| # taz.de -- Netzwerk für „Silver Surfer“: Kater. Sonnenaufgang. Baumschnit… | |
| > „Seniorbook“ bringt Menschen in der zweiten Lebenshälfte digital in | |
| > Kontakt – für die gemeinsame Besichtigung eines Doms oder Kochabende. | |
| Bild: Oma online | |
| Ein Sonntagmorgen bei Seniorbook. In Braunschweig hat es Eberhard heute | |
| früh aus dem Bett getrieben. „Oh Leute“, schreibt der Pensionär auf das | |
| schwarze Brett, „mir geht’s nicht gut … Zu viel Cola Whisky gestern Abend… | |
| Ulrike aus dem Rheinland notiert: „Die einen gehen nachts saufen, die | |
| anderen haben wilden Sex, und ich lade mein Handy.“ Christos fragt | |
| schließlich, ob sich „Mann Brust und Achselhaare abrasieren“ sollte. Nach | |
| wenigen Stunden sind dazu 500 Kommentare aufgelaufen. | |
| Seit zwei Jahren vernetzt Seniorbook ältere Menschen. Auch hier geht es oft | |
| nicht anders zu als in den übrigen Ecken des Internets: ziemlich banal. | |
| Warum auch nicht – bloß weil die Nutzer hier schon 50 oder 60 Geburtstage | |
| hinter sich haben? Auf der „Fotowand“, neben dem schwarzen Brett das zweite | |
| zentrale Instrument des Portals, laden Nutzer fleißig Sonnenaufgänge aus | |
| ganz Deutschland hoch. Britta lässt hingegen lieber tief blicken – und | |
| Armin freut’s: „Wow, Brüste! Und das so früh schon am frühen Sonntagmorg… | |
| … *Augenreib*“ | |
| Auf höherem Niveau wird auf den Diskussionsforen zur Gartenpflege oder zu | |
| Problemen in der Familie diskutiert. Was sich die Nutzer untereinander | |
| schreiben, kann nicht öffentlich eingesehen werden – wie bei anderen | |
| sozialen Netzwerken auch. | |
| Hinter Seniorbook steht Alois Erl, ein Bauunternehmer aus Niederbayern. Er | |
| kennt sich mit der Zielgruppe des Portals aus – weil er selbst dazugehört | |
| und weil er seit Jahren Seniorenheime aus dem Boden stampft. 3 Millionen | |
| Euro hat er in das Digitalgeschäft gesteckt, hat Markus, einen seiner | |
| Söhne, dort beschäftigt und Thomas Bily dazugeholt, der lange beim | |
| Burda-Verlag gearbeitet hat. | |
| ## Die Zukunft der Netzwerke | |
| „Es gibt diese Phase, wo man die Ärmel hochkrempelt und sagt: Jetzt will | |
| ich es noch mal wissen“, sagt Bily. „Jetzt habe ich Zeit, jetzt habe ich | |
| vielleicht sogar ein bisschen Kleingeld, und ich habe vor allem auch keine | |
| Angst mehr.“ Spricht Bily, selbst noch keine 50 Jahre alt, über seine | |
| Nutzer, dann hört sich das auch immer ein wenig danach an, als spräche er | |
| über sich selbst. | |
| Facebook bringe vor allem Menschen zusammen, die sich im analogen Leben | |
| bereits kennen, sagt Bily. Sein Portal vernetze hingegen, wer neue Kontakte | |
| suche – weil die Kinder nun ausgezogen oder aber weil der Partner | |
| abhandengekommen sei. Auf Seniorbook sollen sie Hobbys entdecken und neue | |
| Leute treffen. Und tatsächlich: Die Liste der „Nutzertreffen“ ist lang – | |
| von der Besichtigung eines Doms bis zum gemeinsamen Kochabend. | |
| Experten für soziale Netzwerke belächeln den jungen Dienst für ältere | |
| Nutzer noch immer wieder. Aber nicht alle. Martin Fuchs, der Verbände und | |
| Politiker bei der Präsenz im Netz berät und sich dafür ausgiebig mit ganz | |
| unterschiedlichen Portalen beschäftigt, findet, Seniorbook habe „eine | |
| spannende Zielgruppe aufgetan, die sich in den großen Netzwerken wie | |
| Twitter und Facebook nicht zu Hause fühlt und fremdelt, aber trotzdem immer | |
| stärker den Wunsch hat, sich auch digital auszutauschen“. Fuchs ist | |
| überzeugt: „Homogenen Zielgruppen in abgegrenzten Netzwerken wird die | |
| Zukunft gehören.“ | |
| 140.000 aktive Nutzer habe Seniorbook, sagt Bily, 200 neue gewinne man pro | |
| Tag dazu. Der einstige Verlagsmanager rechnet das noch in klassischen | |
| Dimensionen um: Sein Netzwerk sei „so groß wir eine ordentliche | |
| Monatszeitschrift“. Der Verkauf von Werbeplätzen bringe genug ein, um die | |
| laufenden Kosten zu decken – Technik, Miete und vor allem 15 Mitarbeiter. | |
| Der Verkauf spezieller „Grußbotschaften“ könnte weiteres Geld bringen. | |
| Ab dem kommenden Jahr, dem dritten seit seiner Gründung, soll Seniorbook | |
| Geld verdienen, so strebt es Bily an. Denn ob nun mit Seniorenheimen im | |
| Analogen oder mit der Heimat für ältere Nutzer im Digitalen: Am Ende geht | |
| es bei vor allem ums Geschäft. | |
| 6 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Bouhs | |
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