| # taz.de -- Flüchtlinge im Münchner Olympiastadion: Feldbett im VIP-Bereich | |
| > Die regulären Unterkünfte in München sind überlastet. Deshalb werden | |
| > Flüchtlinge von der Stadt nun im Olympiastadion untergebracht. | |
| Bild: Betten für Flüchtlinge – das Olympiastadion in München im Oktober 20… | |
| MÜNCHEN taz | Ein mal zwei Meter Stockbett – mehr Privatsphäre gibt es | |
| nicht. Wenn die Flüchtlinge in der Münchner Bayernkaserne ihren Arm | |
| ausstrecken, ist der im Gesicht ihres Nachbarn, so eng stehen die Betten. | |
| Es ist nur ein Blick durch das Zaungitter. | |
| Kaum haben die Sicherheitskräfte den Journalistenblock entdeckt, wedeln sie | |
| den unbeliebten Besucher nach draußen. Auf die Flüchtlinge wirkt er wie ein | |
| Magnet. Aus Mahmud, klein mit gewellten schwarzen Haaren, sprudelt es auf | |
| Arabisch. Sein Freund übersetzt: „Kranke schlafen neben Gesunden.“ Mahmud | |
| zeigt einen Ausschlag am Arm. Sie leben „wie die Tiere“. Sein Freund wohnt | |
| in Haus 28 zusammen mit 50 anderen Flüchtlingen. Eine Toilette gibt es dort | |
| nicht. | |
| Mit 17 Jahren flüchtete Mahmud aus Syrien, drei Jahre war er unterwegs. Als | |
| bei der Überfahrt im Boot das Wasser ausging, trank er das salzige | |
| Meerwasser. Vor 12 Tagen erfüllte sich sein Traum, er war in Deutschland. | |
| Auf dem bunt bemalten Tor der Bayernkaserne leuchtete ihm eine rote Sonne | |
| entgegen, auf der Mauer steht: „Free World“. | |
| Ein Bett hatte diese Welt Mahmud nicht zu bieten. Zusammen mit etlichen | |
| anderen schlief er in Oktobernächten vor der Kaserne im Freien, manche | |
| waren ohne Decken. Mahmud war auch in Italien, das bis jetzt als | |
| Katastrophenland für Flüchtlinge galt, für Mahmud ist es Deutschland. | |
| ## Warnungen vor Überfüllung | |
| Vor zwei Wochen protestierten die Flüchtlinge vor der Bayernkaserne. Sie | |
| steht für das Versagen der deutschen Flüchtlingspolitik. Eigentlich ist sie | |
| für 1.200 Flüchtlinge ausgelegt, bis vor Kurzem waren es doppelt so viele. | |
| Sie schliefen in alten Werkstätten und Garagen. Sie warteten bis zu zwei | |
| Stunden auf ihr Essen. | |
| Obwohl Sozialarbeiter schon letztes Jahr vor Überfüllung warnten, stockte | |
| die Regierung ihr Personal nicht ausreichend auf. Höchstens 100 Flüchtlinge | |
| können pro Tag zur Gesundheitsprüfung, seit Anfang Juli kamen 300 täglich. | |
| Etliche erzählen, sie hätten auch nach einem Monat keinen Arzt gesehen. | |
| Das größte Problem sei aber die Registrierung, sagt ein Sprecher der | |
| Regierung von Oberbayern. Sie ist das Nadelöhr, vor dem sich die | |
| Flüchtlingsmassen stauten und den Betrieb zusammenbrechen ließen. Erst wenn | |
| die Neuankömmlinge ihre Formulare haben, können sie in andere Einrichtungen | |
| weitergeleitet werden. Nur zehn Schalter gibt es in der Bayernkaserne, die | |
| sich strikt an die deutschen Bürozeiten hielten. Bis vor Kurzem waren sie | |
| am Wochenende geschlossen. Unzählige übernachteten wie Mahmud im Freien. | |
| ## Flyer von Rechtsradikalen | |
| Diese „menschenunwürdigen Zustände“ wollte Münchens Oberbürgermeister | |
| Dieter Reiter (SPD) nicht mehr akzeptieren. Er pfiff auf Zuständigkeiten | |
| und nahm der bayerischen Staatsregierung das Heft aus der Hand, weil diese | |
| „absolut versagt“ habe. In die Bayernkaserne sollen nun keine neuen | |
| Flüchtlinge mehr aufgenommen werden. Reiter stellte der Regierung | |
| zusätzliche Mitarbeiter der Stadt zur Verfügung. Auch, um die große | |
| Hilfsbereitschaft der Münchner nicht zu gefährden. In der Nachbarschaft | |
| wurden schon Flyer mit rechtsradikalen Parolen verteilt. | |
| Wie eine schnellere Hilfe aussehen kann, ist nun im Münchner Olympiapark zu | |
| beobachten. In nur wenigen Tagen hat die Stadt das ehemalige Fußballstadion | |
| mit dem berühmten Spinnennetz-Dach für Flüchtlinge hergerichtet. Vor dem | |
| Stadioneingang sitzen drei Flüchtlingskinder, über ihnen ein türkisfarbenes | |
| Schild: „Herzlich Willkommen. VIP-Eingang“. | |
| Wo früher Beckenbauer und Co ihre Häppchen eingenommen haben, ist jetzt die | |
| Essenausgabe. Acht Flüchtlinge sitzen hier und blicken auf einen der drei | |
| Flachbildschirme. Im Treppenhaus ein Zettel, auf den ein Duschkopf gemalt | |
| ist. Der Pfeil daneben führt zu den alten Mannschaftsduschen des FC Bayern. | |
| Nur ein paar Schritte von hier und die Flüchtlinge stehen mitten im | |
| Stadion. Hier spielen die Flüchtlinge Fußball. | |
| Rund 100 Flüchtlinge sind bis jetzt aus der Bayernkaserne verlegt worden, | |
| Platz ist für 180. In zwei großen Räumen sind Feldbetten aufgebaut. Sie | |
| stehen genauso wie in der Bayernkaserne eng an eng. Privatsphäre gibt es | |
| auch hier nicht. Aber Männer und Frauen können getrennt schlafen. | |
| Mitarbeiter sind gerade dabei, milchige Folie an die Glasfront im | |
| Frauenraum zu kleben. Auch sie sind von der Stadt München, bezahlt werden | |
| sie aber vom Freistaat. Schließlich ist der für Flüchtlingspolitik | |
| zuständig – zumindest theoretisch. | |
| 22 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Lisa Schnell | |
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