# taz.de -- Ebola-Tagebuch – Folge 35: „Angst hat jeder von uns“ | |
> Für die Mission gegen Ebola bildet die Bundeswehr die ersten Freiwilligen | |
> aus. In nur fünf Tagen sollen sie auf vier Wochen Westafrika vorbereitet | |
> werden. | |
Bild: Die ersten 33 Freiwilligen lernen medizinische Grundlagen, Infektionsbek�… | |
APPELN taz | Der Pressebeauftragte der Bundeswehr bittet darum, die Namen | |
der Freiwilligen abzukürzen. „Sonst rufen hinterher Leute bei der Familie | |
an und sagen: Dein Mann ist an Ebola gestorben“, sagt er. Es ist sonderbar, | |
man würde erwarten, dass den Freiwilligen eine Woge des Wohlwollens | |
entgegenrollt. Doch die Teilnehmer sagen, es gebe vor allen die zwei | |
Reaktionen auf ihre Mission: Respekt und Befremden. | |
Offenkundig stolz ist Nils-Alexander Simon, der Leiter des ersten | |
„Intensivkurses der Bundeswehr für freiwillige Helfer der humanitären | |
Hilfsmission zur Bekämpfung von Ebola“. So heißt das Programm, das die | |
Bundeswehr am Donnerstag in Appen im Kreis Pinneberg vorstellte. | |
„Am 22. September hat die [1][Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen | |
den Befehl zur Anwerbung] von Freiwilligen gegeben – einen Monat später | |
haben wir die ersten ausgebildet“, sagt Simon. Das sei schnell, denn allein | |
die für die Region nötigen Impfungen bräuchten einen Vorlauf von mehreren | |
Wochen. | |
Zuvor, bei der Fragerunde für die Presse, bemängelten einige Journalisten, | |
dass der Einsatz so spät käme. „Die Seuche ist definitiv unterschätzt | |
worden“, hatte ein Oberstarzt auf dem Podium geantwortet. Nun handelt man | |
und bildet Freiwillige aus, zunächst 33 Teilnehmer. Bis Ende November will | |
man noch drei Kurse für bis zu 160 weitere Teilnehmer anbieten. | |
## 785 Bewerber kommen infrage | |
Die ersten Helfer sollen Mitte oder Ende November nach Westafrika reisen | |
und dort vier Wochen tätig sein. Der Einsatz, und das ist ein Novum, wird | |
vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) geführt, die Bundeswehr „ordnet sich ein“, | |
so heißt es. | |
Für die Hilfsmission sucht man derzeit sowohl medizinisches als auch | |
Unterstützungspersonal. Beim Verteidigungsministerium sollen sich bislang | |
3.400 Leute gemeldet haben, nach Prüfung von zwei Dritteln der Bewerbungen | |
kämen 565 Personen für einen Einsatz infrage. Beim Roten Kreuz, das | |
ebenfalls Freiwillige ausbildet, fragten 1.900 Menschen an, davon seien 220 | |
geeignet. | |
Es zählen Auslandserfahrung und die berufliche Ausbildung. Dass ganze 785 | |
Bewerber infrage kommen, sei „keine schlechte Quote“, sagt Dirk Kamm, der | |
Leiter des Bereichs Katastrophenmanagement des DRK. Erst einmal sei man | |
damit gut ausgestattet. | |
In dem fünftägigen Kurs lernen die Freiwilligen medizinische Grundlagen, | |
Infektionsbekämpfung, den Umgang mit der Schutzausrüstung, die Betreuung | |
von Sterbenden, Stressbewältigung und Landeskundliches. Darunter, so sagt | |
es der Oberstarzt, falle auch die Frage nach der eigenen Sicherheit. Die | |
Helfer müssten sich darauf einstellen, auf eine teils verängstigte | |
Bevölkerung zu treffen. | |
## Appen und Monrovia | |
In der Kaserne in Appen darf sich die Presse ansehen, wie die ersten | |
Freiwilligen das Entseuchen der Schutzanzüge üben. „Es könnte auch eine | |
Halle in Monrovia sein“, sagt der Pressebeauftragte der Bundeswehr, „dort | |
wird das auch drinnen stattfinden.“ Aber wer kann sich in Appen schon | |
Monrovia vorstellen. [2][Liberia ist zusammen mit den Ländern Guinea und | |
Sierra Leone] am stärksten vom Ausbruch der Seuche betroffen. Nach Angaben | |
der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben sich bislang etwa 10.000 | |
