# taz.de -- Irakische Flüchtlinge im Libanon: Zuflucht vor den Dschihadisten | |
> Viele irakische Christen flüchten vor der Miliz Islamischer Staat nach | |
> Beirut. Da die Mittel der UNO begrenzt sind, kümmert sich die Kirche um | |
> sie. | |
Bild: Vor der chaldäisch-katholischen Kirche in Beirut: Iraker warten auf Hilfe | |
BEIRUT taz | Mariam wartet in der Halle der chaldäisch-katholischen Kirche | |
ungeduldig darauf, dass ihre Nummer aufgerufen wird. Wie viele andere | |
Iraker floh die 51-Jährige vor der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in | |
den Libanon. Die Kirche ist eine von vielen Anlaufstellen für die | |
irakischen Christen. | |
„Die Gemeinde unterstützt uns finanziell und teilt Essen aus. Hier sind wir | |
gut aufgehoben“, sagt Mariam. Dann zieht sie aus ihrer Handtasche ein paar | |
bunte Karten und legt sie in den Schoß. Es sind Heiligenbilder. „Die | |
Situation im Irak ist katastrophal. Niemand fühlt sich mehr sicher“, fährt | |
Mariam fort, während sie zärtlich über die Ikonenbildchen streicht. „Wir | |
Christen haben große Angst. Meine Heiligen sind das Einzige, was mir noch | |
geblieben ist.“ | |
Im Nebenzimmer sitzt Bischof Michel Kassarji mit seinen Mitarbeitern, die | |
die Anträge der Flüchtlinge bearbeiten. Sein Terminkalender ist voll, denn | |
er bemüht sich ständig um neue Hilfen für die Iraker. Seine Gemeinde | |
kümmert sich um über 1.500 irakische Christen – Tendenz steigend. „Die | |
Iraker erzählen mir, dass all ihre Verwandten und Freunde auch in den | |
Libanon kommen wollen. Aber wir haben schon jetzt große Geldsorgen. Vor | |
allem Unterkünfte und medizinische Versorgung sind teuer“, sagt Bischoff | |
Kassarji. | |
Die Lebenshaltungskosten im Libanon sind deutlich höher als im Irak. Das | |
beklagt auch Tariq, der mit seinen drei Söhnen vor der Tür wartet. „Die | |
IS-Milizen begannen in meinem Dorf zu rauben und zu morden. Wir mussten | |
schnell fliehen und haben fast alles zurückgelassen“, erzählt er. | |
Seine Familie kommt aus Telskuf in der Nähe der Stadt Mossul, die die | |
IS-Milizionäre eingenommen haben. Tariq möchte mit Hilfe der UNO nach | |
Europa. Bereits tausend Flüchtlinge aus dem Irak haben sich beim | |
UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) im Libanon registrieren lassen und hoffen | |
auf baldige Ausreise. Die meisten haben nur ein Touristenvisum und können | |
maximal drei Monate im Libanon bleiben. | |
## Brennende Kreuze in Tripoli | |
Der Libanon ist Flüchtlingsland Nummer eins in der Region. Bereits über 1,1 | |
Millionen Syrer sind vor dem Krieg in das Nachbarland geflohen. Doch nicht | |
alle Flüchtlinge haben dieselben Privilegien: „Die Situation der Iraker | |
unterscheidet sich immens von der der Syrer. Auf sie ist man nicht | |
vorbereitet. Die Syrer erhalten bisher mehr Hilfen von der UNO“, sagt | |
Bischof Kassarji. Deshalb ist seine Kirche für irakische Christen aktiv | |
geworden. „Wir wollen dennoch nicht diskriminieren. Wir helfen auch ein | |
paar Christen aus Syrien und geben Essen an Muslime aus.“ | |
Auch Dar al-Fatwa, die offizielle Vertretung der Sunniten im Libanon, | |
teilte Hilfsgüter an irakische Christen aus. Damit wollen sie ein Zeichen | |
für ein friedliches Zusammenleben setzen. Denn die Anhängerschaft des IS | |
wächst auch im Libanon. In der Hafenstadt Tripoli beschmierten Vandalen | |
Kirchen mit Parolen wie „Der Islamische Staat kommt, um die hinzurichten, | |
die das Kreuz anbeten.“ Daraufhin verbrannten Christen in Beirut öffentlich | |
die schwarze IS-Flagge, als Reaktion brannten Kreuze in Tripoli. Politiker | |
und Geistliche rufen zur Mäßigung auf. | |
Die Nummer vier wird aufgerufen. Mariam und eine andere Frau springen auf. | |
Mit scharfer Zunge macht Mariam der Rivalin klar, dass sie an der Reihe ist | |
und rauscht in das Verwaltungszimmer. Enttäuscht lässt sich Seta zurück in | |
den Sitz fallen. Sie kommt aus Bagdad. „Explosionen, Mord, das Blut in den | |
Straßen – ich habe es nicht mehr ausgehalten,“ erinnert sie sich. Auch Seta | |
hofft, dass sie bald nach Europa reisen kann. Denn einen Langzeitplan für | |
die irakischen Flüchtlinge im Libanon, bestätigt Bischof Kassarji, gibt es | |
nicht. | |
22 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Juliane Metzker | |
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