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# taz.de -- Streamingdienst startet in Deutschland: Zuhause bei Familie Netflix
> Der Videodienst Netflix ist in Deutschland gestartet. In Berlin
> präsentiert er sich in einer Show-Wohnung: als Angebot für Mutter, Vater,
> Kind.
Bild: Schön gemütlich: Pressegespräch am Dienstag in Berlin.
BERLIN taz | Die typische Netflix-Familie besteht aus Mama, Papa, Sohn und
Tochter. Welch praktischer Zufall: Bietet ein Netflix-Account doch die
Möglichkeit, vier verschiedene Profile anzulegen und parallel zu schauen –
zumindest wenn man die teuerste Abo-Variante für 11,99 Euro monatlich
wählt. Der günstigste Zugang kostet 7,99 Euro.
In einem Apartmenthotel in Berlin-Friedrichshain hat Netflix die Wohnung
der fiktiven Familie nachgebaut: Im Wohnzimmer guckt Vater Artur auf seinem
Flachbildfernseher „House of Cards“ – natürlich ultrahochauflösend. Das
verbraucht zwar große Datenmengen, aber die Netflix' haben einen sehr
schnellen Internetanschluss. Und das Unternehmen hat Verträge mit den
deutschen Anbietern. Bloß keine langen Ladezeiten! Das Menü auf dem
Fernseher ist einfach gehalten. Die Inhalte sollen den Konsumenten finden,
nicht andersherum.
Und weil „House of Cards“ ihn gefunden hat, empfiehlt Vater Artur die Serie
gleich weiter. Nicht persönlich, sondern mit der Fernbedienung. Denn
selbstverständlich sind in der Familie Netflix alle über die Plattform des
Videodienstes miteinander verbunden. Dann macht Artur noch „Shrek" an,
pausiert und verlässt den Raum. Eigentlich wollte Papa auf dem Tablet
weitergucken, findet es aber nicht. Das riecht nach Ärger im Hause Netflix.
In der Ecke des Wohnzimmers liegt noch ein Tablet, aber das gehört der
siebenjährigen Jolina. Sie scrollt durch die Netflix-Kinderecke. Alles FSK
12 hier - und geordnet nach Seriencharakteren. Weil Kinder immer wieder die
gleichen Inhalte sehen wollen. Weiter im Schlafzimmer: Hier guckt Mama
Lucia via Apple TV ebenfalls irgendwas. Und huch, da poppt doch der Tipp
ihres Gatten auf!
Nächste Station: das Jugendzimmer von Till (17). Er schaut über die
Playstation und nebenbei - oh Schreck - auf Papas Tablet! Gut, dass der
seinen „Shrek" an der gestoppten Stelle weitergucken kann.
## Der Chef macht Kaffee
Im ersten Stock des Hauses sitzt Reed Hastings. Er ist der Gründer und Chef
von Netflix. In dieser fiktiven Familie dürfte er so etwas wie der gute
Onkel sein. Hastings bietet Kaffee an, den er gar selbst in der
Kapselmaschine zubereitet, er lächelt viel.
Dabei dürfte dieser Netflix-Starttag in Deutschland recht stressig gewesen
sein: Schon früh war er beim ZDF-„Morgenmagazin“, jetzt all diese Gespräc…
mit Journalisten. Der Nachmittag ist schon erreicht. Abends gibt es noch
eine Party. Doch Hastings ist entspannt. „Es ist so ähnlich wie wenn man
ein Baby bekommen hat“, sagt er, „man merkt gar nicht, dass man viel zu
viel über das Kind redet.“
Und so erzählt Hastings von seinem Baby: von dem Masterplan, möglichst bald
überall auf der Welt mit Netflix präsent zu sein. Dass aber Land für Land
erobert werden müsse, weil es mit den Film- und Serienrechten eben recht
kompliziert sei. Und dass der gewählte Weg, erst nach Großbritannien zu
expandieren, dann in die Niederlande und dann auf den komplizierten
deutschen Markt zu gehen, deshalb genau richtig gewesen sei.
Nun ist er mit Netflix in Deutschland angekommen. Jetzt heißt es für das
Unternehmen aus San Francisco, Daten zu sammeln: Was schaut Artur? Was
schaut Till? Was können wir der Familie noch bieten? Und wie bekommen wir
alle anderen Familien auch dazu, zu Netflix-Familien zu werden?
Hastings macht keinen Hehl daraus, dass seine Firma eine Datenfirma ist –
getrieben von Algorithmen. Ständig wird abgeglichen, welcher Film oder
welche Serie gerade wie viel kostet und wie viele Kunden damit potenziell
erreicht werden könnten. Sobald erwartete Reichweite und Preis
zusammenpassen, schlägt Netflix zu und kauft stets komplette Serien oder
zumindest Staffeln. Dazu kommen die vielen Eigenproduktionen. „Netflix hat
die Originale“, sagt Hastings und lehnt sich auf seinem Sofa zurück. Er
lächelt. Nein, er habe noch nie einen „Tatort“ gesehen.
## ARD wollte den „Tatort“ nicht verkaufen
Im Zimmer nebenan sitzt Ted Sarandos. Er ist weltweit für die Inhalte
zuständig. Seit Januar beschäftigt er sich mit dem deutschen Fernsehen. Er
hat schon mal einen „Tatort“ gesehen. Die Krimiserie hätte Netflix
angeblich gern gehabt. Doch die ARD hat sie nicht verkauft. Sarandos kann
das verstehen: Krimis funktionieren halt auch super als Wiederholungen im
linearen TV.
Aber der durchschnittliche „Tatort“-Zuschauer sei sowieso etwas älter als
der Kunde oder die Kundin, die wohl gleich zum Start zu Netflix-Abonnenten
werden könnten. Verschiedene Zielgruppen, da sind sie wieder: die Zahlen,
die Marktforschung, die Daten.
Denn auch Sarandos kommt schnell zum Datensammeln: Im Moment biete Netflix
noch eine Art „repräsentativen Ausschnitt“ dessen, was den Menschen in
Deutschland wohl gefallen könnte. Doch je mehr hier via Netflix geschaut
wird, desto mehr Daten bekommt das Unternehmen – und desto besser weiß es
über die Vorlieben der Menschen Bescheid. „Sie sagen uns, was sie mögen“,
sagt Sarandos. Nächstes Jahr um diese Zeit werde man deshalb das doppelte
Angebot vorweisen können.
Bevor Sarandos den deutschen Markt studierte, hörte er immer wieder von
einem Mythos: „Das deutsche Fernsehen sei gut genug“, erzählt er ihn nach:
„Hier zahle niemand für Pay-TV.“ Auch er lächelt. „Wir hoffen, dass es
tatsächlich nur ein Mythos ist.“
16 Sep 2014
## AUTOREN
Jürn Kruse
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