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# taz.de -- Militärs im ukrainischen Parlament: Partei unter Waffen
> Die Partei Selbsthilfe des Lemberger Bürgermeisters ist mit dem
> Militärbataillon Donbass verbunden. Kandidaten und Programm spiegeln den
> Einfluss wider.
Bild: Den politischen Gegner fest im Blick: Mitglieder des Bataillon Donbass.
KIEW taz | Für die Ukraine war es eine Sensation: Die Partei Selbsthilfe
des Bürgermeisters der westukrainischen Stadt Lemberg holte bei den
Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag mit 11 Prozent ein zweistelliges
Ergebnis. Seitdem wird sie als dritter Partner einer großen Koalition
gehandelt, die der Regierung eine verfassungsändernde Mehrheit verschaffen
soll.
Bereits bei den Wahlen für den Stadtrat von Kiew im Mai hatte die Partei,
deren Philosophie „christliche Moral und der gesunde Menschenverstand“ ist,
und die sich für eine engere Anbindung an Europa und soziale
Marktwirtschaft einsetzt, mit 6,8 Prozent einen unerwartet gutes Ergebnis
erzielt. Ihren Erfolg in den Städten hat sie vor allem dem Mittelstand zu
verdanken, der neue Gesichter in der Politik und einen Neuanfang sehen
will.
Die in der Westukraine verankerte Partei konnte mit ihrer Forderung nach
mehr Autonomie für die Regionen auch in der Ostukraine auf Unterstützung
hoffen. Mit ihrem Namen knüpft die Partei an eine Bewegung in der
Westukraine im 19. Jahrhundert an, die durch eine Selbstorganisation der
Bauern deren Emanzipation erkämpften.
Parteichef Andrej Sadowoj, Bürgermeister von Lemberg, kandidierte bei den
Parlamentswahlen nur auf Platz 50 und wird damit auf seinem Posten als
Bürgermeister bleiben. Ein Blick auf die Wahlliste und das Wahlprogramm für
die jüngsten Parlamentswahlen zeigt, dass keine Partei so von Militär und
Militarismus durchdrungen ist wie die Selbsthilfe. Direkt hinter der
Spitzenkandidatin, der Aktivistin der Nichtregierungsorganisation
Neubelebung der Reformpakete, Anna Golko, findet sich Semjon Sementschenko,
Kommandeur des Bataillons Donbass.
Anfang September hatte Pawel Kischkar, der Vize-Kommandeur derselben
Kampfeinheit und auf dem dritten Listenplatz der Selbsthilfe, verkündet,
das Bataillon habe sich auf einer Versammlung entschieden, gemeinsam mit
der Partei Selbsthilfe zur Parlamentswahl anzutreten. Dieser Schritt war
von einem Parteitag der Selbsthilfe im September beschlossen worden.
Gleichzeitig, so Sementschenko auf seiner Facebookseite, habe das
Freiwilligenbataillon auch in zwanzig Wahlkreisen „Kämpfer, die sowohl mit
dem Wort als auch mit dem Maschinengewehr gut umgehen können“, als
Direktkandidaten aufgestellt.
## Paramilitärische Strukturen
Die Tageszeitung Komsomolskaja Prawda berichtet, bewaffnete Mitglieder des
Bataillons in Kampfuniformen hätten die Pressekonferenz, bei der
Sementschenko die Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe angekündigt hatte,
geschützt. Auch das Wahlprogramm der Selbsthilfe spiegelt den starken
Einfluss der Militärs wieder.
Neben zahlreichen sozialen Forderungen und der Forderung nach mehr
Autonomie und einer Reform der Steuerpolitik zugunsten der Regionen fordert
die Partei einen „stärkeren patriotischen Geist“, den Ankauf von „modern…
Rüstung“ und einen „effektiven militärisch-industriellen Komplex“.
Gleichzeitig will die Partei die Verteidigungsfähigkeit des Landes erhöhen
sowie Initiativen unterstützen, die die Armee versorgen. Auch der
blockfreie Status der Ukraine soll aufgegeben werden.
„Ich bin erschüttert“, kommentiert Tatjana, eine Bewohnerin eines Vorortes
von Donezk den gewachsenen politischen Einfluss des paramilitärischen
Donbass-Batailons. „Hier plündern sie, beschießen unsere Wohnhäuser und
dort in Kiew treten sie als die Retter des Vaterlandes auf.“
Am 4. Juli hatte die ukrainische Internetzeitung korrespondent.net unter
Berufung auf Oleg Dub, selbst Mitglied des Freiwilligenverbandes Donbass,
von einer „Säuberungsaktion“ des Bataillons in der Ortschaft Nikolajewka
berichtet. Dabei hatten Angehörige der Einheit unbewaffnete Zivilisten
getötet. Man habe auf alles geschossen, was sich bewegt habe, so Dub.
28 Oct 2014
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Donbass
Selbsthilfe
Lemberg
Parlament
Militär
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Volksrepublik Donezk
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