# taz.de -- Stiefkind Bahnhofsvorplatz: Pro domo geht alles besser | |
> Bremens Bauressort prüft, ob es nicht selbst in die umstrittenen | |
> Hochhäuser einzieht, mit denen der zentrale Raum zugebaut wird. Was sagt | |
> uns das? | |
Bild: Stagnation am Hauptbahnhof: Bauzaun statt Platzentwicklung. | |
BREMEN taz | Die Bebauung des Bahnhofsvorplatzes beginnt frühestens im | |
Frühling 2014. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte lautet: Nach wie | |
vor will die Griese Treuhand Gesellschaft aus Hamburg das freie Areal mit | |
zwei Siebenstöckern bebauen. Und nun noch die interessante Nachricht, die | |
nebenbei bekannt wurde: Das Bauressort sieht sich selbst als potenziellen | |
Ankermieter in einem der Hochhäuser. | |
Wenn diese Option realisiert wird, hätte das Ressort das ganze – hoch | |
umstrittene – Projekt quasi pro domo geplant und vorangetrieben. Und es | |
wäre der dritte mit öffentlichen Mitteln finanzierte Beitrag Bremens zu | |
einer lukrativen Vermietung der Gebäude: Klar ist bereits, dass die Brepark | |
und Bremer Touristik-Zentrale einziehen sollen. | |
Etwas Besseres als Langfrist-Verträge mit öffentlichen Institutionen vom | |
Kaliber eines Bauressorts kann einem Investor nicht passieren. Allerdings: | |
„Noch ist keine Entscheidung gefallen“, betont die Ressort-Sprecherin, die | |
zu einzelnen Standort-Optionen ausdrücklich nichts sagen möchte. | |
Klar sei lediglich, dass die Behörde 2015 den Lloydhof verlassen müsse und | |
dann Platz für 230 Mitarbeiter brauche. Dafür seien mehrere Standorte im | |
Gespräch. Dieser Umzug ist allerdings ein selbst gemachtes Leid: | |
Schließlich war es die Baubehörde, die die staatliche Übernahme und den | |
geplanten Umbau der Einkaufspassage betrieb, über der ihre Büros liegen. | |
Der künftige Komplex soll durch Einbeziehung der benachbarten Tiefgarage | |
größer werden und wieder zahlreiche Büroflächen beinhalten. Warum zieht die | |
Behörde nach einer Zwischennutzung andernorts nicht wieder an ihren alten | |
Standort? So wurde es von den Ressort-Abteilungen im Siemens-Hochhaus | |
gehandhabt, die wegen dessen langwieriger Sanierung vorübergehend raus | |
mussten. Aber: „Darüber gibt es keine Diskussion“, heißt es im Bauressort. | |
Die Linkspartei vermutet nun, dass das Bauressort eine fehlende | |
Mieternachfrage für die Bahnhofsplatz-Hochhäuser selbst kompensieren will. | |
Im Umkehrschluss hieße das: Das Vorhaben sei überflüssig und müsse | |
ehrlicherweise gestoppt werden. | |
Die Planungen zum „Investorengrundstück“, wie die 5.600-Quadratmeter-Fläc… | |
genannt wird, haben eine lange Vorgeschichte: Immer wieder scheiterten | |
Projekte an mangelnder Mieternachfrage – obwohl sie schon so weit gediehen | |
schienen, dass der Verkaufserlös vorauseilend im Haushalt auftauchte. | |
Etliche sozial- und christdemokratische Bausenatoren erlitten an diesem Ort | |
Schiffbruch. Doch diesmal ist es ein grüner Amtsinhaber, der den „Erfolg“ | |
unbedingt herbeiführen will: Joachim Lohse vergab wie sein grüner Vorgänger | |
Rainer Loske die Chance, grundsätzlich anders über den Ort nachzudenken. | |
Dabei ist es ein grundlegender Fehler der Bremer Stadtentwicklungspolitik, | |
die prominente Fläche nie als Platz ernst genommen zu haben. Nie gab es | |
einen Wettbewerb, um dessen Potenziale jenseits der Baugrubenlogik zu | |
entwickeln. | |
Annehmbare Bürohausarchitektur à la Max Dudler, wie jetzt geplant, langt | |
jedoch nicht, um den Bahnhofsvorplatz von dem anderer Städte zu | |
unterscheiden. Womit man hingegen wuchern könnte, ist die Größe des Areals: | |
Mit einer grünen Visitenkarte dieser Dimension hätte Bremen ein echtes | |
Alleinstellungsmerkmal. Mit Brunnen wie in Hannover lässt sich der | |
Verkehrslärm nivellieren, Göttingen zeigt, wie sich Hauptverkehrsstraßen | |
mit Bäumen abschotten lassen. | |
Es ist bemerkenswert, wie wenig ausgerechnet die Grünen dem Grün in der | |
Innenstadt zutrauen. Vom Bausenator über den Ortsamtsleiter bis zur | |
Mehrheit im Beirat Mitte saßen sie in der Frage der Platzgestaltung am | |
Drücker – und setzten auf Stein. Auf einer überaus gut besuchten | |
Beiratssitzung in der Arbeitnehmerkammer, wo Kritiker böse ausgebuht | |
wurden, fiel die Bau-Entscheidung – die Bremen gerade mal sechs Millionen | |
Euro einbrachte. | |
Auf derselben Linie lag eine Dudler-Diskussion des Bremer Zentrums für | |
Baukultur (BZB) mit dem Titel „Willkommen in Bremen!“ Zuvor hatte das BZB | |
eine große Dudler-Ausstellung gezeigt, die zum erheblichen Teil vom | |
Architekten selbst finanziert worden war. | |
Nun sind es Weltkriegs-Bomben, die wenigstens eine Verzögerung bewirken. | |
Der Kaufvertrag besagt, dass Mitte 2016 fertig gebaut sein muss. Ob | |
andernfalls Plan B wieder eine Chance hätte – wobei B für „Bäume“ stü… | |
ist allerdings fraglich. Denn wo kein Wille ist, ist auch kein Weg. Anders | |
gesagt: Was das Bauressort unbedingt will, hat es mit seinen | |
Miet-Ambitionen ein weiteres Mal dokumentiert. | |
29 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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