| # taz.de -- Deutscher Buchpreis für Lutz Seiler: Hiddensee siegt im Inselduell | |
| > Das war zu erwarten: Den Deutschen Buchpreis 2014 erhält Lutz Seiler für | |
| > seinen poetischen, aber bisweilen auch ostnostalgischen Roman „Kruso“. | |
| Bild: Zu DDR-Zeiten war sie eine Destination auf der Suche nach innerer Freihei… | |
| Lutz Seiler heißt der Träger des Deutschen Buchpreises des Jahres 2014. | |
| Diese Entscheidung ist am Montag um 19 Uhr feierlich im Frankfurter Römer | |
| bekannt gegeben worden. Innerhalb der Literaturszene löste das keine | |
| Überraschungen aus, es war die allgemein erwartete Wahl. So sehr erwartet, | |
| dass sogar das Wort „langweilig“ fiel. Aber das muss die Leser ja nicht | |
| kümmern. | |
| Schon vor Verkündung des Preisträgers stand Seilers Roman „Kruso“ auf der | |
| Bestsellerliste. Mit dem Anschub der Auszeichnung könnte sich nun einmal | |
| wieder ein hochliterarischer Titel bis auf Platz eins vorarbeiten. Das kann | |
| einen auch für den durch gerichtliche Auseinsetzungen gebeutelten | |
| Suhrkamp-Verlag freuen, der nach Uwe Tellkamps „Turm“ mal wieder einen | |
| großen Verkaufserfolg zu verzeichnen hätte. | |
| „Kruso“ spielt auf der Ostseeinsel Hiddensee 1989, also im letzten Jahr der | |
| DDR. Aussteiger, verkrachte Existenzen und Menschen, denen im real | |
| existierenden Sozialismus eine Karriere verbaut ist, suchen dort als | |
| Kellner und Tellerabwäscher die innere Freiheit innerhalb des Regimes. | |
| Seiler erzählt das in einer verdichteten, oft gleichsam körperlich | |
| dampfenden Sprache, und zu den schönen Ironien dieses Romans gehört, dass | |
| die Inselbewohner so sehr mit sich beschäftigt sind, dass sie beinahe den | |
| Mauerfall verpassen – nur ein unzuverlässiges Küchenradio namens Viola | |
| versorgt sie mit den Nachrichten aus der großen weiten Welt. | |
| Traumata werden verarbeitet. Die Landschaft wird besungen. Gedichte werden | |
| rezitiert. Man kann die Wendung „poetische Sprache“ verwenden. „Kruso“ … | |
| ein Roman, bei dem der Literaturbetrieb mit der Zunge schnalzt. Tatsächlich | |
| gibt es an diesem Roman vieles zu bewundern. Mit seiner Mischung aus | |
| Dritter-Weg-Suche und Pfadfinderromantik hat er aber auch etwas durchaus | |
| Ostnostalgisches. Und das Männerbündische an dem Buch kann einem | |
| gelegentlich auch auf die Nerven gehen. Er ist schon sehr deutsch, dieser | |
| Roman – der erste des 1963 geborenen Autors Lutz Seiler, der bislang durch | |
| Gedichte und Erzählungen von sich reden gemacht hat. | |
| ## Wichtige Titel schafften es nicht mal auf die Longlist | |
| Damit ist nun ein Auswahlverfahren zu Ende gegangen, dass die Buchszene | |
| dieses Jahr ziemlich in Atem gehalten hat. Wichtige und auch | |
| vielbesprochene Titel hat die diesjährige Buchpreisjury gar nicht erst auf | |
| der Longlist berücksichtigt. Zu nennen wären unbedingt Nino Haratischwilis | |
| zugegeben dicker, aber auch überaus lesenswerter 1.300-Seiten-Roman „Das | |
| achte Leben“ und Michael Kleebergs sprachlich brillantes Werk „Vaterjahre�… | |
| in dem der deutschen Wohlstandsgesellschaft versiert der Spiegel | |
| vorgehalten wird. Und die große Entdeckung der Longlist, Esther Kinskys so | |
| eigenwilliger, wie faszinierender Roman „Am Fluss“ schmiss die Jury dann | |
| auf der Shortlist wieder aus dem Rennen. | |
| So war man mit einer Shortlist konfrontiert, auf der am Schluss nur einer | |
| gewinnen konnte: eben Lutz Seiler. Nennbare Chancen hatte außer ihm nur | |
| noch Thomas Hettche mit seinem Buch „Pfaueninsel“, einer klugen | |
| historischen Fantasie über ein preußisches Idyll zwischen Berlin und | |
| Potsdam. Die deutschsprachige Literatur dieses Herbstes ist auf alle Fälle | |
| vielfältiger, als es das eindeutige Votum für Lutz Seiler nun nahelegt. Man | |
| kann nur hoffen, dass der Preisträger nun nicht alle Aufmerksamkeit auf | |
| sich zieht. | |
| 6 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Dirk Knipphals | |
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