| # taz.de -- Streit mit dem Jugendamt: Bezirk droht Roma | |
| > Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg will Roma-Familien ihre Kinder | |
| > wegnehmen, wenn sie weiter im Freien nächtigen. Die | |
| > Integrationsbeauftragte des Senats kritisiert das Vorgehen. | |
| Bild: Die Cuvrybrache in Kreuzberg, auf der auch viele Roma-Familien leben. | |
| Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg setzt die Roma-Familien am Görlitzer | |
| Park und auf der Cuvrybrache unter Druck: Mitarbeiter des Jugendamts | |
| überreichten den Familien Anfang der Woche einen Brief, in dem sie | |
| aufgefordert werden, zumindest für ihre Kinder eine Unterkunft zu suchen. | |
| Diese seien durch das Leben im Freien in Gefahr. „Wir werden in wenigen | |
| Tagen wiederkommen. Sollten Sie dann immer noch mit Ihren Kindern hier | |
| leben und übernachten, werden wir Ihre Kinder in Obhut nehmen“, heißt es in | |
| dem Schreiben, das der taz vorliegt. | |
| Seit Jahren wohnen Roma-Wanderarbeiter im Sommer am und im Görlitzer Park. | |
| Auch auf der Brache an der Kreuzberger Cuvrystraße haben sich Familien | |
| niedergelassen, ohne Wasser und Toilette. Bislang nahm das Jugendamt Kinder | |
| nur in gravierenden Einzelfällen aus den Familien. Jetzt soll offenbar auf | |
| alle Roma Druck ausgeübt werden, die dort ohne festes Dach über dem Kopf | |
| leben. | |
| „Die Familien sind völlig verängstigt“, berichtet Anna Schmitt von der | |
| Hilfsorganisation Amaro Foro. Über zehn Familien hätten den Jugendamtsbrief | |
| erhalten. Darunter seien auch welche, die vor Gericht um eine Unterkunft | |
| für sich kämpfen. | |
| ## Letztes Mittel | |
| Das Jugendamt ist laut Sozialgesetzbuch dazu verpflichtet, ein Kind in | |
| seine Obhut zu nehmen, „wenn eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes“ | |
| das erfordert. Allerdings kann die gewaltsame Trennung von den Eltern für | |
| die Kinder auch traumatisierend sein und wird normalerweise nur als letztes | |
| Mittel angewandt. „Die Obdachlosigkeit muss beseitigt werden, aber für die | |
| ganze Familie“, fordert die Amaro-Foro-Vertreterin Schmitt. Eine | |
| Inobhutnahme bezeichnet sie als „völlig unverhältnismäßig“. | |
| Monika Herrmann (Grüne), Bezirksbürgermeisterin in Friedrichshain-Kreuzberg | |
| und zudem zuständig für die Abteilung Familie, verteidigt das Jugendamt. | |
| „Die Lage ist so extrem geworden, dass wir handeln mussten“, sagt sie. | |
| Anzeigen wegen Kindeswohlgefährdung, Meldungen von Polizei und Ordnungsamt | |
| und Beschwerden von Anwohnern hätten zugenommen. Herrmann sagt, der Bezirk | |
| schicke seit Jahren Familienhelfer und Sozialarbeiter, die den Roma | |
| Unterstützung etwa beim Gang zum Jobcenter anböten. „Die Eltern müssen sich | |
| bewegen. Wenn sich nichts ändert, ist das für die Kinder das Schlechteste.“ | |
| Der Bezirk ist nicht nur gesetzlich verpflichtet, auf das Kindeswohl zu | |
| achten. Er muss für Obdachlose wie die Roma auch Unterkünfte stellen. In | |
| dem Brief des Jugendamts heißt es jedoch: „Wir wissen, dass Sie für sich | |
| und Ihre Kinder dringend eine Wohnung brauchen. Aber wir können keine | |
| Wohnung für Sie beschaffen.“ Herrmann erklärt, Friedrichshain-Kreuzberg | |
| verfüge schlicht nicht über mehr Unterkünfte. Sie räumt ein: „In erster | |
