| # taz.de -- Ausbildung von Journalisten: Weiß, akademisch, bürgerlich | |
| > Die Henri-Nannen-Schule kürzt in der Journalistenausbildung: weniger | |
| > Schüler, weniger Beihilfe. Damit gräbt sie sich ihr eigenes Grab. | |
| Bild: Journalisten in der Bundespressekonferenz | |
| „Qualität kommt von Qual“ steht über einem Seminarraum der | |
| Henri-Nannen-Schule in Hamburg. Schüler haben ihn in Stein meißeln lassen | |
| und dem frühere Schulleiter Wolf Schneider geschenkt. Er soll die eifrigen | |
| Journalistenschüler antreiben, härter zu recherchieren, schärfer über | |
| Themen nachzudenken und Texte besser zu schreiben. Er war wohl nicht dazu | |
| gedacht, übermüdete Schüler zu quälen, die nachts gekellnert haben, um sich | |
| die Ausbildung zu finanzieren. So könnte es aber bald kommen. | |
| Im nächsten Lehrgang werden weniger Schüler als sonst diesen Spruch lesen. | |
| Das Spardiktat beim Hamburger Verlag Gruner + Jahr, der die Schule zu zwei | |
| Dritteln finanziert, trifft auch die Ausbildung: Statt bisher 20 werden nur | |
| noch 16 Schüler aufgenommen, ihre monatliche Beihilfe von 761 Euro auf 400 | |
| Euro gekürzt. Der Verlag schreckt damit alle jene ab, die wenig Geld haben. | |
| Journalismus wird damit noch mehr zum Eliteberuf. Kein Wunder, dass die | |
| Leser weglaufen – viele finden sich in den Texten einfach nicht wieder. | |
| Rund ein Dutzend Journalistenschulen gibt es in Deutschland. Die meisten | |
| gehören zu einem Verlag oder einer Rundfunkanstalt. Andere, wie die | |
| Deutsche Journalistenschule in München oder die Kölner Journalistenschule, | |
| sind verlagsunabhängig. Die Schüler in München bekommen kein Geld, die in | |
| Köln zahlen bis zu 2.000 Euro pro Semester, wobei die Gebühren sich nach | |
| dem Einkommen der Eltern richten und auch ganz entfallen können. | |
| Trotzdem bleibt: Wenn die Eltern ihren Kindern für den Lebensunterhalt | |
| nicht unter die Arme greifen können, wird die Finanzierung der Ausbildung | |
| schwierig. Es gibt zwar Stipendien, die reichen allerdings in der Regel | |
| nicht für alle. Dann bleiben noch ein schlecht bezahltes Volontariat, ein | |
| Studium mit ebenso schlecht oder nicht bezahlten Praktika – oder gleich die | |
| Ausbildung zum Bankkaufmann. | |
| Die Schüler der Henri-Nannen-Schule sitzen 32 Wochen im Seminarraum und 36 | |
| Wochen als Praktikanten in einer Redaktion. Zeit für einen Nebenjob haben | |
| sie nicht. Das führt schon jetzt dazu, dass die Klassen sehr homogen sind: | |
| weiß, akademisch und gutbürgerlich. Arbeiterkinder gibt es kaum, auch | |
| Migranten sind selten. Dabei sind es genau deren Perspektiven, die der | |
| Journalismus dringend braucht. | |
| ## Heute ist Journalismus existenzbedrohend | |
| Mit Kusshand drucken Redaktionen Sozialgeschichten, die „ganz nah“ dran | |
| sind an Milieus, von denen die Redakteure selbst oft keine Ahnung haben: | |
| die Hartz-IV-Familie, die Hinterhofmoschee, die Jugendgang. Man erzählt | |
| Geschichten über die Leute, dabei könnten ebendiese Leute sie selbst besser | |
| erzählen – wenn sie die Chancen hätten, den Beruf zu erlernen. | |
| So aber sind Zeitungen Blätter von der bürgerlichen Mittelschicht für die | |
| bürgerliche Mittelschicht. Früher, als die Zeitung noch Statussymbol war, | |
| war das kein Problem. Heute, wo sie um jeden Leser kämpft, ist das | |
| existenzbedrohend. | |
| In allen Redaktionen brüten Menschen über die Zukunft des Journalismus. | |
| Doch die schlausten Modelle bringen nichts, wenn es keine gut ausgebildeten | |
| Journalisten gibt, die diese umsetzen können. Die Einsparungen an der | |
| Henri-Nannen-Schule sollen an der Ausbildung und ihrer Qualität nichts | |
| ändern, soll Schulleiter Andreas Wolfers seinen Schülern versprochen haben. | |
| Nur: Qualität hat ihren Preis. Wenn Gruner + Jahr, Zeit und Spiegel ihre | |
| Qualität halten wollen, müssen sie in den journalistischen Nachwuchs | |
| investieren – und sich überlegen, wie sie Anwärter gewinnen, die sich die | |
| Ausbildung bisher nicht leisten können. | |
| 9 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Anne Fromm | |
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