# taz.de -- Flüchtlingshelfer über EU-Politik: „Der hohe Zufluss wird anhal… | |
> Das Ziel der EU müsste sein, die Konflikte in Afrika zu beenden, damit | |
> die Menschen nicht mehr fliehen müssen, sagt Flüchtlingshelfer Mussie | |
> Zerai. | |
Bild: „Auch vor 'Mare Nostrum' setzten sich die Menschen ja auf die Boote“,… | |
taz: Herr Zerai, was halten Sie vom Kurswechsel von „Mare Nostrum“ zu | |
Frontex Plus? | |
Mussie Zerai: Wenn Europa jetzt anstelle Italiens Leute aus dem Meer | |
fischt, dann ist damit gar nichts gewonnen. Die europäischen Institutionen | |
müssten ein ganz anderes Ziel verfolgen: das der Prävention. Sie müssten | |
darauf zielen, dass die Flüchtlinge gar nicht erst gezwungen sind, eine | |
solche Reise anzutreten. Das heißt erstens: Das Problem an der Wurzel | |
anzugehen, sprich die Konflikte in Afrika zu beenden, denn hier liegen die | |
Fluchtursachen. | |
Eine baldiges Ende der Konflikte in Afrika ist aber unwahrscheinlich … | |
Zweitens wäre in der Tat – solange die Konflikte weiter virulent sind – als | |
Zwischenlösung die Schaffung halbwegs menschlicher Lebensbedingungen für | |
die Flüchtlinge in den Transitländern anzustreben. Nehmen wir das Beispiel | |
der Eritreer, gegenwärtig die größte Flüchtlingsgruppe. Ihre ersten | |
Zielländer sind Äthiopien und der Sudan. Wenn sie dort akzeptable | |
Lebensbedingungen fänden, würden wenigstens 50 Prozent von ihnen auf die | |
weitere Reise durch die Wüste und dann übers Meer verzichten. Diesen | |
Menschen fehlt dort schon die elementarste Garantie: die der persönlichen | |
Sicherheit. Wir hatten im Sudan zum Beispiel viele Fälle, in denen | |
Flüchtlinge verschleppt und an Banden auf dem Sinai verkauft wurden. Und | |
diese Menschenhändler erfreuen sich oft der Unterstützung durch die | |
sudanesische Polizei. Drittens schließlich müssten humanitäre Korridore für | |
jene Menschen geschaffen werden, die aufgrund politischer oder anderer | |
Motive schlicht zur Flucht gezwungen sind. Leider verspricht Frontex Plus | |
hierbei jedoch keinerlei Kurswechsel im grundsätzlichen Ansatz. | |
Im Gegenteil, der Einsatzradius soll verkleinert werden … | |
Es gibt Politiker, die verkünden, eine weiter erschwerte Überfahrt könne | |
als Abschreckung wirken. Diese Rechnung wird nicht aufgehen. Auch vor „Mare | |
Nostrum“ setzten sich die Menschen ja auf die Boote. Daran wird sich auch | |
nichts ändern, wenn die Einsatzzone der Patrouillenschiffe zurückgenommen | |
wird. Solange es keine legalen Wege für die Flüchtlinge gibt, Europa zu | |
erreichen, womit das Geschäft der Schleuser ausgetrocknet würde, wird es | |
auch keine wirkliche Lösung geben. | |
Müssen wir im Herbst mit noch mehr Flüchtlingen rechnen? | |
Auf jeden Fall wird der hohe Zufluss anhalten. Libyen befindet sich im | |
Bürgerkrieg. Wir wissen von Flüchtlingen aus Eritrea, Äthiopien oder dem | |
Sudan, die dort von den Milizen zu Hilfsdiensten an der Front gezwungen | |
werden. Und wir wissen andererseits, dass die lokalen Behörden, dass die | |
Milizen oft genug Hand in Hand mit den Schleppern arbeiten. Erst vor drei | |
Tagen erhielt ich einen Anruf aus Tripolis; ich erfuhr, dass 350 | |
Flüchtlinge von den Militärs direkt an Schlepper weiterverkauft wurden. Wir | |
haben es hier mit einem Groß-Business zu tun. Das wird auch weiterhin dafür | |
sorgen, dass der Flüchtlingsstrom Richtung EU nicht abbricht. | |
29 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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