# taz.de -- Nobelpreis für Medizin: Rasterzellen zur Orientierung | |
> Für die Entdeckung des Orientierungssinnes im Gehirn erhalten drei | |
> Neurophysiologen den Nobelpreis für Medizin. | |
Bild: May-Britt und Edvard Moser 2008 mit Versuchstieren in ihrem Trondheimer L… | |
NEUSS taz | Das menschliche Gehirn, früher von Biologen grob unterteilt in | |
Klein- und Großhirn, später noch in rechte und linke Hirnhälfte, ist seit | |
einigen Jahrzehnten begehrtes Objekt wissenschaftlicher Untersuchungen. So | |
wundert es nicht, dass der diesjährige [1][Nobelpreis für Medizin] drei | |
Neurophysiologen verliehen wird. Der gebürtige US-Amerikaner John O’Keefe | |
(74) und das norwegische Ehepaar May-Britt (51) und Edvard Moser (52) sind | |
wegen ihren Forschungen zum Orientierungssinn vom Nobelpreiskomitee | |
ausgewählt worden. | |
Schon 1971 entdeckte O’Keefe bei Tierversuchen, dass bestimmte Areale im | |
Hirn einer Ratte aktiv werden, wenn sie sich an einem bestimmten Ort ihrer | |
Behausung befindet, andere Areale, wenn sie ihren Standort wechselt. | |
Sogenannte Platzzellen zeichnen im Hirn eine innere Karte des Umfelds. | |
May-Britt und Edvard Moser forschten 1995 einige Monate zusammen mit | |
O’Keefe am University College in London und entdeckten später im heimischen | |
Trondheim eine andere Art von Hirnzellen, die sogenannten Rasterzellen. | |
Während die Platzzellen einzelne Punkte markieren, schaffen die | |
Rasterzellen das Koordinatensystem dazu. Zusammen bilden diese Zellen den | |
Orientierungssinn. Dass diese Hirnfunktion nicht nur bei Ratten, sondern | |
auch bei Menschen vorhanden ist, konnten die drei Wissenschaftler ebenfalls | |
belegen. | |
Aber nicht nur die geografische Lage von Orten könne gespeichert werden, | |
berichtete May-Britt Moser. Auch Erinnerungen an Geschehnisse würden an die | |
Ortsinformation geknüpft. So sei ein weit verbreitetes Phänomen zu | |
erklären: In der Küche beschließt man, etwas aus dem Keller zu holen, hat | |
dort aber vergessen, was man holen wollte. Die Wahrscheinlichkeit, so | |
May-Britt Moser, dass man sich in der Küche wieder daran erinnern könne, | |
sei groß. | |
Göran K. Hansson, Sekretär des Stockholmer Nobelpreiskomitees, sieht in den | |
Untersuchungen der drei Forscher mehr als die Entdeckung eines biologischen | |
GPS. Es sei „das erste Mal, dass wir eine höhere Hirnfunktion verstehen, | |
eine, die bis zu unserem Bewusstsein reicht und zeigt, wie dieses in den | |
Verbindungen zwischen den Nervenzellen verdrahtet ist“, erklärt Hansson | |
gegenüber der dpa. | |
Die Forschungsergebnisse der drei Preisträger, die auch Psychologie | |
studierten, deuten also auf den Wunsch hin, die Persönlichkeit eines | |
Menschen mikroskopisch untersuchen zu können. Doch dieser Wunsch ist in | |
manchen Teilen bereits Wirklichkeit geworden. Inzwischen werden in | |
klinischen Versuchen bei Menschen Hirnschrittmacher eingesetzt, die | |
mithilfe elektrischer Impulse Parkinson-Erkrankungen, Depressionen und | |
Zwangsstörungen behandeln sollen. | |
## Hoffnung auf Therapien | |
Die Entdeckung der Platz- und Rasterzellen war also erst ein Anfang. Schon | |
jetzt knüpft man an die prämierten Forschungsergebnisse die Hoffnung, | |
Alzheimer-Patienten helfen zu können. Diese leiden im Frühstadium ihrer | |
Erkrankung häufig an Orientierungslosigkeit. In ferner Zukunft wäre es | |
denkbar, diesen Funktionsausfall des Hirns reparieren zu können. | |
Heftig kritisieren indes Tierschützer die Forschung von O’Keefe und dem | |
Ehepaar Moser. Die Tierschutzorganisation Peta erklärte, die Auszeichnung | |
an Wissenschaftler, „die jahrzehntelang unzähligen Tieren fürchterliche | |
Schmerzen zufügten“, stehe im Widerspruch zu den Werten des Nobelpreises. | |
Der Schädel der Versuchstiere sei bei den Experimenten durchbohrt und ihr | |
Gehirn durch giftige Injektionen vernichtet worden. Anschließend seien sie | |
getötet worden, so Peta. | |
Die Sprecherin der norwegischen Tierschutzallianz Live Kleveland berichtet, | |
dass die Preisträger bei ihren Experimenten Instrumente in die Köpfe von | |
Ratten implantiert und dabei teilweise ihre Gehirne zerstört hätten. Man | |
habe jahrelang vergeblich versucht, diese Experimente juristisch zu | |
stoppen. Es sei traurig, dass solche Forschungen mit dem Nobelpreis belohnt | |
würden. | |
10 Oct 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/medicine/laureates/2014/press.html | |
## AUTOREN | |
Lutz Debus | |
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