# taz.de -- Facharzt über Social Freezing: „Eine Garantie gibt es nicht“ | |
> Reinhard Hannen, Facharzt vom Kinderwunschzentrum Berlin, über Kosten, | |
> Nutzen und Risiken von eingefrorenen Eizellen. | |
Bild: Frauen, die ihren Kinderwunsch auf später verschieben wollen, können ih… | |
taz: In welchem Alter macht es für eine Frau Sinn, Eizellen vorsorglich | |
einzufrieren? | |
Reinhard Hannen: „Social Freezing“ ist eigentlich etwas für junge Frauen, | |
die zwischen 20 und 30 Jahre alt sind, weil dann die meisten Eizellen zu | |
gewinnen sind. Danach wird die Chance immer geringer. Nach dem Auftauen | |
sind von zehn Eizellen im Schnitt acht nutzbar. Wenn eine Frau nur zwei | |
Eizellen hat, kann es sein, dass die Patientin keine nutzen kann. Man darf | |
das Verfahren auch nicht in den Himmel loben. Aufgrund fehlender | |
Statistiken kann man keine Chancen ausrechnen. | |
Wie verläuft das Prozedere? | |
Nach der ausführlichen Beratung kriegt die Patientin Hormonspritzen, es | |
folgt eine Blutabnahme und ein Ultraschall. Verkürzt gesagt. Am zwölften | |
Zyklustag bekommt sie eine Auslösespritze, die eisprungfördernd wirkt. Die | |
ermöglicht es dem Ei sich von der Folikelwand zu lösen. Zwei Tage später | |
wird die Eizelle unter leichter Narkose transvaginal mittels | |
ultraschlallgesteuerter Eibläschenpunktion entnommen. Die Eizellen werden | |
herausgesaugt, in ein warmes Medium gebracht, untersucht und schließlich | |
schockgefrostet. Es hängt vom Alter ab, aber im Durchschnitt werden pro | |
Prozedere zwölf Eizellen entnommen. | |
Wovon hängen die Erfolgsaussichten ab? | |
Die Auftaurate liegt bei etwa 80 Prozent. Es kommt aber für die | |
Erfolgsquote nicht nur auf die Eizellanzahl, sondern auch auf die | |
Eizellqualität, die Befruchtungsmöglichkeit der Eizellen mit dem Sperma des | |
Partners und natürlich die Einnistungsrate in der Gebärmutter an. Das ist | |
also eine abnehmende Stückzahl. | |
Also gibt es keinerlei Garantie, dass man tatsächlich schwanger wird? | |
Von „Fertility Insurance“ zu reden und so zu tun als könnte nichts schief | |
gehen – das ist grundfalsch, eine Garantie gibt es nicht und da muss man | |
total aufpassen. Man sollte die Familienplanung nicht ewig nach hinten | |
ziehen. Es geht ja nicht nur um die Eizellen, es geht auch um die Qualität | |
von Sperma, Embryo und Einnistung. Es geht um | |
Schwangerschaftskomplikationen, die im Alter zunehmen oder soziale | |
Probleme. Wer da etwas verspricht, der lehnt sich zu weit aus dem Fenster. | |
Wie hoch sind die Kosten der Prozedur? | |
Das kommt sehr auf das Alter der Patientin an und darauf, welche | |
Medikamente man benutzt. Im Schnitt 8.000 Euro. Das kann man aber nur | |
schwer sagen, es kann je nach Behandlung günstiger oder teurer sein. Man | |
muss auf jeden Fall mit einigen tausend Euro rechnen und dann eben auch | |
noch die Lagerungskosten von etwa 300 Euro pro Jahr bedenken. | |
Wie lange kann man die Eizellen dann einsetzen? | |
Es gibt grundsätzlich ein relatives Limit, das nicht nur durch das Alter | |
begrenzt ist, sondern auch durch die Lagerungskosten. Für zehn Jahre sind | |
das 3.000 Euro – da überlegt man sich schon mal, wie lange man das macht. | |
Dass bald viele Frauen kommen, die mit 45 oder 50 schwanger werden wollen, | |
wird glaube ich so nicht passieren. | |
Welche Risiken hat der Eingriff? | |
Wenn man zu viele Medikamente gibt, kann es sein, dass die Frau zu viele | |
Eier hat. Das nennt man Überstimulation. Dann kann sich Wasser im Bauch | |
oder in der Lunge bilden. Bei der Scheidenpunktion können Keime verschleppt | |
werden, man kann ein Gefäß treffen, man kann ein Blutgefäß bei der | |
Eizellabsaugung treffen, dann kommt es zu Blutungen. Man kann den Darm | |
anritzen oder die Blase, dann kommt es zu einer Infektion. Wir machen das | |
jeden Tag, wir haben sehr viel Erfahrung und wenig Komplikationen. Aber man | |
muss die Patientinnen gut aufklären. | |
Aus welchen Gründen wollen Frauen in Ihrer Praxis ihre Eizellen einfrieren | |
lassen? | |
Bei uns wird das „Social Freezing“ für junge Patienten kaum nachgefragt. Es | |
ist eher so, dass Patientinnen aus medizinischen Gründen zu uns kommen, | |
beispielsweise wenn eine Erkrankung der Eierstöcke vorliegt. Die versuchen | |
dann die Restaktivität zu nutzen. Oder es kommen Frauen, die eine | |
Krebserkrankung haben und vor einer Chemotherapie ihre Eizellen einfrieren | |
wollen. | |
17 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Saskia Hödl | |
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