| # taz.de -- Kontakt in Ebola-Regionen: Kein Fußball, keine Arbeit | |
| > Kaum ein Reporter traut sich in die von Ebola betroffenen Länder. Aber | |
| > man kann den Menschen ja auch auf Facebook begegnen. | |
| Bild: Weiße Anzüge, gelbe Handschuhe: Helfer vom Roten Kreuz in Liberias Haup… | |
| Von Ebola geträumt. Von gelben Handschuhen, weißen Anzügen – und umgekehrt, | |
| gelben Anzügen und weißen Handschuhen. Von fiebernden Männern, die halb | |
| wahnsinnig vor Hunger über die Märkte streifen. Von dem kleinen Jungen mit | |
| verdrehten Augen, der von seinem Vater in einer Schubkarre bis zum | |
| Krankenhaus gefahren – und abgewiesen wurde. Von den hilflosen Augen des | |
| Vaters in Nahaufnahme. | |
| Es gibt kaum noch Reporter in diesen Ländern. Kaum auserzählte Geschichten. | |
| Nur Bilder, die Monströses andeuten. Radiobeiträge, in denen die | |
| Journalisten die Kranken aus sicherer Entfernung befragen. Interviews mit | |
| wenigen weißen Helfern, die mühsam beherrscht in die Kamera sprechen. | |
| Doch auf Facebook ist die ganze Welt theoretisch nur einen Klick entfernt. | |
| Ich kann mit einem IS-Kämpfer chatten oder mit einem kurdischen Kämpfer in | |
| Kobani. Sie könnten auch miteinander chatten. | |
| Auch die Menschen, die, eingesperrt in Sierra Leone, Liberia, Guinea, | |
| sterben, wenn die Welt Ebola nicht aufhalten kann, sie sind da auf | |
| Facebook, zu Tausenden. Mädchen in Blumenkleidern, Männer mit gehäkelten | |
| Wollmützen. Sie heißen Princess, Oumar, Cidy. | |
| Die Landesgrenzen sind seit Monaten geschlossen. Und hat jemand Symptome | |
| von Ebola, darf er diese Länder auch mit einem Flugzeug nicht verlassen. | |
| Ich verschicke Freundschaftsanfragen. Nach Monrovia, nach Conakry, | |
| Freetown. In Kleinstädte, Dörfer. | |
| Prince, Soziologe aus Sierra Leone, 28, vor zwei Jahren nach Monrovia | |
| gezogen, antwortet. Er hat das Ebola-Einsatzteam begleitet und gefilmt. | |
| „Verzögerte Reaktion bei Neuinfektionen, falsches Personal, falsche | |
| Diagnosen, minimale Information der Öffentlichkeit, Stau bei der | |
| Unterbringung, keine Vorsorgemaßnahmen.“ | |
| ## Den ganzen Tag zuhause | |
| Er schreibt über sein Handy. Er schreibt schnell. Komprimiert seine | |
| Antworten aufs Nötigste. „Und, am wichtigsten: Das Personal wird nicht | |
| bezahlt. Deshalb arbeiten sie nicht richtig.“ Wie sich sein Leben verändert | |
| hat? „Angst vor Kontakt, eingeschränkte Bewegungsfreiheit, höhere | |
| Lebenskosten.“ Ich muss los. Wir verabreden uns für ein andermal. | |
| Später. Freetown, Sierra Leone. Alie. Auf seinem Profilbild posiert er im | |
| Unterhemd vor einer Strohhütte. Er ist Polizist, sagt er. Kann er mir etwas | |
| über den Alltag in Freetown erzählen? | |
| „Ich rate dir, ins Internet zu gehen, okay?“ „Wie bitte?“ | |
| „Gehe ins Ebola-Internet. Dort findest du alles über Ebola. Bitte, mein | |
| Bruder.“ „Das mache ich schon. Ich habe noch Fragen.“ | |
| „Die Länder, die stark betroffen sind, werden von Schwarzen dominiert. Also | |
| sind sie die einzigen Betroffenen, okay?“ | |
| Was er damit sagen will, frage ich. Als Antwort schickt er mir denselben | |
| Satz noch zehnmal. | |
| Guinea. Ein Schüler antwortet mir: Salif, 18 Jahre alt. Er lebt mit seiner | |
| Familie in Conakry, der Hauptstadt. Er will mal Profifußballer werden, kann | |
| aber nicht trainieren – wegen Ebola. Seit Juli ist er den ganzen Tag zu | |
| Hause. | |