| Linie haben wir ein Wohnungsproblem.“ Deshalb habe sie mehrere Senatoren | |
| per Brief um Unterstützung gebeten, bislang habe keiner geantwortet. | |
| Die Integrationsbeauftragte des Senats, Monika Lüke, sieht in dem Vorgehen | |
| des Bezirks vor allem einen Beweis seiner Hilflosigkeit. Es sei nicht | |
| richtig, Eltern die Kinder wegzunehmen, sagt sie: „Man sollte für die ganze | |
| Familie eine Lösung finden.“ Wenn es in Friedrichshain-Kreuzberg keine | |
| Unterkünfte gebe, müsse man da etwas tun. Lüke verweist auf andere Bezirke: | |
| „Die mieten Hostels an.“ | |
| Amaro Foro bittet das Jugendamt nun um mehr Zeit, um für die betroffenen | |
| Familien doch noch eine Unterbringung zu organisieren – und sei es im | |
| Garten einer Kirche. Monika Herrmann sagt: „Wenn Amaro Foro Möglichkeiten | |
| findet, umso besser.“ | |
| 17 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Antje Lang-Lendorff | |
| ## TAGS | |
| Roma | |
| Kreuzberg | |
| Görlitzer Park | |
| Cuvrybrache | |
| Roma | |
| Kreuzberg | |
| Berlin-Kreuzberg | |
| Cuvrybrache | |
| Görlitzer Park | |
| Görlitzer Park | |
| Görlitzer Park | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Cuvrybrache in Kreuzberg: Der Deal ist geplatzt | |
| Weil der Investor keine Wohnungen bauen will, hat der Senat jetzt ein | |
| Problem. Denn für Gewerbe gibt es eine Baugenehmigung. | |
| Roma in Berlin: Sie leben im „Părăseală“ | |
| In einem Abbruchhaus in einem Berliner Stadtteil wohnen Bogdan, Puiu und | |
| ihre Verwandten. Sie nennen diesen Ort: Verlassenheit. Ein Besuch. | |
| Grüne Bezirksbürgermeisterin in Berlin: Planlos durch Kreuzberg | |
| Ein Spaziergang mit Monika Herrmann, die vor einem Jahr zur | |
| Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg gewählt wurde. | |
| Bezirk droht obdachlosen Familien: „Rumänien ist viel schlimmer“ | |
| Das Campieren im Görlitzer Park ist „elend“, sagen drei Betroffene. Sie | |
| suchen Arbeit und Wohnung – doch jetzt droht das Jugendamt, ihnen die | |
| Kinder wegzunehmen. | |
| Cuvry-Brache in Kreuzberg geräumt: Berlins Favela ist nicht mehr | |
| Die Brache an der Spree, wo seit mehreren Jahren Menschen in Zelten und | |
| Hütten lebten, wird nach einem Feuer geräumt und dem Eigentümer übergeben. | |
| Leben in der Cuvrybrache: Das Gold ihrer Mutter | |
| Canada, eine junge Romni, lebt in Berlin in einem Slum. Sie will nicht | |
| zurück nach Rumänien – aber hier zu bleiben, ist schwer. | |
| Streit um den Görlitzer Park: „Der Aufruf der Initiative ärgert uns“ | |
| Anwohner wollten eine Initiative gründen, um über die Probleme in dem Park | |
| zu sprechen. Sie müssten zunächst über die Ursachen dafür nachdenken, so | |
| ein Kritiker. | |
| Polizeipräsenz im Görlitzer Park: Patrouille gegen frei laufende Hunde | |
| Seit Montag wird das neue Sicherheitskonzept im Görlitzer Park umgesetzt: | |
| Vier Ordnungshüter laufen Streife. Ob ihre Anwesenheit die Drogendealer | |
| schreckt, ist fraglich. | |
| Polizeiaktionen im Görlitzer Park: Streifen, Razzien, Drogenhunde | |
| Im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg wird relativ offen Marihuana | |
| verkauft. Ab nächster Woche will die Polizei die Dealer aus dem Park | |
| langfristig vertreiben. |