Menschen angesteckt. | |
Die Gestalten in den blauen Seuchenschutzanzügen, stehen da wie | |
eingefroren. Jeweils zwei Teilnehmer zusammen, der eine hält eine | |
Sprühpistole, der andere hebt beide Hände, als würde er sich ergeben. Die | |
Fotografen knipsen, anschließend dürfen vier der Freiwilligen befragt | |
werden. | |
Christoph K. stammt aus Brandenburg, ein schmaler, zurückhaltender Mann, | |
der im Technikbereich der Bundeswehr arbeitet. Er war bereits im Kosovo in | |
einem Einsatz, im vergangenen Jahr hat er in Afghanistan gearbeitet. „Ich | |
möchte etwas Sinnvolles tun“, sagt er. Ob er das in der Bundeswehr etwa | |
nicht täte, fragen die Journalisten. | |
„Natürlich tue ich etwas Sinnvolles“, sagt er, „aber dort ist der Grad d… | |
Sinnes höher.“ Nach Afghanistan ist er mit dem 31. Kontingent gekommen, in | |
Westafrika wird er zum ersten gehören. Wie er den Einsatz seinen Kindern | |
beigebracht habe? Der Tochter habe er es erklärt, sagt Christoph K., dem | |
siebenjährigen Sohn werde er sagen, dass er zur Arbeit gehe. | |
## Kaum jemand reagiert positiv | |
Eine Journalistin will wissen, wie er mit den Bildern vor Ort umgehen | |
werde. „Wenn man sich vorbereitet“, sagt Christoph K., „sollte es möglich | |
sein.“ Dann ziehen einige der Journalisten weiter, und K. sagt, dass | |
eigentlich kaum jemand positiv darauf regiert habe, dass er sich für den | |
Einsatz gemeldet hat. „Die meisten sind befremdet“, sagt er, sie fragten, | |
ob er verrückt geworden sei. Schließlich fallen ihm doch noch positive | |
Reaktionen ein: „Mein Arbeitgeber, mein Chef, die stecken da anders drin.“ | |
Geht es nach den Plänen von Bundeswehr und Rotem Kreuz, so werden die | |
Freiwilligen nur einen kleinen Teil, rund 10 oder 20 Prozent der | |
Mitarbeiter in den Kliniken vor Ort stellen. Dirk Kamm vom DRK rechnet mit | |
300 Mitarbeitern, um eine Isolierstation für 100 Patienten zu betreiben. | |
Die Suche nach den restlichen Mitarbeitern für die geplante Station in | |
Monrovia nennt er „durchwachsen“, das Reservoir sei begrenzt. Das Ziel | |
seien 60 bis 80 Betten. „Die Tragik ist, dass man sich schwerpunktmäßig um | |
die Isolation kümmert“, sagt Kamm. Kurativ machen sie hingegen sehr wenig. | |
Claudia O. ist eine weitere Freiwillige, eine Bundeswehrärztin, die gerade | |
ihre Weiterbildung in Tropenmedizin macht. Sie entschuldigt sich bei einem | |
Fernsehreporter, für dessen Liveschaltung sie keine Zeit hatte, dann kommt | |
ein anderer Journalist, der wissen will, ob er sie schon gefragt habe, | |
warum sie nach Westafrika geht. | |
## Menschwürdiges Sterben | |
Claudia O. war mit der Bundeswehr bereits in Mali und mehrfach in | |
Westafrika, aber das, so sagt sie, „in normaler ärztlicher Tätigkeit“. Was | |
sie jetzt täten, sei etwas anderes. „Wir reisen in ein Epidemiegebiet, und | |
die Sicherheitslage ist schwer vorhersehbar.“ Was das bedeutet? „Angst hat | |
jeder von uns; alles andere wäre nicht natürlich.“ | |
Und dann sagt sie noch deutlicher als Dirk Kamm, was es bedeutet, nicht | |
kurativ zu arbeiten: „Wir sind in einer Seucheneindämmungssituation: Unsere | |
Hauptaufgabe wird es sein, menschwürdiges Sterben zu erleichtern.“ | |
Intensivmedizinische Betreuung wie in Europa wird es in Westafrika nicht | |
für jeden Patienten geben – vermutlich für kaum einen. Was das bedeutet, | |
das sagt Claudia O., sei zu Beginn des Kurses wohl nicht allen Freiwilligen | |
klar gewesen. | |
24 Oct 2014 | |
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## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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