| „Ich mache nichts. Ich schaue mir die Leute an, die vorübergehen.“ „Und | |
| deine Eltern?“ „Sie arbeiten. Sie sagen mir, dass ich auf mich aufpassen | |
| soll.“ | |
| Cidy schreibt. Ein Krankenpfleger aus Freetown, Sierra Leone. Auf seinem | |
| Profilbild sieht man ihn mit einer jungen Frau, die ihn umarmt und auf die | |
| Wange küsst. Sie ist Italienerin und war bis vor wenigen Tagen mit ihm auf | |
| einer Kinderstation in einem Krankenhaus in Freetown. Eine Italienerin mit | |
| langen, dunklen Locken. Hat sie das Land wegen Ebola verlassen? | |
| „Nein“, schreibt er, „nicht wegen Ebola. Wegen ihrer Ausbildung, die sie | |
| jetzt beginnt. Wir haben uns verlobt, bevor sie abgereist ist, und ich | |
| vermisse sie, besonders in diesen Tagen.“ | |
| Einige seiner Kollegen haben sich mit Ebola angesteckt – zum Glück Kollegen | |
| aus einer anderen Abteilung. Aber drei sind jetzt tot, drei in einer | |
| Isolierstation. Er hat Angst, schreibt er. | |
| ## „Keine Chance. Arbeitslos“ | |
| Hat er je darüber nachgedacht, Sierra Leone zu verlassen? Mit seiner | |
| Verlobten nach Italien zu gehen? Er schreibt: „Hahaha.“ Und dann: „Wenn i… | |
| könnte, würde ich an jeden sicheren Ort gehen, bis diese Ebola-Sache vorbei | |
| ist. Und ich wäre glücklich, mit ihr zusammen zu sein.“ „Aber es geht | |
| nicht?“ | |
| Es kommt keine Antwort mehr. Dann, nach einigen Stunden, schreibt Cidy: | |
| „Sorry, ich war beten. Mit Gott geht alles.“ | |
| Nach einigen Tagen schreibt Prince, der Soziologe aus Monrovia: „Seit einer | |
| Woche ist die Lage besser. Alle waschen sich mit Seife und Chlor, es gibt | |
| Maschinen, die die Temperatur von Menschen messen, neue Behandlungszentren | |
| werden aufgebaut, und die Krankenwagen kommen rechtzeitig.“ Er schickt ein | |
| Icon: Daumen hoch! Er schreibt, er hat sechs Videos gedreht, für seine | |
| zukünftige Forschung. Einen Titel hat er schon: „Der Einfluss von Ebola auf | |
| Subsahara-Afrika und der Aufbau von Handlungsoptionen.“ Er schreibt: „Ich | |
| war auf der Njala-Universität in Sierra Leone. 2012 kam ich ins hektische | |
| Monrovia, um nach Arbeit zu suchen. Ich wurde privater Tutor. Als die Sache | |
| mit Ebola anfing, dachte ich zuerst, es wären nur Gerüchte. Aber dann habe | |
| ich es gesehen. Um ehrlich zu sein, ich fürchte mich vor der Epidemie. Sie | |
| kann Menschen töten – unabhängig von ihrem Status. Ich gehe kaum noch aus.�… | |
| „Und deine Arbeit?“ „Keine Chance. Arbeitslos. Die meisten Organisationen | |
| haben ihre Arbeiter für 90 Tage eingestellt.“ „Hast du Ersparnisse?“ „… | |
| Ich werde von einem Freund unterstützt. Meine ganze Familie ist noch in | |
| Sierra Leone.“ Er schickt ein Foto: Er, in weißem Hemd, in einem virtuellen | |
| Rahmen aus Seerosen. Und eines, wieder im weißen Hemd, auf einem Markt. | |
| „Normalerweise sitze ich an der Straße, mit drei Freunden. Ich lebe im | |
| Zentrum“, schreibt er. „Ich habe Angst, weiter rauszugehen, wegen der | |
| Ausgangssperre.“ Er nennt seine Straße. „Wow, direkt am Meer!“ Später | |
| schreibt er: „Nenn mich Prince Sackie Junior.“ „Warum?“ „Den Namen gi… | |
| oft.“ „Sag mal. Dein Freund, der dich unterstützt? Arbeitet er?“ „Wir … | |
| vom Gras, das Gott uns gibt. Manchmal gehen wir hungrig ins Bett. Aber ich | |
| bewerbe mich weiterhin beim Roten Kreuz.“ | |
| 26 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Steffi Unsleber | |
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