# taz.de -- Bezirk droht obdachlosen Familien: „Rumänien ist viel schlimmer�… | |
> Das Campieren im Görlitzer Park ist „elend“, sagen drei Betroffene. Sie | |
> suchen Arbeit und Wohnung – doch jetzt droht das Jugendamt, ihnen die | |
> Kinder wegzunehmen. | |
Bild: Der Görlitzer Park in Kreuzberg ist bei Besuchern sehr beliebt, wenn auc… | |
taz: Frau Rad*, Herr Zamfir* und Herr Marin*, wo leben Sie? | |
Alexandru Zamfir: Wir leben in Zelten im Görlitzer Park. Bis vor kurzem | |
haben die Kinder und ich wegen meines Beins (er zeigt auf seinen am | |
Oberschenkel amputierten Stumpf), im Auto geschlafen. Aber seit das | |
Ordnungsamt unsere Autos abgeschleppt hat, trauen wir uns das nicht mehr. | |
Jetzt schlafe ich in meinem Rollstuhl im Park, alle anderen auf dem Boden. | |
Ioana Rad: Wir kamen im Juni aus Rumänien, wie schon seit vielen Jahren. | |
Bislang sind wir im Winter zurückgegangen, wenn es zu kalt ist, um im Zelt | |
zu leben – weil wir keine andere Möglichkeit hatten. Wir wollen nicht mehr | |
zurück, sondern hier bleiben. Aber im Park ist es elend: Wir können nicht | |
richtig kochen und schlafen, es gibt sogar Ratten! Wir wollen dort nicht | |
sein, wir wollen für unsere Kinder ein besseres Leben. | |
Vorigen Dienstag kamen Mitarbeiter des Jugendamts zu Ihnen und drohten, die | |
Kinder wegzunehmen, wenn Sie keine Unterkunft fänden. Ist dies das erste | |
Mal in all den Jahren? | |
Ioana Rad: Ja, das erste Mal. Sie sagten, sie kämen bald wieder. Seitdem | |
kann ich nicht mehr schlafen. Eigentlich hatte ich schon einen Schulplatz | |
für die Kinder, aber jetzt habe ich Angst, sie hinzuschicken. Vielleicht | |
kommt das Jugendamt dorthin und nimmt sie mit? | |
Hat Ihnen zuvor jemand Hilfe angeboten? | |
Ioana Rad: Nein, bis auf eine Sozialarbeiterin, die uns den Schulplatz | |
besorgt hat. Die Leute vom Jugendamt haben erst gesagt, sie wollten uns | |
helfen, die Kinder zum Arzt bringen. Aber am Ende des Gesprächs gaben sie | |
uns einen Brief, in dem steht, dass sie uns die Kinder wegnehmen, wenn wir | |
in ein paar Tagen noch da sind. | |
Was wünschen Sie sich für Ihre Kinder? | |
Vasile Marin: Vor allem, dass sie zur Schule gehen können. Das ist der | |
Hauptgrund, warum wir nach Deutschland gekommen sind. | |
Ioana Rad: Ja, Schule und eine Wohnung. Wir brauchen irgendeine Form von | |
Zukunft. | |
Waren Sie beim Wohnungsamt? | |
Vasile Marin: War ich. Ich habe gesagt, ich würde auch nach Spandau gehen | |
oder sonst wo hin. Ich habe ein Jahr in der Schule (die besetzte Schule in | |
der Ohlauer Straße, Anm. d. Red.) gelebt. Die anderen Roma aus der Schule | |
haben ja eine Wohnung bekommen. Aber ich war während der Räumung nicht | |
dort, und so bin ich leer ausgegangen. | |
Was sagt das Wohnungsamt? | |
Sie sagen, dass ich keine Wohnung bekomme, so lange ich keine Bescheinigung | |
vom Jobcenter habe (zur Übernahme von Wohnkosten und Hilfe zum | |
Lebensunterhalt, Anm. d. Red.). Beim Jobcenter war ich vor zwei Monaten, | |
seitdem ist der Antrag in Bearbeitung. | |
Wie verdienen Sie Geld? | |
Vasile Marin: Meine Familie sammelt Flaschen im Park. | |
Alexandru Zamfir: Meine auch. | |
Wie viel Geld bringt das ein? | |
Vasile Marin: Am Tag etwa 30 Euro pro Familie. Der Park ist groß, viele | |
Menschen kommen zum Trinken her. | |
Wie leben Sie in Rumänien? Es ist schwer vorstellbar, dass das Leben hier | |
im Park besser sein kann als das Leben dort. | |
Vasile Marin: Dort ist es viel schlimmer. Wir haben gar keine Arbeit – hier | |
können wir wenigstens Flaschen sammeln. Und mit dem Antrag beim Jobcenter | |
haben wir eine kleine Chance. Dazu kommt, dass die Leute in Rumänien sehr | |
rassistisch sind. Sie machen bei allem einen Unterschied zwischen Rumänen | |
und Roma. | |
Ioana Rad: Dort sind wir immer nur die Zigeuner. In der Schule schicken | |
viele Lehrer uns Roma weg. | |
Ihre Kinder können in Rumänien nicht zur Schule gehen? | |
Ioana Rad: Nein, dazu sind wir auch zu arm. Wir haben keine anständige | |
Kleidung für sie, kein Geld für Bücher. | |
Wie werden Sie in Berlin behandeln? Erfahren Sie Rassismus? | |
Vasile Marin: Ja, Polizei und Ordnungsamt sind rassistisch. Das hier (er | |
zeigt auf ein Loch in seiner Jacke) war das Ordnungsamt, als sie uns vor | |
ein paar Wochen aus den Autos gezerrt und sie weggefahren haben. | |
Ioana Rad: Da haben sie auch unsere Kleidung und unser Essen aus den Autos | |
auf die Straße geworfen. Alles, was wir nicht schnell genug wegtragen | |
konnten, wurde weggeschmissen. | |
Haben Sie die Autos wiederbekommen? | |
Vasile Marin: Ja, wir mussten 90 Euro bezahlen, dann konnten wir die Autos | |
irgendwo in Brandenburg abholen. | |
Ioana Rad: Manchmal kommt jetzt nachts die Polizei und weckt uns sehr | |
unfreundlich auf. „Aufstehen, aufstehen!“ Die Kinder weinen, aber wir | |
werden auf die Straße geschickt. | |
Was wollen Sie jetzt tun? | |
Vasile Marin: Ich weiß es nicht. Wenn sie uns die Kinder wegnehmen, bringe | |
ich mich um. Wir wissen nicht, wohin wir sonst gehen können. | |
Alexandru Zamfir: An Herrn Wowereit, an alle Rumänen in Berlin: Helft uns, | |
dass wir irgendeine Unterkunft finden, unsere Kinder in die Schule schicken | |
und arbeiten können. Notfalls tut es auch ein Stück Land. | |
Vasile Marin: Wir bitten auch die Bürgermeisterin von Kreuzberg: Nehmen Sie | |
uns nicht die Kinder weg! | |
*Name geändert | |
Das Gespräch wurde von einer Mitarbeiterin des Vereins Amaro Foro | |
gedolmetscht. | |
21 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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Schwerpunkt Rassismus | |
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Obdachlosigkeit | |
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