beschützen?“, fragt Khaled. Auch | |
| arabisch-sunnitische Nachbarn hätten sie angegriffen, nicht nur die | |
| Dschihadisten. „Wenn die ihren Islamischen Staat gründen, ist für uns | |
| Jesiden und für die Christen kein Platz mehr“, so einfach sei das. „Sie | |
| haben unsere Frauen entführt und unsere Mädchen vergewaltigt. Dort in den | |
| Bergen liegen unsere Toten herum und werden von den Hunden gefressen“, fügt | |
| er hinzu. Und jetzt? „Schau dich hier um. Wir leben nicht wie Menschen. | |
| Alles, was wir brauchen, ist ein wenig Menschlichkeit, einfach jemanden, | |
| der uns hilft.“ | |
| Ein paar Planen weiter sitzt eine Frau mit einem Kleinkind auf dem Arm, das | |
| trotz der großen Hitze am ganzen Körper zittert. Über den Bauch des Babys | |
| erstreckt sich eine große Brandwunde. Das sei heute Morgen passiert, als | |
| sich das Kind im Lager mit heißem Wasser übergossen habe, erzählt der | |
| Vater. Sie waren schon im örtlichen Krankenhaus. Das war das Personal | |
| offensichtlich überfordert und hat der Familie nur eine Brandsalbe | |
| mitgegeben. Statt in einem sterilen Raum sitzt das Kind im staubigen Nichts | |
| bei seinen verzweifelten Eltern. | |
| Lokale Organisationen versuchen ihr Bestes, um die Flüchtlinge mit dem | |
| Notwendigsten zu versorgen. Sie haben Namenslisten erstellt. Zur | |
| Essensausgabe bringen sie einen riesigen Topf Bohnen mit einem Kleinlaster, | |
| den sie am Rand des Lagers parken. Namentlich werden die | |
| Flüchtlingsfamilien aufgerufen. Alles wirkt bescheiden, aber gut | |
| organisiert. Mehrmals am Tag kommt ein Lastwagen und füllt zwei große Tanks | |
| mit frischem Wasser. | |
| „Wir haben einfach zu viele Flüchtlinge. Wir versuchen unser Bestes. | |
| Nachbarn und Behörden, Freiwillige aus der Stadt. Wir versuchen, sie zu | |
| versorgen. Aber das Problem ist größer als wir“, erklärt Mament Omar, der | |
| in der benachbarten Kleinstadt eine kleine Baufirma betreibt, aber hier als | |
| freiwilliger Helfer arbeitet. Er fordert Unterstützung, von der UNO, von | |
| Europa, von irgendjemanden. | |
| ## Acht Toiletten für 800 Familien | |
| Fadil Abdallah ist eigentlich in Zakho für die staatliche Rentenverwaltung | |
| zuständig. Aber auch er ist gekommen, um mit anzupacken. Abdallah setzt das | |
| Problem in eine einfache Zahlenrelation. Die Stadt Zakho habe fast 200.000 | |
| Einwohner. Dazu seien nun in den vergangenen Wochen mindestens 150.000 | |
| Flüchtlingen gekommen. Eine andere Zahl, die er nennt, beschreibt die | |
| Situation im Lager selbst. Auf 800 Familien kommen gerade einmal acht | |
| Toiletten. | |
| Von internationalen Hilfeleistungen ist an diesem Tag, abgesehen von ein | |
| paar Zelten und Planen mit dem Aufdruck Unicef für die | |
| UN-Kinderhilfsorganisation, nicht viel auszumachen. Dazu sagt Abdallah | |
| trocken: „Versprochen haben sie viel, aber getan haben sie bisher wenig“. | |
| Die meisten Flüchtlinge haben inzwischen mehr als eine Woche in diesem | |
| Lager verbracht. Sie sind glücklich, dass ihr Leben nicht mehr unmittelbar | |
| bedroht ist. Und niedergeschlagen, weil es so ziemlich das Einzige ist, was | |
| sie noch besitzen. | |
| 20 Aug 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Karim Gawhary | |
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