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# taz.de -- Ausgrabungsstätte in Göbekli Tepe: Die Tempel der Jäger
> Bis zu seinem Tod Ende Juli arbeitete der Archäologe Klaus Schmidt an den
> ältesten Baudenkmälern der Welt. Seine Arbeit soll fortgesetzt werden.
Bild: Vor 20 Jahren entdeckte Klaus Schmidt in Obermesopotamien die vermutlich …
Der erste Blick ist etwas verwirrend. Von einem plattformartigen Rundgang
aus schaut man in eine im Durchmesser vielleicht 20 Meter breite und bis zu
10 Meter tiefe Grube. Dort stehen steinerne Pfeiler, die oben in einem
rechten Winkel abgeknickt sind. Bei näherem Hinsehen erkennt man
Tierkörper, die aus den Stelen herausgemeißelt sind, Schlangen, aber auch
Füchse und andere Wesen. Es gibt größere Stelen umringt von kleineren,
ähnlich aussehenden Gebilden, die alle jeweils an einem Stück aus dem Fels
herausgeschlagen wurden. Je länger und je genauer man hinsieht, umso mehr
Details sind zu entdecken.
Der Ort der Ausgrabung heißt Göbekli Tepe (Bauchnabelberg) und liegt in der
Türkei, gerade einmal 10 Kilometer von der Millionenstadt Urfa entfernt.
Noch ist nicht ganz klar, welche Bedeutung diese Anlagen einmal gehabt
haben, aber eins ist jetzt bereits eindeutig: Die kunstvoll bearbeiteten
und planvoll angeordneten Steinstelen sind die ältesten Baudenkmäler der
Menschheit. Durch Messungen wurde zweifelsfrei erwiesen, dass die
Skulpturen im Frühneolithikum, rund 10.000 Jahre vor unserer Zeit, von
Menschenhand erschaffen wurden.
Vor den spektakulären Steinpfeilern hatten Menschen höchsten einmal eine
Lagerstätte für Fleischvorräte aus Natursteinen errichtet oder aus
Mammutknochen und Tierhäuten primitive Zelte gebaut, doch das diente nur
temporärem Gebrauch. Der Grund dafür war einfach: Die damaligen Jäger und
Sammler waren noch nicht sesshaft, sie durchstreiften große Gebiete und
lebten im Winter in Höhlen.
Die Erkenntnis, dass diese umherstreifenden Jägerclans zu einer technischen
und künstlerischen Hochleistung wie dem Bau dieser tonnenschweren
Steinstelen in der Lage waren, verdanken wir dem deutschen Archäologen
Klaus Schmidt. Unter der Grasnarbe eines über Jahrtausende künstlich
aufgeschütteten Hügels entdeckte Schmidt vor 20 Jahren in Obermesopotamien
die vermutlich ältesten menschlichen Tempelanlagen der Welt. Schmidt geht
davon aus, dass hier vor mehr als 10.000 Jahren v. u. Z. nomadische Jäger
eine Kultstätte errichteten, lange bevor die Menschen anfingen, von
Ackerbau und Viehzucht zu leben.
## „Ein großer Verlust“
Der Fund von Schmidt im Sommer 1994 zählt zu den weltweit wichtigsten
archäologischen Stätten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Im
Auftrag des Deutschen Archäologischen Instituts leitete Klaus Schmidt die
Ausgrabungen, bis er vor vier Wochen, am 20. Juli, völlig unerwartet mit
nur 60 Jahren beim Baden in der Ostsee an einem Herzschlag verstarb.
„Der Tod von Professor Klaus Schmidt ist natürlich ein großer Verlust“,
sagte der Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Istanbul,
Felix Pirson, gegenüber der taz. Trotzdem glaubt Pirson, werden die
Arbeiten dort weitergehen.
„Wir stehen mit den türkischen Behörden in vertrauensvollem Kontakt und
arbeiten jetzt erst einmal an einer interimistischen Lösung für die Grabung
in Göbekli Tepe. Ich sehe aber keine grundsätzliche Gefahr für die Grabung
oder die Grabungslizenz.“ Felix Pirson, der die deutschen Grabungen in der
Türkei leitet, ist optimistisch.
„Auch wenn das Archäologische Institut mit Professor Klaus Schmidt einen
seiner profiliertesten und sicherlich seinen bekanntesten Forscher in der
Türkei verloren hat, geht die Arbeit in Göbekli Tepe weiter. Wir werden
einen Nachfolger finden, der dem Vermächtnis von Klaus Schmidt gerecht
wird.“
## In der Türkei gut vernetzt
So sicher die deutschen Archäologen in der Türkei versuchen werden, diesem
Anspruch nachzukommen, die Lücke, die Klaus Schmidt mit seinem unerwarteten
Tod hinterlässt, ist groß. Wie kein anderer kannte der fränkische Professor
für Ur- und Frühgeschichte sich mit dem Leben der Menschen an der Schwelle
zur Sesshaftwerdung aus. Schon vor seiner Entdeckung in der südöstlichen
Türkei hatte er an zwei weiteren neolithischen Fundstellen mitgearbeitet.
Und Schmidt war in der Türkei gut vernetzt. Er war mit der türkischen
Archäologin Cigdem Köksal verheiratet und im Land bestens bekannt. Es ist
deshalb nicht selbstverständlich, dass es in Göbekli Tepe ohne Klaus
Schmidt bruchlos weitergeht. Seit einigen Jahren setzt das verantwortliche
türkische Kulturministerium darauf, dass die großen, spektakulären
Grabungen in der Türkei auch von türkischen Archäologen geleitet werden.
Das hat schon einmal dazu geführt, dass eine traditionsreiche deutsche
Grabung nach dem Tod des Grabungsleiters verloren ging. Nachdem der
langjährige Chef der Ausgrabung in Troja, Manfred Korfmann, 2005 ebenfalls
überraschend gestorben war, dauerte es nur noch wenige Jahre, bis die
Universität Tübingen die Grabungslizenz verlor.
Grundsätzlich, das sagt auch Felix Pirson, ist es ja unerheblich, welche
Nation eine Ausgrabung leitet. Moderne Archäologie ist sowieso
international. Trotzdem fürchten viele Wissenschaftler, dass mit einer
Renationalisierung der Ausgrabungen in der Türkei die Forschung leiden
könnte. Nicht weil die türkischen Kollegen nicht qualifiziert wären,
sondern weil die türkischen Offiziellen darauf drängen, wichtige
Ausgrabungsstätten eher für Touristen attraktiv zu machen (durch
Rekonstruktionen beispielsweise), als den weniger sichtbaren
wissenschaftlichen Fragestellungen nachzugehen.
24 Aug 2014
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
Archäologie
Sachbuch
Troja
Handel
Alaska
Wissenschaft
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