# taz.de -- Kontrolle der Sexarbeit: Ein B-Plan gegen Rotlicht | |
> Per Bebauungsplan will Bremerhavens Stadtverwaltung die ausufernde | |
> Prostitution eindämmen und verhindern, dass sie sich weiter in ein | |
> Wohngebiet verlagert. | |
Bild: Prostituierte in den Schaufenstern der Lessingstraße vertreiben Prostitu… | |
Bremerhaven hat beschlossen, das Rotlichtviertel weiter einzuschränken. | |
Mithilfe eines von rot-grün initiierten Bebauungsplanes soll verhindert | |
werden, dass sich die Prostitution in Lehe weiter in ein Wohngebiet | |
verlagert. Von der Stadtverwaltung wird das als weitere Maßnahme gegen ein | |
ausuferndes Milieu gedeutet. | |
Seit Februar ist Straßenprostitution nur noch in der Lessingstraße erlaubt, | |
einer Straße in der sich ähnlich wie in der Helenenstraße in Bremen ein | |
Koberfenster an das andere reiht. Das Sperrgebiet richtete sich vor allem | |
gegen den Straßenstrich in der Van-Heukelum-Straße, einem Gewerbegebiet in | |
der Nähe einer Kleingartensiedlung beim Hafen. Damit die Stadt überhaupt | |
eine entsprechende Verordnung erlassen konnte, musste der Bremer Senat | |
Bremerhaven zuvor die entsprechende Zuständigkeit übertragen. | |
Für die Sexarbeiterinnen, die in der Lessingstraße keinen festen Platz | |
haben, bedeutet die Maßnahme den Verlust der Existenzgrundlage. Denn davon, | |
dass dort Straßenprostitution auf dem Papier erlaubt ist, haben sie wenig: | |
Vor den Koberfenstern der Bordelle werden sie ebenfalls vertrieben – zwar | |
nicht von der Polizei, dafür aber von den Prostituierten. | |
Weil das so ist, stehen im Gebiet um den verbotenen Straßenstrich immer | |
noch einige wenige Frauen am Straßenrand und bieten käuflichen Sex an. Doch | |
seit die Verordnung in Kraft ist, begehen sie eine Ordnungswidrigkeit und | |
gehen das Risiko ein, von der Polizei kontrolliert und angezeigt zu werden. | |
„Wir haben gegen die eine oder andere Frau auch schon Strafanzeige wegen | |
Beharrlichkeit gestellt“, sagt Jörg Seedorf, Leiter der Bremerhavener | |
Kriminalpolizei. | |
Die Klagen der Nachbarn über ein Ausufern des Bremerhavener Straßenstrichs | |
waren schon vor vielen Monaten laut geworden und so begründet auch die | |
Stadt ihr Maßnahmenpaket gegen das Rotlichtmilieu: Eltern hätten sich über | |
Anbahnungsgespräche vor den Augen der Kinder beschwert, heißt es. Weil die | |
Straße eben auch ein Schulweg sei, erklärte Oberbürgermeister Melf Grantz | |
(SPD): „Allein schon zum Schutz der Kinder ist ein Verbot der | |
Straßenprostitution erforderlich.“ Außerdem sei es den Gewerbetreibenden | |
ein Dorn im Auge gewesen, dass Prostituierte mittlerweile auch tagsüber am | |
Straßenrand stehen. Damit soll jetzt Schluss sein. | |
Dass die Maßnahme die ärmsten unter den Prostituierten trifft, weiß auch | |
der Leiter der Bremerhavener Kriminalpolizei. „Wir haben uns in der Szene | |
umgehört und uns wurde gesagt, dass viele Frauen wieder zurück gegangen | |
sind nach Bulgarien oder in andere Heimatländer“, so Seedorf. | |
„Wir hatten Sorge, dass das Verbot des Straßenstrichs dazu führt, dass sich | |
die Prostitution von der Straße in Wohnungen verlagert“, sagt der | |
Kripo-Chef. Das sei aber bislang nicht eingetreten. Anders als in Bremen, | |
wo sich Prostitution hauptsächlich in Wohnungen abspielt, gibt es in | |
Bremerhaven laut Polizei lediglich 20 bis 30 Wohnungen, in denen | |
Prostituierte ihre Dienste anbieten. | |
Die Polizei hat die Rotlichtkriminalität zu einem Behördenschwerpunkt | |
erklärt. Das sei wichtig, weil man natürlich wisse, dass daran alle | |
möglichen Folgen von Kriminalität hängen. In Bremerhaven gibt es nach | |
Schätzungen des zuständigen Polizeikommissariats insgesamt bis zu 170 | |
Sexarbeiterinnen. Doch räumlich gesehen weitet sich das Milieu aus. | |
Der Leiter des Stadtplanungsamtes, Norbert Friedrich, erklärt, dass sich | |
das Rotlichtviertel von der Lessingstraße ins benachbarte Wohngebiet | |
ausdehne. „Bordelle haben dort weitere Dependancen in den Seiten und | |
Nebenstraßen gegründet“, sagt er. Hinterräume von Kneipen etwa seien | |
zunehmend für solche Zwecke gepachtet und umgenutzt worden. | |
„Weil es in diesem Gebiet bislang keine Bebauungspläne gibt, galt dort der | |
Gummiparagraph“, erklärt Stadtplaner Friedrich. Mit dem neuen Planungsrecht | |
will die Stadt nun regeln, dass das Wohngebiet als solches ausgewiesen | |
wird, um über eine juristische Handhabe gegen weitere Bordelle zu verfügen. | |
Nur bestehende Betriebe genießen Bestandsschutz. Zwar tritt der neue B-Plan | |
erst Anfang kommenden Jahres in Kraft, aber schon jetzt stellt die Stadt | |
Bremerhaven Anträge für den Betrieb neuer Bordelle zurück. „So sind wir | |
schon jetzt auf der sicheren Seite“, sagt Friedrich. | |
Nach Auflösung des Straßenstrichs hat die Stadt das Bremer Institut für | |
Polizei und Sicherheitsforschung beauftragt, zu untersuchen, welche | |
Auswirkungen das neue Sperrgebiet auf die Kriminalitätsentwicklung und auf | |
die Lebensumstände der Prostituierten hat. Die Verordnung gilt erst mal | |
zwei Jahre, dann soll evaluiert werden. | |
25 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
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