# taz.de -- Archäologisches Highlight: Der Schatz vom Bahnhofplatz | |
> Genau dort, wo jetzt ein doppeltes Hotel- und Bürohochhaus entsteht, lag | |
> einer der wichtigsten Silberschätze Bremens vergraben. | |
Bild: Teile eines der bedeutendsten Funde, die bislang in Bremen geborgen wurde… | |
Können spektakuläre archäologische Funde die hoch umstrittene Bebauung des | |
Bahnhofsvorplatzes zumindest zeitweise verhindern? Seit der Bauzaun steht, | |
wird diese Frage immer öfter von unzufriedenen BremerInnen gestellt, die | |
den Sinn eines doppelten Hotel- und Bürohochhauses, das die Sicht auf den | |
Bahnhof verstellt, nicht einsehen wollen. | |
Doch auf den ersten Blick erscheint es eher unwahrscheinlich, dass in | |
diesem Bereich spannende Funde zu erwarten sind: Der Bahnhofsvorplatz | |
liegt, geologisch gesehen, längst nicht mehr im Bereich der Dom- und der | |
anderen Weserdünen, so dass ein historisches oder gar prähistorisches | |
Siedlungswesen hier unwahrscheinlich ist. | |
Ein zweiter Blick lässt dennoch aufhorchen: Denn genau dort, wo jetzt die | |
Baugrube ausgehoben werden soll, wurde vor 126 Jahren ein spektakulärer | |
Schatz gefunden. | |
Mit 1.300 Silbermünzen ist es sogar einer der bedeutendsten Schätze, die | |
bislang in Bremen geborgen wurden. Die Münzen befanden sich in einem | |
unzerbrochenen Tonkrug mit Salzlasur, beigelegt war „ein plumper silberner | |
Ring von mehr als Daumens Durchmesser“, wie es seinerzeit in Band 19 der | |
„Zeitschrift für Numismatik“ hieß. Das reichsweit erscheinende Fachblatt | |
widmete dem Bremer Fund immerhin 52 Seiten. | |
Der mittelalterliche Schatz stammt größtenteils aus der zweiten Hälfte des | |
14. Jahrhunderts, der Vergrabe-Zeitpunkt liegt in der Regel nur recht knapp | |
nach der Prägung der „Schlussmünze“, die von 1403 datiert. Denkbar ist, | |
dass ein reicher Viehhändler auf dem Weg zur Bürgerweide, die damals als | |
Allmende diente, den Schatz vergraben hat. Denn der Wert des Fundes liegt | |
auch darin, dass er die damaligen Handelsbeziehungen nachvollziehbar macht. | |
Neben 324 silbernen Bremer „Dickpfennigen“ enthält der Schatz zahlreiche | |
Münzen aus südlich gelegenen Städten, beispielsweise sind rege | |
Handelsbeziehungen mit den Gebieten der Grafen von Hoya auf diese Weise | |
nachweisbar. Auch Herforder Denare der Äbtissin Hildegard sind Teil des | |
Fundes. Trotz seiner Bedeutung führt der heute weitgehend unbekannte Schatz | |
ein Schattendasein im Magazin des Focke-Museums. | |
Das könnte sich nun ändern. Der Verweis auf dem Schatz werde das | |
archäologische Augenmerk für den Platz schärfen, sagt Dieter Bischop, der | |
Bremer Stadtarchäologe. Auch der damalige Schatzfund stand in Zusammenhang | |
mit größeren Baumaßnahmen: Er wurde gehoben, als 1887 auf dem | |
Bahnhofsvorplatz ein Gebäude erweitert wurde – in Gegensatz zu den | |
aktuellen Planungen allerdings eines, das den Platz nicht vollständig | |
zubetonierte und in seiner Funktion sinnvoll war: ein Schwimmbad. Bis 1954 | |
konnte man in diesem „Bad am Breitenweg“ schwimmen, dann wurden die Becken | |
verfüllt. | |
Eine Besonderheit des Schatzes, der bei der Ausschachtung der Schwimmbecken | |
gefunden wurde, ist seine Vollständigkeit. Oft, wenn es sich um Funde | |
außerhalb von Gebäuden handelt, werden Schätze zerpflügt und müssen in | |
einem weiten Umkreis zusammengesucht werden – vor allem aber bleibt die | |
Fundsituation völlig unklar. | |
Allerdings ist auch in diesem Fall der ganz exakte Fundort unbekannt, auch | |
die Tiefe wurde nicht dokumentiert – damals jedoch, 1887, gab es in Bremen | |
noch keine behördliche Archäologie. „Um so genauer“, sagt Bischop, „mü… | |
wir bei den aktuellen Baumaßnahmen vorgehen.“ | |
Dass der Fund überhaupt gemacht wurde, ist im Übrigen der Prüderie der | |
Bremer zu verdanken. Nachdem das Schwimmbad am Breitenweg 1877 zunächst nur | |
mit einem Herren-Becken eröffnet worden war, wurde zwölf Jahre später ein | |
Erweiterungsbau für das Damen-Becken begonnen – und in dessen Grube lag der | |
Schatz. Spannend bleibt nun die Frage, was die geplante doppelstöckige | |
Tiefgarage zu Tage fördert. | |
13 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Türkei | |
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